Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Stärke und Macht des Deutschtums in den baltischen Provinzen

mit einer acht-llasfigen Realschule in Mitau), zum andern Teil für die Unter¬
stützung deutscher Privatschulen, Stipendien usw. verausgabt wurden. Man
hat dabei zu erwägen, daß die Güter, die diese selbst ausgelegte Last tragen,
daneben noch die allgemeine Reichsgrundsteuer und die sogenannten "Landes-
prästanden", das heißt Steuern, die außer der Reichsgrundsteuer allen ländlichen
Grundeigentümern zu bestimmten Zwecken vom Staate auferlegt sind, zu zahlen
haben. Die russische Regierung sah sehr wohl ein, daß die Vormachtstellung
des Deutschtums auf der Ritter- und Landschaft beruhte. Sie eröffnete darum
in den Ostseeprovinzen Filialen der Bauernagrarbank, um Rittergüter zu
Kolonisationszwecken für russische Bauern anzukaufen. Diese von der Bauern¬
agrarbank anzukausendcu Güter sollten von den LaudtagZwilligungcn und ebenso
von den Leistungen für die lutherische Kirche (den Verpflichtungen der Kirchen¬
patrone, die als Ncallasten auf dem Grund und Boden ruhen) befreit sein.
Die Aktion der Baucragrarbank hat nur sehr kleinen Erfolg gehabt, vor allem
dank der Tätigkeit des Herrn S. Broedrich, der etwa 30 Güter, die ihr ver¬
fallen wären, aufkaufte und sie im Gegenteil für die Ansiedelung deutscher
Bauern nutzbar machte.

Livland. Nach den Forschungen von Al. Tobler*) und A. v. Transehe,**)
denen wir folgen, gab es ums Jahr 1904 auf dem livländischen Festland? (mit
Anschluß der Inseln):

1. 729 Rittergüter,
davon: Hofesland 1 664 316 Dess,*"")
Quoienland 286 318 "
Baucrland 1233 344 "
in Sunnna 3 163 977 Dess.
2. 95 Domcincnaüier 636 460 Dess.
3. 14 Patrimonialgütcr ^
41 Grundstücke' / ^"
4. 106 Pastorale 49 666 "

Läßt man die unter 3. genannten 41 Grundstücke, die neben den Patrimonml-
gütern so klein sind, daß sie für unsere nur Näherungswerte anstrebende Rechnung
nicht in Betracht kommen, beiseite, so enthalten die erste und die zweite Rubrik
den Privatbesitz, und zwar die erste Rubrik nur Prwatbesitz, die zweite insofern,
als ein bestimmter Teil des Domänenlandcs, der in der angegebenen Summe
von 536460 Dess. enthalten ist, den Bauern, Letten und Ehlen verkauft ist,
auch Privatbesitz. Nach Transehe****) gab es ums Jahr 1904 auf den Domäncn-
gütern 9586 Bauernhöfe, "Gesinde", in einer durchschnittlichen Größe von
25,75 Dess., das heißt der bäuerliche Besitz auf Domänenland hatte einen






*) Die Agraversassung des livländischen Festlandes.
Lettische Revolution I, S, 46 ff.
DesMne --- 1,0926 Hektar.
""^) Baltische Bürgerkunde S, 308
Stärke und Macht des Deutschtums in den baltischen Provinzen

mit einer acht-llasfigen Realschule in Mitau), zum andern Teil für die Unter¬
stützung deutscher Privatschulen, Stipendien usw. verausgabt wurden. Man
hat dabei zu erwägen, daß die Güter, die diese selbst ausgelegte Last tragen,
daneben noch die allgemeine Reichsgrundsteuer und die sogenannten „Landes-
prästanden", das heißt Steuern, die außer der Reichsgrundsteuer allen ländlichen
Grundeigentümern zu bestimmten Zwecken vom Staate auferlegt sind, zu zahlen
haben. Die russische Regierung sah sehr wohl ein, daß die Vormachtstellung
des Deutschtums auf der Ritter- und Landschaft beruhte. Sie eröffnete darum
in den Ostseeprovinzen Filialen der Bauernagrarbank, um Rittergüter zu
Kolonisationszwecken für russische Bauern anzukaufen. Diese von der Bauern¬
agrarbank anzukausendcu Güter sollten von den LaudtagZwilligungcn und ebenso
von den Leistungen für die lutherische Kirche (den Verpflichtungen der Kirchen¬
patrone, die als Ncallasten auf dem Grund und Boden ruhen) befreit sein.
Die Aktion der Baucragrarbank hat nur sehr kleinen Erfolg gehabt, vor allem
dank der Tätigkeit des Herrn S. Broedrich, der etwa 30 Güter, die ihr ver¬
fallen wären, aufkaufte und sie im Gegenteil für die Ansiedelung deutscher
Bauern nutzbar machte.

