Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.Die politischen Beziehungen zwischen Christentum und Islam wurde -- vorbildlich für alle späteren Verträge dieser Art. Die Franzosen er¬ Die Eroberungskraft der Osmanen ist in Ungarn am deutschen Widerstande Dagegen war der verfallenden türkischen Macht seit Anfang des 18. Jahr¬ Mit dem neuen Erbfeinde hatte aber die Türkei durch natürliche Jnteressen- So waren Frankreich und England im 19. Jahrhundert die natürlichen 17*
Die politischen Beziehungen zwischen Christentum und Islam wurde — vorbildlich für alle späteren Verträge dieser Art. Die Franzosen er¬ Die Eroberungskraft der Osmanen ist in Ungarn am deutschen Widerstande Dagegen war der verfallenden türkischen Macht seit Anfang des 18. Jahr¬ Mit dem neuen Erbfeinde hatte aber die Türkei durch natürliche Jnteressen- So waren Frankreich und England im 19. Jahrhundert die natürlichen 17*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0271" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324684"/> <fw type="header" place="top"> Die politischen Beziehungen zwischen Christentum und Islam</fw><lb/> <p xml:id="ID_983" prev="#ID_982"> wurde — vorbildlich für alle späteren Verträge dieser Art. Die Franzosen er¬<lb/> freuten sich überhaupt der hervorragendsten wirtschaftlichen Stellung im osmanischen<lb/> Reiche, ihre Sprache war die der Europäer schlechthin.</p><lb/> <p xml:id="ID_984"> Die Eroberungskraft der Osmanen ist in Ungarn am deutschen Widerstande<lb/> erlahmt. So wurde Leopold der Erste in der zweiten Hälfte des 17. Jahr¬<lb/> hunderts der eigentliche Schöpfer der Donaumonarchie wesentlich in ihrem heutigen<lb/> Umfange. Seit dieser Abwehr war Österreich der Türkei gegenüber befriedigt.<lb/> Wohl hat es sich auch später noch vereinzelt, so unter Josef dem Zweiten im Bunde<lb/> mit Katharina der Zweiten, an Angriffen auf die Türkei beteiligt. Aber im wesent¬<lb/> lichen hatten sich beide Mächte wechselseitig auseinandergesetzt. Seit der Metternich-<lb/> schen Zeit erschien die Erhaltung der Türkei in ihrem bestehenden Umfange geradezu<lb/> als ein österreichisches Interesse. Und nur die Furcht, daß bei dem türkischen<lb/> Zusammenbruche Bosnien und die Herzegowina an feindliche Slavenstaaten<lb/> fallen könnten, vermochte Österreich zu bestimmen, diese wichtigen Zwischenländer<lb/> l878 zu besetzen und später sich einzuverleiben.</p><lb/> <p xml:id="ID_985"> Dagegen war der verfallenden türkischen Macht seit Anfang des 18. Jahr¬<lb/> hunderts ein anderer Gegner erwachsen, der bald zum Erbfeinde wurde, Ru߬<lb/> land. Dieses strebte seit Peter dem Großen zunächst zum Schwarzen Meere,<lb/> dessen Südküste bisher unter türkischer Herrschaft gestanden hatte, und, auf<lb/> Grund des sagenhaften Testaments des großen Zaren, nach den Meerengen und<lb/> dem goldenen Byzanz. Namentlich Katharina die Zweite hat der Türkei die schwersten<lb/> Schläge versetzt. Das geeignete Mittel der russischen Politik erschien dabei die<lb/> Aufwiegelung der glanbens- und zum Teil stammverwandten Balkanvölker, die<lb/> wesentlich durch russische Hilfe zur halben und dann zur ganzen Unabhängigkeit<lb/> von der Türkei e-uporstiegen. Doch sie sollten nur die Vorposten bilden bei<lb/> dem russischen Vormarsche nach .Konstantinopel. Daß die befreiten Schützlinge<lb/> jemals wider den Stachel locken und sich gegen ihre Beschützer wenden könnten,<lb/> lag völlig außerhalb der russischen Berechnung.</p><lb/> <p xml:id="ID_986"> Mit dem neuen Erbfeinde hatte aber die Türkei durch natürliche Jnteressen-<lb/> aemeinschaft auch einen neuen Freund und Beschützer gefunden — England.<lb/> Mit dem russischen Vorrücken in Mittelasien mußte England immer mehr für<lb/> sein indisches Kolonialreich fürchten. Als größte islamitische Macht war es<lb/> auf gutes Einvernehmen mit dem Sultan als Kalifen angewiesen. Und je<lb/> mehr England zum Schutze seiner Verbindung mit Indien die Herrschaft über<lb/> das Mittelmeer erstrebte, um so weniger konnte es dulden, daß Rußland die<lb/> Türkei übermäßig schwächte und sich selbst zum Herren der Meerengen und<lb/> Konstantinopels machte.</p><lb/> <p xml:id="ID_987" next="#ID_988"> So waren Frankreich und England im 19. Jahrhundert die natürlichen<lb/> Verbündeten der Türkei. Denn natürlich ist auch ohne vertragsmäßige Grund¬<lb/> lage jedes politische Verhältnis, das sich auf gemeinsame Interessen stützt. Im<lb/> Hintergrunde standen beiden Staaten die Sympathien Österreichs zur Seite,<lb/> das eine Umklammerung durch Rußland auf der Balkaninsel nimmermehr</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 17*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0271]
Die politischen Beziehungen zwischen Christentum und Islam
wurde — vorbildlich für alle späteren Verträge dieser Art. Die Franzosen er¬
freuten sich überhaupt der hervorragendsten wirtschaftlichen Stellung im osmanischen
Reiche, ihre Sprache war die der Europäer schlechthin.
