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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Der Kaiserin Josephine Aufstieg

keit aus dem Stadium einer privaten, einer Familienangelegenheit heraus;
sie wurde Staatssache, und die gequälte Frau begriff, daß der Gedanke an
eine andere Verbindung sich ihrem Gatten immer zwingender aufdrängen
mußte. Bei schlechter Laune machte dieser ihre Sterilität bereits zum Gegen¬
stände seines Spottes; als er einst in Malmaison mit einigen Gästen eine
Jagd veranstalten wollte und Josephine darauf hinwies, daß alles Wild
trächtig sei, äußerte er: "Ja, meine Herren, hier erwartet alles Nachkommen¬
schaft, nur Madame nicht I" Schließlich machte die Furcht vor der Trennung
von dem geliebten Manne die Ärmste sogar zur Fürsprecherin der Bourbonen,
die den Thron Frankreichs noch immer als ihre Domäne ansahen. Als erb¬
licher Staatschef mußte Bonaparte selbstverständlich nach Kindern verlangen;
als Herzog, als Pair oder als Connetabel Ludwigs des Achtzehnter konnte
er allenfalls auf Nachkommen verzichten. Aber zu ihrem großen Schmerze
dachte Napoleon garnicht daran, die Rolle eines Monk zu spielen.

Mittlerweile bahnte der Lauf der Dinge, zumal ein im März 1304 ent¬
decktes realistisches Komplott, das auf die Ermordung des Ersten Konsuls
hinauslief, immer unabweislicher der Überzeugung die Wege, daß nur die
Errichtung eines Thrones die Fortdauer der Ruhe im Inneren des Staates
verbürgen könne. Die gesetzgebenden Faktoren schlugen Napoleon daher die
Annahme der erblichen Kaiserwürde vor, und eine Volksabstimmung wählte
ihn zum Herrscher Frankreichs. Am 18. Mai rief im Schlosse von Se. Cloud,
wo der Hof gerade weilte, der bisherige Konsul Cambaeöres an der Spitze der
Senatoren Napoleon Bonaparte zum Kaiser der Franzosen auZ. Dann ver¬
fügte sich der Senat in die Gemächer Josephinens und proklamierte diese zur
Kaiserin; als sie zum ersten Male mit dem Titel "Majestät" angeredet wurde,
war sie tief ergriffen und dankte in einer ihr trefflich stehenden Verwirrung.
Nun schien aber eine Krönung nötig, um die neue Herrschaft in den Augen
der Welt an Glanz nicht hinter den alten Monarchien Europas zurückstehen
zu lassen, und sofort tauchte die Frage auf: Sollte Josephine gekrönt werden
wie der Kaiser? Sie wünschte es glühend, denn mit Recht erblickte sie in einer
solchen Ehrung ein Band, das ihren Gatten enger an sie fesseln würde, eine
sichere Bürgschaft gegen die Verstoßung. Wurde ihr dieser Herzenswunsch
erfüllt, dann war das unheimliche Spukgebilde, das ihr die letzten Jahre ver¬
bittert hatte, gebannt für alle Zeiten und ihre Stellung ihrer Meinung nach
unantastbar. Aber aus demselben Grunde setzten die Gegner alles in Be¬
wegung, eine Krönung Josephinens zu verhindern. Schon gewann es den An¬
schein, als sollten sie siegen, da stimmte gerade ihr allzu deutlich zur Schau
getragener, den Kaiser verletzender Triumph diesen noch einmal um; es kam
dazu die zweifelhafte Hoffnung auf bessere Erfolge in einer neuen Ehe --
auch seine Liebschaften hatten keine Deszendenz ergeben --, die warme
Sympathie für seine Stiefkinder und endlich die immer wieder erwachende
Liebe zu der an seine Seite gestellten Frau; nach einer erregten Szene, wie


Der Kaiserin Josephine Aufstieg

keit aus dem Stadium einer privaten, einer Familienangelegenheit heraus;
sie wurde Staatssache, und die gequälte Frau begriff, daß der Gedanke an
eine andere Verbindung sich ihrem Gatten immer zwingender aufdrängen
mußte. Bei schlechter Laune machte dieser ihre Sterilität bereits zum Gegen¬
stände seines Spottes; als er einst in Malmaison mit einigen Gästen eine
Jagd veranstalten wollte und Josephine darauf hinwies, daß alles Wild
trächtig sei, äußerte er: „Ja, meine Herren, hier erwartet alles Nachkommen¬
schaft, nur Madame nicht I" Schließlich machte die Furcht vor der Trennung
von dem geliebten Manne die Ärmste sogar zur Fürsprecherin der Bourbonen,
die den Thron Frankreichs noch immer als ihre Domäne ansahen. Als erb¬
licher Staatschef mußte Bonaparte selbstverständlich nach Kindern verlangen;
als Herzog, als Pair oder als Connetabel Ludwigs des Achtzehnter konnte
er allenfalls auf Nachkommen verzichten. Aber zu ihrem großen Schmerze
dachte Napoleon garnicht daran, die Rolle eines Monk zu spielen.