Livland. Nach den Forschungen von Al. Tobler*) und A. v. Transehe,**)
denen wir folgen, gab es ums Jahr 1904 auf dem livländischen Festland? (mit
Anschluß der Inseln):

1. 729 Rittergüter,
davon: Hofesland 1 664 316 Dess,*«")
Quoienland 286 318 „
Baucrland 1233 344 „
in Sunnna 3 163 977 Dess.
2. 95 Domcincnaüier 636 460 Dess.
3. 14 Patrimonialgütcr ^
41 Grundstücke' / ^"
4. 106 Pastorale 49 666 „

Läßt man die unter 3. genannten 41 Grundstücke, die neben den Patrimonml-
gütern so klein sind, daß sie für unsere nur Näherungswerte anstrebende Rechnung
nicht in Betracht kommen, beiseite, so enthalten die erste und die zweite Rubrik
den Privatbesitz, und zwar die erste Rubrik nur Prwatbesitz, die zweite insofern,
als ein bestimmter Teil des Domänenlandcs, der in der angegebenen Summe
von 536460 Dess. enthalten ist, den Bauern, Letten und Ehlen verkauft ist,
auch Privatbesitz. Nach Transehe****) gab es ums Jahr 1904 auf den Domäncn-
gütern 9586 Bauernhöfe, „Gesinde", in einer durchschnittlichen Größe von
25,75 Dess., das heißt der bäuerliche Besitz auf Domänenland hatte einen






