Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


T>le "Aktivisten" und die Sozialdemokratie Schwedens
v or. Lise x?ildebrandt on

Nachdem die Leser der "Grenzboten" in Ur. 36 und
Ur. 39 durch Hauptmann Ernst Liljedahl die in den
liberalen Kreisen Schwedens gangbaren Anschauungen
kennen gelernt haben, dürfte es für sie von Interesse
sein, einiges aus der Gedankenwelt der extremen
Die Schristleitung Richtungen zu erfahren.

n einem früheren Hefte der Grenzboten (Ur. 17 d. I.) wurde die
Stellung der schwedischen Sozialdemokratie zum Weltkrieg schon
einmal im allgemeinen charakterisiert. Noch immer ist die Haltung
des Parteiführers Hjalmar Branting mit seiner Presse und der
Zahl seiner Anhänger ententefreundlich zu nennen. Noch immer
spielen bei der Bekämpfung der Sympathien für Deutschland Schlagworte, wie
der "deutsche Militarismus", der "preußische Absolutismus" und der "Einfall in
Belgien" eine große Rolle. Immer wieder bemüht man sich in diesen Kreisen,
auf Deutschland als den Urheber des Kriegsausbruchs hinzuweisen. Ein Teil
der liberalen und der sozialdemokratischen schwedischen Presse läßt keinen Weg
unversucht, um zu zeigen, daß Rußland nicht mehr als das Land der Gewalt-
Herrschaft anzusehen ist. sondern als die Monarchie, die sich in Zukunft sicher
zu freiheitlichen Zuständen in Gesetzgebung und Verwaltung entwickeln wird.
Diese Darlegungen wagte man, obgleich man die Vergewaltigung der finnischen
Selbstverwaltung und die Verschleppungen nach Sibirien zugeben mußte. Neben
solchen Ausführungen scheut man keine Mittel, um nachzuweisen, daß die russische
Gefahr in Wirklichkeit nicht existiert, sondern nur in den Köpfen der "Aktivisten"
lebt. Der Herausgeber der ententefreundlichen schwedischen liberalen Zeitung,
"Dagens Nyheter", bringt drei Aufsätze des Herausgebers Kcirlgren. Er berichtet
von seinen Unterredungen mit Sasanow und dem Dumapräsidenten Rodsjanko,
die ihm Rußlands warme Gefühle für Schweden versicherten. Sie erzählten
ihm von der Bewunderung, die man für die Zivilisation und den hohen


Grenzboten IV 1916 1


T>le „Aktivisten" und die Sozialdemokratie Schwedens
v or. Lise x?ildebrandt on

Nachdem die Leser der „Grenzboten" in Ur. 36 und
Ur. 39 durch Hauptmann Ernst Liljedahl die in den
liberalen Kreisen Schwedens gangbaren Anschauungen
kennen gelernt haben, dürfte es für sie von Interesse
sein, einiges aus der Gedankenwelt der extremen
Die Schristleitung Richtungen zu erfahren.

n einem früheren Hefte der Grenzboten (Ur. 17 d. I.) wurde die
Stellung der schwedischen Sozialdemokratie zum Weltkrieg schon
einmal im allgemeinen charakterisiert. Noch immer ist die Haltung
des Parteiführers Hjalmar Branting mit seiner Presse und der
Zahl seiner Anhänger ententefreundlich zu nennen. Noch immer
spielen bei der Bekämpfung der Sympathien für Deutschland Schlagworte, wie
der „deutsche Militarismus", der „preußische Absolutismus" und der „Einfall in
Belgien" eine große Rolle. Immer wieder bemüht man sich in diesen Kreisen,
auf Deutschland als den Urheber des Kriegsausbruchs hinzuweisen. Ein Teil
der liberalen und der sozialdemokratischen schwedischen Presse läßt keinen Weg
unversucht, um zu zeigen, daß Rußland nicht mehr als das Land der Gewalt-
Herrschaft anzusehen ist. sondern als die Monarchie, die sich in Zukunft sicher
zu freiheitlichen Zuständen in Gesetzgebung und Verwaltung entwickeln wird.
Diese Darlegungen wagte man, obgleich man die Vergewaltigung der finnischen
Selbstverwaltung und die Verschleppungen nach Sibirien zugeben mußte. Neben
solchen Ausführungen scheut man keine Mittel, um nachzuweisen, daß die russische
Gefahr in Wirklichkeit nicht existiert, sondern nur in den Köpfen der „Aktivisten"
lebt. Der Herausgeber der ententefreundlichen schwedischen liberalen Zeitung,
„Dagens Nyheter", bringt drei Aufsätze des Herausgebers Kcirlgren. Er berichtet
von seinen Unterredungen mit Sasanow und dem Dumapräsidenten Rodsjanko,
die ihm Rußlands warme Gefühle für Schweden versicherten. Sie erzählten
ihm von der Bewunderung, die man für die Zivilisation und den hohen