Mittlerweile bahnte der Lauf der Dinge, zumal ein im März 1304 ent¬
decktes realistisches Komplott, das auf die Ermordung des Ersten Konsuls
hinauslief, immer unabweislicher der Überzeugung die Wege, daß nur die
Errichtung eines Thrones die Fortdauer der Ruhe im Inneren des Staates
verbürgen könne. Die gesetzgebenden Faktoren schlugen Napoleon daher die
Annahme der erblichen Kaiserwürde vor, und eine Volksabstimmung wählte
ihn zum Herrscher Frankreichs. Am 18. Mai rief im Schlosse von Se. Cloud,
wo der Hof gerade weilte, der bisherige Konsul Cambaeöres an der Spitze der
Senatoren Napoleon Bonaparte zum Kaiser der Franzosen auZ. Dann ver¬
fügte sich der Senat in die Gemächer Josephinens und proklamierte diese zur
Kaiserin; als sie zum ersten Male mit dem Titel „Majestät" angeredet wurde,
war sie tief ergriffen und dankte in einer ihr trefflich stehenden Verwirrung.
Nun schien aber eine Krönung nötig, um die neue Herrschaft in den Augen
der Welt an Glanz nicht hinter den alten Monarchien Europas zurückstehen
zu lassen, und sofort tauchte die Frage auf: Sollte Josephine gekrönt werden
wie der Kaiser? Sie wünschte es glühend, denn mit Recht erblickte sie in einer
solchen Ehrung ein Band, das ihren Gatten enger an sie fesseln würde, eine
sichere Bürgschaft gegen die Verstoßung. Wurde ihr dieser Herzenswunsch
erfüllt, dann war das unheimliche Spukgebilde, das ihr die letzten Jahre ver¬
bittert hatte, gebannt für alle Zeiten und ihre Stellung ihrer Meinung nach
unantastbar. Aber aus demselben Grunde setzten die Gegner alles in Be¬
wegung, eine Krönung Josephinens zu verhindern. Schon gewann es den An¬
schein, als sollten sie siegen, da stimmte gerade ihr allzu deutlich zur Schau
getragener, den Kaiser verletzender Triumph diesen noch einmal um; es kam
dazu die zweifelhafte Hoffnung auf bessere Erfolge in einer neuen Ehe —
auch seine Liebschaften hatten keine Deszendenz ergeben —, die warme
Sympathie für seine Stiefkinder und endlich die immer wieder erwachende
Liebe zu der an seine Seite gestellten Frau; nach einer erregten Szene, wie


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[0291] Der Kaiserin Josephine Aufstieg keit aus dem Stadium einer privaten, einer Familienangelegenheit heraus; sie wurde Staatssache, und die gequälte Frau begriff, daß der Gedanke an eine andere Verbindung sich ihrem Gatten immer zwingender aufdrängen mußte. Bei schlechter Laune machte dieser ihre Sterilität bereits zum Gegen¬ stände seines Spottes; als er einst in Malmaison mit einigen Gästen eine Jagd veranstalten wollte und Josephine darauf hinwies, daß alles Wild trächtig sei, äußerte er: „Ja, meine Herren, hier erwartet alles Nachkommen¬ schaft, nur Madame nicht I" Schließlich machte die Furcht vor der Trennung von dem geliebten Manne die Ärmste sogar zur Fürsprecherin der Bourbonen, die den Thron Frankreichs noch immer als ihre Domäne ansahen. Als erb¬ licher Staatschef mußte Bonaparte selbstverständlich nach Kindern verlangen; als Herzog, als Pair oder als Connetabel Ludwigs des Achtzehnter konnte er allenfalls auf Nachkommen verzichten. Aber zu ihrem großen Schmerze dachte Napoleon garnicht daran, die Rolle eines Monk zu spielen. Mittlerweile bahnte der Lauf der Dinge, zumal ein im März 1304 ent¬ decktes realistisches Komplott, das auf die Ermordung des Ersten Konsuls hinauslief, immer unabweislicher der Überzeugung die Wege, daß nur die Errichtung eines Thrones die Fortdauer der Ruhe im Inneren des Staates verbürgen könne. Die gesetzgebenden Faktoren schlugen Napoleon daher die Annahme der erblichen Kaiserwürde vor, und eine Volksabstimmung wählte ihn zum Herrscher Frankreichs. Am 18. Mai rief im Schlosse von Se. Cloud, wo der Hof gerade weilte, der bisherige Konsul Cambaeöres an der Spitze der Senatoren Napoleon Bonaparte zum Kaiser der Franzosen auZ. Dann ver¬ fügte sich der Senat in die Gemächer Josephinens und proklamierte diese zur Kaiserin; als sie zum ersten Male mit dem Titel „Majestät" angeredet wurde, war sie tief ergriffen und dankte in einer ihr trefflich stehenden Verwirrung. Nun schien aber eine Krönung nötig, um die neue Herrschaft in den Augen der Welt an Glanz nicht hinter den alten Monarchien Europas zurückstehen zu lassen, und sofort tauchte die Frage auf: Sollte Josephine gekrönt werden wie der Kaiser? Sie wünschte es glühend, denn mit Recht erblickte sie in einer solchen Ehrung ein Band, das ihren Gatten enger an sie fesseln würde, eine sichere Bürgschaft gegen die Verstoßung. Wurde ihr dieser Herzenswunsch erfüllt, dann war das unheimliche Spukgebilde, das ihr die letzten Jahre ver¬ bittert hatte, gebannt für alle Zeiten und ihre Stellung ihrer Meinung nach unantastbar. Aber aus demselben Grunde setzten die Gegner alles in Be¬ wegung, eine Krönung Josephinens zu verhindern. Schon gewann es den An¬ schein, als sollten sie siegen, da stimmte gerade ihr allzu deutlich zur Schau getragener, den Kaiser verletzender Triumph diesen noch einmal um; es kam dazu die zweifelhafte Hoffnung auf bessere Erfolge in einer neuen Ehe — auch seine Liebschaften hatten keine Deszendenz ergeben —, die warme Sympathie für seine Stiefkinder und endlich die immer wieder erwachende Liebe zu der an seine Seite gestellten Frau; nach einer erregten Szene, wie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/291>, abgerufen am 24.08.2024.