*) Die Agraversassung des livländischen Festlandes.
Lettische Revolution I, S, 46 ff.
DesMne --- 1,0926 Hektar.
""^) Baltische Bürgerkunde S, 308
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0279" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324692"/>
            <fw type="header" place="top"> Stärke und Macht des Deutschtums in den baltischen Provinzen</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1019" prev="#ID_1018"> mit einer acht-llasfigen Realschule in Mitau), zum andern Teil für die Unter¬<lb/>
stützung deutscher Privatschulen, Stipendien usw. verausgabt wurden. Man<lb/>
hat dabei zu erwägen, daß die Güter, die diese selbst ausgelegte Last tragen,<lb/>
daneben noch die allgemeine Reichsgrundsteuer und die sogenannten &#x201E;Landes-<lb/>
prästanden", das heißt Steuern, die außer der Reichsgrundsteuer allen ländlichen<lb/>
Grundeigentümern zu bestimmten Zwecken vom Staate auferlegt sind, zu zahlen<lb/>
haben. Die russische Regierung sah sehr wohl ein, daß die Vormachtstellung<lb/>
des Deutschtums auf der Ritter- und Landschaft beruhte. Sie eröffnete darum<lb/>
in den Ostseeprovinzen Filialen der Bauernagrarbank, um Rittergüter zu<lb/>
Kolonisationszwecken für russische Bauern anzukaufen. Diese von der Bauern¬<lb/>
agrarbank anzukausendcu Güter sollten von den LaudtagZwilligungcn und ebenso<lb/>
von den Leistungen für die lutherische Kirche (den Verpflichtungen der Kirchen¬<lb/>
patrone, die als Ncallasten auf dem Grund und Boden ruhen) befreit sein.<lb/>
Die Aktion der Baucragrarbank hat nur sehr kleinen Erfolg gehabt, vor allem<lb/>
dank der Tätigkeit des Herrn S. Broedrich, der etwa 30 Güter, die ihr ver¬<lb/>
fallen wären, aufkaufte und sie im Gegenteil für die Ansiedelung deutscher<lb/>
Bauern nutzbar machte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1020"> Livland. Nach den Forschungen von Al. Tobler*) und A. v. Transehe,**)<lb/>
denen wir folgen, gab es ums Jahr 1904 auf dem livländischen Festland? (mit<lb/>
Anschluß der Inseln):</p><lb/>
            <list>
              <item> 1. 729 Rittergüter,</item>
              <item> davon: Hofesland 1 664 316 Dess,*«")</item>
              <item> Quoienland  286 318 &#x201E;</item>
              <item> Baucrland 1233 344 &#x201E;</item>
              <item> in Sunnna 3 163 977 Dess.</item>
              <item> 2. 95 Domcincnaüier   636 460 Dess.</item>
              <item> 3. 14 Patrimonialgütcr ^<lb/>
41 Grundstücke'   / ^"</item>
              <item> 4. 106 Pastorale 49 666 &#x201E;</item>
            </list><lb/>
            <p xml:id="ID_1021" next="#ID_1022"> Läßt man die unter 3. genannten 41 Grundstücke, die neben den Patrimonml-<lb/>
gütern so klein sind, daß sie für unsere nur Näherungswerte anstrebende Rechnung<lb/>
nicht in Betracht kommen, beiseite, so enthalten die erste und die zweite Rubrik<lb/>
den Privatbesitz, und zwar die erste Rubrik nur Prwatbesitz, die zweite insofern,<lb/>
als ein bestimmter Teil des Domänenlandcs, der in der angegebenen Summe<lb/>
von 536460 Dess. enthalten ist, den Bauern, Letten und Ehlen verkauft ist,<lb/>
auch Privatbesitz. Nach Transehe****) gab es ums Jahr 1904 auf den Domäncn-<lb/>
gütern 9586 Bauernhöfe, &#x201E;Gesinde", in einer durchschnittlichen Größe von<lb/>
25,75 Dess., das heißt der bäuerliche Besitz auf Domänenland hatte einen</p><lb/>
            <note xml:id="FID_61" place="foot"> *) Die Agraversassung des livländischen Festlandes.</note><lb/>
            <note xml:id="FID_62" place="foot"> Lettische Revolution I, S, 46 ff.</note><lb/>
            <note xml:id="FID_63" place="foot"> DesMne --- 1,0926 Hektar.</note><lb/>
            <note xml:id="FID_64" place="foot"> ""^) Baltische Bürgerkunde S, 308</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0279] Stärke und Macht des Deutschtums in den baltischen Provinzen mit einer acht-llasfigen Realschule in Mitau), zum andern Teil für die Unter¬ stützung deutscher Privatschulen, Stipendien usw. verausgabt wurden. Man hat dabei zu erwägen, daß die Güter, die diese selbst ausgelegte Last tragen, daneben noch die allgemeine Reichsgrundsteuer und die sogenannten „Landes- prästanden", das heißt Steuern, die außer der Reichsgrundsteuer allen ländlichen Grundeigentümern zu bestimmten Zwecken vom Staate auferlegt sind, zu zahlen haben. Die russische Regierung sah sehr wohl ein, daß die Vormachtstellung des Deutschtums auf der Ritter- und Landschaft beruhte. Sie eröffnete darum in den Ostseeprovinzen Filialen der Bauernagrarbank, um Rittergüter zu Kolonisationszwecken für russische Bauern anzukaufen. Diese von der Bauern¬ agrarbank anzukausendcu Güter sollten von den LaudtagZwilligungcn und ebenso von den Leistungen für die lutherische Kirche (den Verpflichtungen der Kirchen¬ patrone, die als Ncallasten auf dem Grund und Boden ruhen) befreit sein. Die Aktion der Baucragrarbank hat nur sehr kleinen Erfolg gehabt, vor allem dank der Tätigkeit des Herrn S. Broedrich, der etwa 30 Güter, die ihr ver¬ fallen wären, aufkaufte und sie im Gegenteil für die Ansiedelung deutscher Bauern nutzbar machte. Livland. Nach den Forschungen von Al. Tobler*) und A. v. Transehe,**) denen wir folgen, gab es ums Jahr 1904 auf dem livländischen Festland? (mit Anschluß der Inseln): 1. 729 Rittergüter, davon: Hofesland 1 664 316 Dess,*«") Quoienland 286 318 „ Baucrland 1233 344 „ in Sunnna 3 163 977 Dess. 2. 95 Domcincnaüier 636 460 Dess. 3. 14 Patrimonialgütcr ^ 41 Grundstücke' / ^" 4. 106 Pastorale 49 666 „ Läßt man die unter 3. genannten 41 Grundstücke, die neben den Patrimonml- gütern so klein sind, daß sie für unsere nur Näherungswerte anstrebende Rechnung nicht in Betracht kommen, beiseite, so enthalten die erste und die zweite Rubrik den Privatbesitz, und zwar die erste Rubrik nur Prwatbesitz, die zweite insofern, als ein bestimmter Teil des Domänenlandcs, der in der angegebenen Summe von 536460 Dess. enthalten ist, den Bauern, Letten und Ehlen verkauft ist, auch Privatbesitz. Nach Transehe****) gab es ums Jahr 1904 auf den Domäncn- gütern 9586 Bauernhöfe, „Gesinde", in einer durchschnittlichen Größe von 25,75 Dess., das heißt der bäuerliche Besitz auf Domänenland hatte einen *) Die Agraversassung des livländischen Festlandes. Lettische Revolution I, S, 46 ff. DesMne --- 1,0926 Hektar. ""^) Baltische Bürgerkunde S, 308

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/279
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/279>, abgerufen am 28.12.2024.