Die Eroberungskraft der Osmanen ist in Ungarn am deutschen Widerstande
erlahmt. So wurde Leopold der Erste in der zweiten Hälfte des 17. Jahr¬
hunderts der eigentliche Schöpfer der Donaumonarchie wesentlich in ihrem heutigen
Umfange. Seit dieser Abwehr war Österreich der Türkei gegenüber befriedigt.
Wohl hat es sich auch später noch vereinzelt, so unter Josef dem Zweiten im Bunde
mit Katharina der Zweiten, an Angriffen auf die Türkei beteiligt. Aber im wesent¬
lichen hatten sich beide Mächte wechselseitig auseinandergesetzt. Seit der Metternich-
schen Zeit erschien die Erhaltung der Türkei in ihrem bestehenden Umfange geradezu
als ein österreichisches Interesse. Und nur die Furcht, daß bei dem türkischen
Zusammenbruche Bosnien und die Herzegowina an feindliche Slavenstaaten
fallen könnten, vermochte Österreich zu bestimmen, diese wichtigen Zwischenländer
l878 zu besetzen und später sich einzuverleiben.
Dagegen war der verfallenden türkischen Macht seit Anfang des 18. Jahr¬
hunderts ein anderer Gegner erwachsen, der bald zum Erbfeinde wurde, Ru߬
land. Dieses strebte seit Peter dem Großen zunächst zum Schwarzen Meere,
dessen Südküste bisher unter türkischer Herrschaft gestanden hatte, und, auf
Grund des sagenhaften Testaments des großen Zaren, nach den Meerengen und
dem goldenen Byzanz. Namentlich Katharina die Zweite hat der Türkei die schwersten
Schläge versetzt. Das geeignete Mittel der russischen Politik erschien dabei die
Aufwiegelung der glanbens- und zum Teil stammverwandten Balkanvölker, die
wesentlich durch russische Hilfe zur halben und dann zur ganzen Unabhängigkeit
von der Türkei e-uporstiegen. Doch sie sollten nur die Vorposten bilden bei
dem russischen Vormarsche nach .Konstantinopel. Daß die befreiten Schützlinge
jemals wider den Stachel locken und sich gegen ihre Beschützer wenden könnten,
lag völlig außerhalb der russischen Berechnung.
Mit dem neuen Erbfeinde hatte aber die Türkei durch natürliche Jnteressen-
aemeinschaft auch einen neuen Freund und Beschützer gefunden — England.
Mit dem russischen Vorrücken in Mittelasien mußte England immer mehr für
sein indisches Kolonialreich fürchten. Als größte islamitische Macht war es
auf gutes Einvernehmen mit dem Sultan als Kalifen angewiesen. Und je
mehr England zum Schutze seiner Verbindung mit Indien die Herrschaft über
das Mittelmeer erstrebte, um so weniger konnte es dulden, daß Rußland die
Türkei übermäßig schwächte und sich selbst zum Herren der Meerengen und
Konstantinopels machte.
So waren Frankreich und England im 19. Jahrhundert die natürlichen
Verbündeten der Türkei. Denn natürlich ist auch ohne vertragsmäßige Grund¬
lage jedes politische Verhältnis, das sich auf gemeinsame Interessen stützt. Im
Hintergrunde standen beiden Staaten die Sympathien Österreichs zur Seite,
das eine Umklammerung durch Rußland auf der Balkaninsel nimmermehr
17*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |