Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

des Landgebiets der Vereinigten Staaten, dann unserer Gegner England, Rußland
und Japan war erdrückend.

Hielt sich unser Besitz im Großen Ozean wenigstens in der Nähe der
großen Verkehrsstraße, so ist er im Indischen Ozean mit seiner unermeßlichen
Wasserwiiste stark zur Seite geschoben. Wir besitzen hier nur mit Hilfe unserer
türkischen Freunde, die in Arabien sowohl das Rote Meer wie den persischen
Golf flankieren, wertvolle Zukunftsmöglichkeiten, die der Verbindung Englands
mit seinem reichsten Kolonialland Indien gefährlich werden können. Auf uns
allein gestellt, vermögen wir mit unserer tapferen Kolonie Ostafrika gegenüber
dem englischen Waffenbesitz an den afrikanischen und asiatischen Küstenrändern
nicht auszukommen. Man kann ruhig behaupten, daß, bei der früheren Schwäche
und Nachgiebigkeit der Türkei, der Indische Ozean bis zum Kriegsausbruch ein
rein britischer Binnensee war. Und erst recht das Rote Meer, das, zwischen
englischem, italienischem und türkischem Hoheitsrecht eingeschachtelt, solange die
unbestreitbare Domäne unserer jetzigen Gegner ist, als Arabien noch nicht durch
genügend Bahnbauten fest an das Stammland der osmanischen Militärmacht
gekettet ist.

Im Mittelmeer entsprach der reichen Laudgliederung die Vielgestaltig keit
der staatlichen Machtbereiche. Aber da England die Klinke der Tore des Mittel-'
meeres, bei Gibralter, Malta und Port Said, in der Hand hat, da es mit
Hilfe des verbündeten Frankreich und Italien von Europa und von Afrika
aus, da es von Cypern her auch im vorderasiatischen Bereich das Mittelmeer
beherrscht, so hat sich heute an der Stelle der Buntheit von Herrschgewalten
eine bedauerliche Einförmigkeit breit gemacht. England ist der alleinige Herr
wie des Indischen Ozeans so auch des Mittelmeeres. Deutschland hat Zutritt
zu diesem Binnensee nur durch das ihm verbündete Österreich-Ungarn; es wird
ihn sich schaffen durch eine Verbindung auf dem Balkanwege und durch das
Schwarze Meer mit dem osmanischen Reiche. Aber Österreich-Ungarn ist heute
noch in die äußerste Ecke der Adria gebannt. Der Krieg wird das Seinige
tun, um die Habsburgische Monarchie an der Adria auf eine breitere Grunde
läge zu stellen. Mitteleuropa kaun ein feindliches Italien auf die Dauer nicht
ertragen. Das besiegte Italien wird die notwendigen Bürgschaften für dauernde
Bewegungsfreiheit in der Sackgasse der Adria und durch die Straße von
Otranto liefern müssen. Österreich-Ungarn und die Türkei verschaffen uns nur
den Zutritt zum Ostbecken des Mittelmeeres. Ein zu den mitteleuropäischen
Mächten so oder so wieder in engere Beziehung gebrachtes Italien gibt uns
auch die Berührungsfläche mit dem Westbecken des mittelländischen Meeres.
Es muß ein Italien geschaffen werden, daß dem es vergewaltigenden Einfluß
Englands für immer entzogen ist.

Die britische Vorherrschaft im Mittelmeer bringt überhaupt eine vollständige
Verschiebung der englischen Stellung zum europäischen Festland. England als
Inselstaat ist von der großen Laubmasse Europas abgesondert. England als


des Landgebiets der Vereinigten Staaten, dann unserer Gegner England, Rußland
und Japan war erdrückend.

Hielt sich unser Besitz im Großen Ozean wenigstens in der Nähe der
großen Verkehrsstraße, so ist er im Indischen Ozean mit seiner unermeßlichen
Wasserwiiste stark zur Seite geschoben. Wir besitzen hier nur mit Hilfe unserer
türkischen Freunde, die in Arabien sowohl das Rote Meer wie den persischen
Golf flankieren, wertvolle Zukunftsmöglichkeiten, die der Verbindung Englands
mit seinem reichsten Kolonialland Indien gefährlich werden können. Auf uns
allein gestellt, vermögen wir mit unserer tapferen Kolonie Ostafrika gegenüber
dem englischen Waffenbesitz an den afrikanischen und asiatischen Küstenrändern
nicht auszukommen. Man kann ruhig behaupten, daß, bei der früheren Schwäche
und Nachgiebigkeit der Türkei, der Indische Ozean bis zum Kriegsausbruch ein
rein britischer Binnensee war. Und erst recht das Rote Meer, das, zwischen
englischem, italienischem und türkischem Hoheitsrecht eingeschachtelt, solange die
unbestreitbare Domäne unserer jetzigen Gegner ist, als Arabien noch nicht durch
genügend Bahnbauten fest an das Stammland der osmanischen Militärmacht
gekettet ist.

