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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Die "Aktivisten" und die Sozmldemokratie Schwedens

der Stockholmer Arbeiterkommune -- dem lokalen sozialdemokratischen Verband
-- die Frage gestellt, ob sie die Verfasser des Buches seien. Drei der An¬
gegriffenen haben in ihren 'Antwortschreiben die Frage nicht beantwortet,
widerspricht doch das Verfahren des sozialdemokratischen Vorstandes jeder Ge¬
wohnheit eines Volkes, das Denk- und Preßfreiheit länger als andere Kultur-'
stauten zu seinen politischen Rechten zählt. Aber alle Angegriffenen erklärten,
daß sie im allgemeinen mit den Anschauungen, die in dem Werke zutage
treten, sympathisieren. Die auswärtige Politik muß ihrer Ansicht zufolge über
den Parteien stehen, und so können sie in keiner Weise der Arbeiterkommune
ein Recht zu diesem inquisitorischen Vorgehen zuerkennen.

Mitte September trat dann die Stockholmer Arbeiterkommune zu einer
Sitzung zusammen, in der die Ketzer durch Mehrheitsbeschluß aus der Gemein¬
schaft ausgeschlossen wurden. Der Parteivorstand, der bis zur Tagung des
jeweiligen Kongresses zustündig ist, behandelte die Frage am nächsten Tage.
Im Prinzip stellte er sich auf den Standpunkt, daß die "Aktivisten" aus der
Partei auszustoßen seien, da ihre Anschauungen nicht mit den sozialdemo-
kratischen Prinzipien in Einklang zu bringen seien. Diese Entschließung be¬
zieht sich auf die Mitarbeiter in dem betreffenden Buche, doch soll noch eine
eingehende Untersuchung vorausgehen, ehe man die Ausweisung der "Aktivisten"
vollzieht.

Das scharfe Vorgehen gegen die "Aktivisten" stieß jedoch in der sozial¬
demokratischen Parteipresse der Provinz vielfach auf scharfe Mißbilligung.
Wollte die sozialdemokratische Partei folgerichtig vorgehen, so müßte sie alle
ihre Mitglieder auf ihre aktivistischen Anschauungen hin untersuchen. Daß
aber ein derartiges vexatorisches Vorgehen die Partei selber schädigen muß,
liegt auf der Hand.




Die „Aktivisten" und die Sozmldemokratie Schwedens

der Stockholmer Arbeiterkommune — dem lokalen sozialdemokratischen Verband
— die Frage gestellt, ob sie die Verfasser des Buches seien. Drei der An¬
gegriffenen haben in ihren 'Antwortschreiben die Frage nicht beantwortet,
widerspricht doch das Verfahren des sozialdemokratischen Vorstandes jeder Ge¬
wohnheit eines Volkes, das Denk- und Preßfreiheit länger als andere Kultur-'
stauten zu seinen politischen Rechten zählt. Aber alle Angegriffenen erklärten,
daß sie im allgemeinen mit den Anschauungen, die in dem Werke zutage
treten, sympathisieren. Die auswärtige Politik muß ihrer Ansicht zufolge über
den Parteien stehen, und so können sie in keiner Weise der Arbeiterkommune
ein Recht zu diesem inquisitorischen Vorgehen zuerkennen.

Mitte September trat dann die Stockholmer Arbeiterkommune zu einer
Sitzung zusammen, in der die Ketzer durch Mehrheitsbeschluß aus der Gemein¬
schaft ausgeschlossen wurden. Der Parteivorstand, der bis zur Tagung des
jeweiligen Kongresses zustündig ist, behandelte die Frage am nächsten Tage.
Im Prinzip stellte er sich auf den Standpunkt, daß die „Aktivisten" aus der
Partei auszustoßen seien, da ihre Anschauungen nicht mit den sozialdemo-
kratischen Prinzipien in Einklang zu bringen seien. Diese Entschließung be¬
zieht sich auf die Mitarbeiter in dem betreffenden Buche, doch soll noch eine
eingehende Untersuchung vorausgehen, ehe man die Ausweisung der „Aktivisten"
vollzieht.

Das scharfe Vorgehen gegen die „Aktivisten" stieß jedoch in der sozial¬
demokratischen Parteipresse der Provinz vielfach auf scharfe Mißbilligung.
Wollte die sozialdemokratische Partei folgerichtig vorgehen, so müßte sie alle
ihre Mitglieder auf ihre aktivistischen Anschauungen hin untersuchen. Daß
aber ein derartiges vexatorisches Vorgehen die Partei selber schädigen muß,
liegt auf der Hand.




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[0019] Die „Aktivisten" und die Sozmldemokratie Schwedens der Stockholmer Arbeiterkommune — dem lokalen sozialdemokratischen Verband — die Frage gestellt, ob sie die Verfasser des Buches seien. Drei der An¬ gegriffenen haben in ihren 'Antwortschreiben die Frage nicht beantwortet, widerspricht doch das Verfahren des sozialdemokratischen Vorstandes jeder Ge¬ wohnheit eines Volkes, das Denk- und Preßfreiheit länger als andere Kultur-' stauten zu seinen politischen Rechten zählt. Aber alle Angegriffenen erklärten, daß sie im allgemeinen mit den Anschauungen, die in dem Werke zutage treten, sympathisieren. Die auswärtige Politik muß ihrer Ansicht zufolge über den Parteien stehen, und so können sie in keiner Weise der Arbeiterkommune ein Recht zu diesem inquisitorischen Vorgehen zuerkennen. Mitte September trat dann die Stockholmer Arbeiterkommune zu einer Sitzung zusammen, in der die Ketzer durch Mehrheitsbeschluß aus der Gemein¬ schaft ausgeschlossen wurden. Der Parteivorstand, der bis zur Tagung des jeweiligen Kongresses zustündig ist, behandelte die Frage am nächsten Tage. Im Prinzip stellte er sich auf den Standpunkt, daß die „Aktivisten" aus der Partei auszustoßen seien, da ihre Anschauungen nicht mit den sozialdemo- kratischen Prinzipien in Einklang zu bringen seien. Diese Entschließung be¬ zieht sich auf die Mitarbeiter in dem betreffenden Buche, doch soll noch eine eingehende Untersuchung vorausgehen, ehe man die Ausweisung der „Aktivisten" vollzieht. Das scharfe Vorgehen gegen die „Aktivisten" stieß jedoch in der sozial¬ demokratischen Parteipresse der Provinz vielfach auf scharfe Mißbilligung. Wollte die sozialdemokratische Partei folgerichtig vorgehen, so müßte sie alle ihre Mitglieder auf ihre aktivistischen Anschauungen hin untersuchen. Daß aber ein derartiges vexatorisches Vorgehen die Partei selber schädigen muß, liegt auf der Hand.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/19>, abgerufen am 27.12.2024.