Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.Die "Aktivisten" und die Sozicildemokratie Schwedens moralischen Stand des schwedischen Volkes in Rußland hege. Eine Zeitung in Daß man es bei dieser Art von Beweisführung mit der Logik nicht sehr Mit wahrer Leidenschaft hat sich ein Teil der Sozialdemokraten und der Mit welcher Einseitigkeit das Swckholmer Parteiblatt deutsche Verhältnisse Die „Aktivisten" und die Sozicildemokratie Schwedens moralischen Stand des schwedischen Volkes in Rußland hege. Eine Zeitung in Daß man es bei dieser Art von Beweisführung mit der Logik nicht sehr Mit wahrer Leidenschaft hat sich ein Teil der Sozialdemokraten und der Mit welcher Einseitigkeit das Swckholmer Parteiblatt deutsche Verhältnisse <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0014" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324423"/> <fw type="header" place="top"> Die „Aktivisten" und die Sozicildemokratie Schwedens</fw><lb/> <p xml:id="ID_12" prev="#ID_11"> moralischen Stand des schwedischen Volkes in Rußland hege. Eine Zeitung in<lb/> Mittelschweden leitet die Wiedergabe dieser Gedanken mit den ironischen Worten<lb/> ein: „Die Liebe der Russen zu den Schweden ist ja historisch, gerade so wie<lb/> ihre unvergleichliche Ehrlichkeit in allen politischen Dingen."</p><lb/> <p xml:id="ID_13"> Daß man es bei dieser Art von Beweisführung mit der Logik nicht sehr<lb/> genau nimmt, kann weiter nicht wundernehmen. Der Verfasser des Leitartikels<lb/> im Social-Demokraten vom V.September zum Beispiel gibt VanderveldeRecht,<lb/> wenn er Rußland folgendermaßen charakterisiert: Rußland ist das Rätsel unter<lb/> den Kulturstaaten; alles ist dort möglich, das politisch Rechte und das Unrechte.<lb/> Alles befindet sich dort in wildem und freiem Wachstum. Diesem Rußland<lb/> stellt er Deutschland gegenüber, in dem alles klar und vorher berechnet ist, in<lb/> dem alles nach vorher aufgestellten Programm abläuft. In Rußland ist die<lb/> Revolution nicht unmöglich, da die Reaktion so mächtig ist. In Deutschland<lb/> jedoch kann man die innerpolitischen Verhältnisse (das heißt den Sieg der<lb/> Reaktion) voraussehen. Selbstverständlich wird auch hier wieder nicht versäumt,<lb/> zu beweisen, daß Nußland keine Schuld am Ausbruch des Weltkrieges trifft.</p><lb/> <p xml:id="ID_14"> Mit wahrer Leidenschaft hat sich ein Teil der Sozialdemokraten und der<lb/> liberalen Kreise auf das Gerücht eines russisch-deutschen Separatfriedens gestürzt.<lb/> War dies doch nur allzu willkommen, um Stimmung gegen Deutschland zu<lb/> machen und die Unmöglichkeit eines Eingreifens Schwedens in den Weltkrieg<lb/> zu beweisen.</p><lb/> <p xml:id="ID_15"> Mit welcher Einseitigkeit das Swckholmer Parteiblatt deutsche Verhältnisse<lb/> schildert, geht aus einer Reihe von Artikeln hervor, die das wirtschaftliche Leben<lb/> Deutschlands während des Krieges beleuchten. Ist der Verfasser wirklich ein<lb/> Deutscher, wie die Redaktion angibt, so ist sein Mangel an wirklicher Einsicht in<lb/> die Dinge um so bedauerlicher. Welche falschen Vorstellungen erweckt der Artikel¬<lb/> schreiber in dem Leserkreise mit den Worten: Alle wichtigen Eingriffe in das<lb/> wirtschaftliche Leben sind von der Regierung und der Militärverwaltung aus¬<lb/> gegangen. Der Reichstag ist bei der Regelung der Organisation fast gänzlich<lb/> unbeteiligt. Weder bei der Lösung der Lebmsmittclfrage noch bei der Organisation<lb/> der Industrie hat er in erheblicher Weise mitgewirkt. Es wird für ihn sehr<lb/> schwer sein, nach dem Kriege größeren Einfluß zu gewinnen.....Wäre<lb/> nicht notwendig gewesen zur Vervollständigung des Bildes, das der Verfasser<lb/> gibt, hinzuzufügen, daß zu einer ganzen Reihe von Verordnungen die An¬<lb/> regung von den Vertretern der Arbeiterschaft ausgegangen sind, daß die<lb/> Regierung sie zu den Beratungen hinzugezogen hat, und daß die Gewerkschaften<lb/> vielfach gemeinsam mit den Unternehmern vorgegangen sind? Hätte er diese<lb/> Erscheinungen in seinen Betrachtungen berücksichtigt, so wäre er wohl nicht zu<lb/> dem Ergebnis gelangt, daß die Arbeiterklasse durch die Kriegspolitik geschwächt<lb/> wird. Im Gegensatz zu diesen Auslassungen wird sicherlich die Denkschrift<lb/> nicht enttäuschen, die von den Mitgliedern des Stockholmer sozialen Amtes<lb/> über die Ergebnisse ihrer deutschen Studienreise in nächster Zeit erscheinen wird.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0014]
Die „Aktivisten" und die Sozicildemokratie Schwedens
moralischen Stand des schwedischen Volkes in Rußland hege. Eine Zeitung in
Mittelschweden leitet die Wiedergabe dieser Gedanken mit den ironischen Worten
ein: „Die Liebe der Russen zu den Schweden ist ja historisch, gerade so wie
ihre unvergleichliche Ehrlichkeit in allen politischen Dingen."
Daß man es bei dieser Art von Beweisführung mit der Logik nicht sehr
genau nimmt, kann weiter nicht wundernehmen. Der Verfasser des Leitartikels
im Social-Demokraten vom V.September zum Beispiel gibt VanderveldeRecht,
wenn er Rußland folgendermaßen charakterisiert: Rußland ist das Rätsel unter
den Kulturstaaten; alles ist dort möglich, das politisch Rechte und das Unrechte.
Alles befindet sich dort in wildem und freiem Wachstum. Diesem Rußland
stellt er Deutschland gegenüber, in dem alles klar und vorher berechnet ist, in
dem alles nach vorher aufgestellten Programm abläuft. In Rußland ist die
Revolution nicht unmöglich, da die Reaktion so mächtig ist. In Deutschland
jedoch kann man die innerpolitischen Verhältnisse (das heißt den Sieg der
Reaktion) voraussehen. Selbstverständlich wird auch hier wieder nicht versäumt,
zu beweisen, daß Nußland keine Schuld am Ausbruch des Weltkrieges trifft.
Mit wahrer Leidenschaft hat sich ein Teil der Sozialdemokraten und der
liberalen Kreise auf das Gerücht eines russisch-deutschen Separatfriedens gestürzt.
War dies doch nur allzu willkommen, um Stimmung gegen Deutschland zu
machen und die Unmöglichkeit eines Eingreifens Schwedens in den Weltkrieg
zu beweisen.
Mit welcher Einseitigkeit das Swckholmer Parteiblatt deutsche Verhältnisse
schildert, geht aus einer Reihe von Artikeln hervor, die das wirtschaftliche Leben
Deutschlands während des Krieges beleuchten. Ist der Verfasser wirklich ein
Deutscher, wie die Redaktion angibt, so ist sein Mangel an wirklicher Einsicht in
die Dinge um so bedauerlicher. Welche falschen Vorstellungen erweckt der Artikel¬
schreiber in dem Leserkreise mit den Worten: Alle wichtigen Eingriffe in das
wirtschaftliche Leben sind von der Regierung und der Militärverwaltung aus¬
gegangen. Der Reichstag ist bei der Regelung der Organisation fast gänzlich
unbeteiligt. Weder bei der Lösung der Lebmsmittclfrage noch bei der Organisation
der Industrie hat er in erheblicher Weise mitgewirkt. Es wird für ihn sehr
schwer sein, nach dem Kriege größeren Einfluß zu gewinnen.....Wäre
nicht notwendig gewesen zur Vervollständigung des Bildes, das der Verfasser
gibt, hinzuzufügen, daß zu einer ganzen Reihe von Verordnungen die An¬
regung von den Vertretern der Arbeiterschaft ausgegangen sind, daß die
Regierung sie zu den Beratungen hinzugezogen hat, und daß die Gewerkschaften
vielfach gemeinsam mit den Unternehmern vorgegangen sind? Hätte er diese
Erscheinungen in seinen Betrachtungen berücksichtigt, so wäre er wohl nicht zu
dem Ergebnis gelangt, daß die Arbeiterklasse durch die Kriegspolitik geschwächt
wird. Im Gegensatz zu diesen Auslassungen wird sicherlich die Denkschrift
nicht enttäuschen, die von den Mitgliedern des Stockholmer sozialen Amtes
über die Ergebnisse ihrer deutschen Studienreise in nächster Zeit erscheinen wird.
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