Im Mittelmeer entsprach der reichen Laudgliederung die Vielgestaltig keit
der staatlichen Machtbereiche. Aber da England die Klinke der Tore des Mittel-'
meeres, bei Gibralter, Malta und Port Said, in der Hand hat, da es mit
Hilfe des verbündeten Frankreich und Italien von Europa und von Afrika
aus, da es von Cypern her auch im vorderasiatischen Bereich das Mittelmeer
beherrscht, so hat sich heute an der Stelle der Buntheit von Herrschgewalten
eine bedauerliche Einförmigkeit breit gemacht. England ist der alleinige Herr
wie des Indischen Ozeans so auch des Mittelmeeres. Deutschland hat Zutritt
zu diesem Binnensee nur durch das ihm verbündete Österreich-Ungarn; es wird
ihn sich schaffen durch eine Verbindung auf dem Balkanwege und durch das
Schwarze Meer mit dem osmanischen Reiche. Aber Österreich-Ungarn ist heute
noch in die äußerste Ecke der Adria gebannt. Der Krieg wird das Seinige
tun, um die Habsburgische Monarchie an der Adria auf eine breitere Grunde
läge zu stellen. Mitteleuropa kaun ein feindliches Italien auf die Dauer nicht
ertragen. Das besiegte Italien wird die notwendigen Bürgschaften für dauernde
Bewegungsfreiheit in der Sackgasse der Adria und durch die Straße von
Otranto liefern müssen. Österreich-Ungarn und die Türkei verschaffen uns nur
den Zutritt zum Ostbecken des Mittelmeeres. Ein zu den mitteleuropäischen
Mächten so oder so wieder in engere Beziehung gebrachtes Italien gibt uns
auch die Berührungsfläche mit dem Westbecken des mittelländischen Meeres.
Es muß ein Italien geschaffen werden, daß dem es vergewaltigenden Einfluß
Englands für immer entzogen ist.

Die britische Vorherrschaft im Mittelmeer bringt überhaupt eine vollständige
Verschiebung der englischen Stellung zum europäischen Festland. England als
Inselstaat ist von der großen Laubmasse Europas abgesondert. England als


