Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.Die deutsche Studentenschaft in Rußland vor dem Ausbruch des Weltkrieges Professor Dr. Paul Ssymank von bseits vom Deutschen Reiche hat sich im Laufe des letzten Jahr¬ Daß das deutsch-russische Studententum eine weitaus selbständigere Stellung Bei der Betrachtung des deutsch-russischen Studententums muß man einen Die deutsche Studentenschaft in Rußland vor dem Ausbruch des Weltkrieges Professor Dr. Paul Ssymank von bseits vom Deutschen Reiche hat sich im Laufe des letzten Jahr¬ Daß das deutsch-russische Studententum eine weitaus selbständigere Stellung Bei der Betrachtung des deutsch-russischen Studententums muß man einen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0218" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324631"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341901_324408/figures/grenzboten_341901_324408_324631_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die deutsche Studentenschaft in Rußland vor dem<lb/> Ausbruch des Weltkrieges<lb/><note type="byline"> Professor Dr. Paul Ssymank</note> von </head><lb/> <p xml:id="ID_772"> bseits vom Deutschen Reiche hat sich im Laufe des letzten Jahr¬<lb/> hunderts an verschiedenen Punkten des weiten Nußland ein rein<lb/> deutsches Studententum ausgebildet. Unter den schwierigsten<lb/> politischen Verhältnissen entstanden und ganz und gar auf den<lb/> Weg der Selbsthilfe angewiesen, gewann es langsam, aber<lb/> stetig fortschreitend an Boden und gelangte sogar zu einer nicht unbedeutenden Blüte.</p><lb/> <p xml:id="ID_773"> Daß das deutsch-russische Studententum eine weitaus selbständigere Stellung<lb/> gegenüber dem reichsdeutschen einnahm als das deutsch-österreichische und das<lb/> deutsch-schweizerische, läßt sich leicht erklären, denn die Hochschulen, an denen es<lb/> sich betätigte, sind russische Hochschulen, von denen bisher nur Dorpat das Recht<lb/> bewahrt hatte, einen Teil seiner Vorlesungen in deutscher Sprache zu halten.<lb/> Auch machte sich an ihnen der Ausdehnungsdrang der sie umgebenden Kultur<lb/> mit ganz anderen Mitteln geltend als in Österreich oder der Schweiz. Hierzu<lb/> kam, daß das deutsche Studententum Rußlands auf irgendwelchen Zuzug aus<lb/> dem Deutschen Reiche nicht rechnen konnte, da die russischen Hochschulen infolge<lb/> ihrer noch geringen wissenschaftlichen Bedeutung und ihrer eigenartigen Ein¬<lb/> richtung von Westeuropäern zu Studienzwecken nicht ausgesucht wurden. Eine<lb/> Wechselbeziehung zwischen dem deutschen Studententum Rußlands und dem der<lb/> übrigen deutsch sprechenden Länder konnte nur dadurch aufrecht erhalten werden,<lb/> daß die deutschen Studenten russischer Staatsangehörigkeit deutsche Hochschulen<lb/> des Westens aufsuchten. Sehr häufig war dies bei den in den Ostseeprovinzen<lb/> alteingesessenen Ballen der Fall, weil bei ihnen der Wunsch, den früheren<lb/> Kulturzusammenhang mit Reichsdeutschland zu erhalten, besonders stark war,<lb/> wie die 1914 zum ersten Male verwirklichten Bestrebungen, an der baltischen<lb/> Küste Rußlands eine Sommeruniversität nach Art der Salzburger zu schaffen,<lb/> deutlich zeigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_774"> Bei der Betrachtung des deutsch-russischen Studententums muß man einen<lb/> scharfen Unterschied, machen zwischen der Studentenschaft von solchen Hochschulen,<lb/> welche, auf ursprünglich deutschem Kulturboden erwachsen, jahrzehntelang als<lb/> deutsche Anstalten mit einer ruhmreichen Geschichte bestanden haben, und von<lb/> solchen, welche von vornherein als russische Hochschulen in das Leben getreten sind.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0218]
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Die deutsche Studentenschaft in Rußland vor dem
Ausbruch des Weltkrieges
Professor Dr. Paul Ssymank von
bseits vom Deutschen Reiche hat sich im Laufe des letzten Jahr¬
hunderts an verschiedenen Punkten des weiten Nußland ein rein
deutsches Studententum ausgebildet. Unter den schwierigsten
politischen Verhältnissen entstanden und ganz und gar auf den
Weg der Selbsthilfe angewiesen, gewann es langsam, aber
stetig fortschreitend an Boden und gelangte sogar zu einer nicht unbedeutenden Blüte.
Daß das deutsch-russische Studententum eine weitaus selbständigere Stellung
gegenüber dem reichsdeutschen einnahm als das deutsch-österreichische und das
deutsch-schweizerische, läßt sich leicht erklären, denn die Hochschulen, an denen es
sich betätigte, sind russische Hochschulen, von denen bisher nur Dorpat das Recht
bewahrt hatte, einen Teil seiner Vorlesungen in deutscher Sprache zu halten.
Auch machte sich an ihnen der Ausdehnungsdrang der sie umgebenden Kultur
mit ganz anderen Mitteln geltend als in Österreich oder der Schweiz. Hierzu
kam, daß das deutsche Studententum Rußlands auf irgendwelchen Zuzug aus
dem Deutschen Reiche nicht rechnen konnte, da die russischen Hochschulen infolge
ihrer noch geringen wissenschaftlichen Bedeutung und ihrer eigenartigen Ein¬
richtung von Westeuropäern zu Studienzwecken nicht ausgesucht wurden. Eine
Wechselbeziehung zwischen dem deutschen Studententum Rußlands und dem der
übrigen deutsch sprechenden Länder konnte nur dadurch aufrecht erhalten werden,
daß die deutschen Studenten russischer Staatsangehörigkeit deutsche Hochschulen
des Westens aufsuchten. Sehr häufig war dies bei den in den Ostseeprovinzen
alteingesessenen Ballen der Fall, weil bei ihnen der Wunsch, den früheren
Kulturzusammenhang mit Reichsdeutschland zu erhalten, besonders stark war,
wie die 1914 zum ersten Male verwirklichten Bestrebungen, an der baltischen
Küste Rußlands eine Sommeruniversität nach Art der Salzburger zu schaffen,
deutlich zeigen.
Bei der Betrachtung des deutsch-russischen Studententums muß man einen
scharfen Unterschied, machen zwischen der Studentenschaft von solchen Hochschulen,
welche, auf ursprünglich deutschem Kulturboden erwachsen, jahrzehntelang als
deutsche Anstalten mit einer ruhmreichen Geschichte bestanden haben, und von
solchen, welche von vornherein als russische Hochschulen in das Leben getreten sind.
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