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0178" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324591"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_600" prev="#ID_599"> des Landgebiets der Vereinigten Staaten, dann unserer Gegner England, Rußland<lb/>
und Japan war erdrückend.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_601"> Hielt sich unser Besitz im Großen Ozean wenigstens in der Nähe der<lb/>
großen Verkehrsstraße, so ist er im Indischen Ozean mit seiner unermeßlichen<lb/>
Wasserwiiste stark zur Seite geschoben. Wir besitzen hier nur mit Hilfe unserer<lb/>
türkischen Freunde, die in Arabien sowohl das Rote Meer wie den persischen<lb/>
Golf flankieren, wertvolle Zukunftsmöglichkeiten, die der Verbindung Englands<lb/>
mit seinem reichsten Kolonialland Indien gefährlich werden können. Auf uns<lb/>
allein gestellt, vermögen wir mit unserer tapferen Kolonie Ostafrika gegenüber<lb/>
dem englischen Waffenbesitz an den afrikanischen und asiatischen Küstenrändern<lb/>
nicht auszukommen. Man kann ruhig behaupten, daß, bei der früheren Schwäche<lb/>
und Nachgiebigkeit der Türkei, der Indische Ozean bis zum Kriegsausbruch ein<lb/>
rein britischer Binnensee war. Und erst recht das Rote Meer, das, zwischen<lb/>
englischem, italienischem und türkischem Hoheitsrecht eingeschachtelt, solange die<lb/>
unbestreitbare Domäne unserer jetzigen Gegner ist, als Arabien noch nicht durch<lb/>
genügend Bahnbauten fest an das Stammland der osmanischen Militärmacht<lb/>
gekettet ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_602"> Im Mittelmeer entsprach der reichen Laudgliederung die Vielgestaltig keit<lb/>
der staatlichen Machtbereiche. Aber da England die Klinke der Tore des Mittel-'<lb/>
meeres, bei Gibralter, Malta und Port Said, in der Hand hat, da es mit<lb/>
Hilfe des verbündeten Frankreich und Italien von Europa und von Afrika<lb/>
aus, da es von Cypern her auch im vorderasiatischen Bereich das Mittelmeer<lb/>
beherrscht, so hat sich heute an der Stelle der Buntheit von Herrschgewalten<lb/>
eine bedauerliche Einförmigkeit breit gemacht. England ist der alleinige Herr<lb/>
wie des Indischen Ozeans so auch des Mittelmeeres. Deutschland hat Zutritt<lb/>
zu diesem Binnensee nur durch das ihm verbündete Österreich-Ungarn; es wird<lb/>
ihn sich schaffen durch eine Verbindung auf dem Balkanwege und durch das<lb/>
Schwarze Meer mit dem osmanischen Reiche. Aber Österreich-Ungarn ist heute<lb/>
noch in die äußerste Ecke der Adria gebannt. Der Krieg wird das Seinige<lb/>
tun, um die Habsburgische Monarchie an der Adria auf eine breitere Grunde<lb/>
läge zu stellen. Mitteleuropa kaun ein feindliches Italien auf die Dauer nicht<lb/>
ertragen. Das besiegte Italien wird die notwendigen Bürgschaften für dauernde<lb/>
Bewegungsfreiheit in der Sackgasse der Adria und durch die Straße von<lb/>
Otranto liefern müssen. Österreich-Ungarn und die Türkei verschaffen uns nur<lb/>
den Zutritt zum Ostbecken des Mittelmeeres. Ein zu den mitteleuropäischen<lb/>
Mächten so oder so wieder in engere Beziehung gebrachtes Italien gibt uns<lb/>
auch die Berührungsfläche mit dem Westbecken des mittelländischen Meeres.<lb/>
Es muß ein Italien geschaffen werden, daß dem es vergewaltigenden Einfluß<lb/>
Englands für immer entzogen ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_603" next="#ID_604"> Die britische Vorherrschaft im Mittelmeer bringt überhaupt eine vollständige<lb/>
Verschiebung der englischen Stellung zum europäischen Festland. England als<lb/>
Inselstaat ist von der großen Laubmasse Europas abgesondert.  England als</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0178] des Landgebiets der Vereinigten Staaten, dann unserer Gegner England, Rußland und Japan war erdrückend. Hielt sich unser Besitz im Großen Ozean wenigstens in der Nähe der großen Verkehrsstraße, so ist er im Indischen Ozean mit seiner unermeßlichen Wasserwiiste stark zur Seite geschoben. Wir besitzen hier nur mit Hilfe unserer türkischen Freunde, die in Arabien sowohl das Rote Meer wie den persischen Golf flankieren, wertvolle Zukunftsmöglichkeiten, die der Verbindung Englands mit seinem reichsten Kolonialland Indien gefährlich werden können. Auf uns allein gestellt, vermögen wir mit unserer tapferen Kolonie Ostafrika gegenüber dem englischen Waffenbesitz an den afrikanischen und asiatischen Küstenrändern nicht auszukommen. Man kann ruhig behaupten, daß, bei der früheren Schwäche und Nachgiebigkeit der Türkei, der Indische Ozean bis zum Kriegsausbruch ein rein britischer Binnensee war. Und erst recht das Rote Meer, das, zwischen englischem, italienischem und türkischem Hoheitsrecht eingeschachtelt, solange die unbestreitbare Domäne unserer jetzigen Gegner ist, als Arabien noch nicht durch genügend Bahnbauten fest an das Stammland der osmanischen Militärmacht gekettet ist. Im Mittelmeer entsprach der reichen Laudgliederung die Vielgestaltig keit der staatlichen Machtbereiche. Aber da England die Klinke der Tore des Mittel-' meeres, bei Gibralter, Malta und Port Said, in der Hand hat, da es mit Hilfe des verbündeten Frankreich und Italien von Europa und von Afrika aus, da es von Cypern her auch im vorderasiatischen Bereich das Mittelmeer beherrscht, so hat sich heute an der Stelle der Buntheit von Herrschgewalten eine bedauerliche Einförmigkeit breit gemacht. England ist der alleinige Herr wie des Indischen Ozeans so auch des Mittelmeeres. Deutschland hat Zutritt zu diesem Binnensee nur durch das ihm verbündete Österreich-Ungarn; es wird ihn sich schaffen durch eine Verbindung auf dem Balkanwege und durch das Schwarze Meer mit dem osmanischen Reiche. Aber Österreich-Ungarn ist heute noch in die äußerste Ecke der Adria gebannt. Der Krieg wird das Seinige tun, um die Habsburgische Monarchie an der Adria auf eine breitere Grunde läge zu stellen. Mitteleuropa kaun ein feindliches Italien auf die Dauer nicht ertragen. Das besiegte Italien wird die notwendigen Bürgschaften für dauernde Bewegungsfreiheit in der Sackgasse der Adria und durch die Straße von Otranto liefern müssen. Österreich-Ungarn und die Türkei verschaffen uns nur den Zutritt zum Ostbecken des Mittelmeeres. Ein zu den mitteleuropäischen Mächten so oder so wieder in engere Beziehung gebrachtes Italien gibt uns auch die Berührungsfläche mit dem Westbecken des mittelländischen Meeres. Es muß ein Italien geschaffen werden, daß dem es vergewaltigenden Einfluß Englands für immer entzogen ist. Die britische Vorherrschaft im Mittelmeer bringt überhaupt eine vollständige Verschiebung der englischen Stellung zum europäischen Festland. England als Inselstaat ist von der großen Laubmasse Europas abgesondert. England als

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/178
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/178>, abgerufen am 22.07.2024.