Grenzboten IV 1916 1
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0013" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324422"/>
              <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341901_324408/figures/grenzboten_341901_324408_324422_000.jpg"/><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> T&gt;le &#x201E;Aktivisten" und die Sozialdemokratie Schwedens<lb/>
v<note type="byline"> or. Lise x?ildebrandt</note> on </head><lb/>
          <note type="argument"> Nachdem die Leser der &#x201E;Grenzboten" in Ur. 36 und<lb/>
Ur. 39 durch Hauptmann Ernst Liljedahl die in den<lb/>
liberalen Kreisen Schwedens gangbaren Anschauungen<lb/>
kennen gelernt haben, dürfte es für sie von Interesse<lb/>
sein, einiges aus der Gedankenwelt der extremen<lb/><note type="byline"> Die Schristleitung</note> Richtungen zu erfahren. </note><lb/>
          <p xml:id="ID_11" next="#ID_12"> n einem früheren Hefte der Grenzboten (Ur. 17 d. I.) wurde die<lb/>
Stellung der schwedischen Sozialdemokratie zum Weltkrieg schon<lb/>
einmal im allgemeinen charakterisiert. Noch immer ist die Haltung<lb/>
des Parteiführers Hjalmar Branting mit seiner Presse und der<lb/>
Zahl seiner Anhänger ententefreundlich zu nennen.  Noch immer<lb/>
spielen bei der Bekämpfung der Sympathien für Deutschland Schlagworte, wie<lb/>
der &#x201E;deutsche Militarismus", der &#x201E;preußische Absolutismus" und der &#x201E;Einfall in<lb/>
Belgien" eine große Rolle. Immer wieder bemüht man sich in diesen Kreisen,<lb/>
auf Deutschland als den Urheber des Kriegsausbruchs hinzuweisen. Ein Teil<lb/>
der liberalen und der sozialdemokratischen schwedischen Presse läßt keinen Weg<lb/>
unversucht, um zu zeigen, daß Rußland nicht mehr als das Land der Gewalt-<lb/>
Herrschaft anzusehen ist. sondern als die Monarchie, die sich in Zukunft sicher<lb/>
zu freiheitlichen Zuständen in Gesetzgebung und Verwaltung entwickeln wird.<lb/>
Diese Darlegungen wagte man, obgleich man die Vergewaltigung der finnischen<lb/>
Selbstverwaltung und die Verschleppungen nach Sibirien zugeben mußte. Neben<lb/>
solchen Ausführungen scheut man keine Mittel, um nachzuweisen, daß die russische<lb/>
Gefahr in Wirklichkeit nicht existiert, sondern nur in den Köpfen der &#x201E;Aktivisten"<lb/>
lebt. Der Herausgeber der ententefreundlichen schwedischen liberalen Zeitung,<lb/>
&#x201E;Dagens Nyheter", bringt drei Aufsätze des Herausgebers Kcirlgren. Er berichtet<lb/>
von seinen Unterredungen mit Sasanow und dem Dumapräsidenten Rodsjanko,<lb/>
die ihm Rußlands warme Gefühle für Schweden versicherten. Sie erzählten<lb/>
ihm von der Bewunderung, die man für die Zivilisation und den hohen</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1916 1</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0013] [Abbildung] T>le „Aktivisten" und die Sozialdemokratie Schwedens v or. Lise x?ildebrandt on Nachdem die Leser der „Grenzboten" in Ur. 36 und Ur. 39 durch Hauptmann Ernst Liljedahl die in den liberalen Kreisen Schwedens gangbaren Anschauungen kennen gelernt haben, dürfte es für sie von Interesse sein, einiges aus der Gedankenwelt der extremen Die Schristleitung Richtungen zu erfahren. n einem früheren Hefte der Grenzboten (Ur. 17 d. I.) wurde die Stellung der schwedischen Sozialdemokratie zum Weltkrieg schon einmal im allgemeinen charakterisiert. Noch immer ist die Haltung des Parteiführers Hjalmar Branting mit seiner Presse und der Zahl seiner Anhänger ententefreundlich zu nennen. Noch immer spielen bei der Bekämpfung der Sympathien für Deutschland Schlagworte, wie der „deutsche Militarismus", der „preußische Absolutismus" und der „Einfall in Belgien" eine große Rolle. Immer wieder bemüht man sich in diesen Kreisen, auf Deutschland als den Urheber des Kriegsausbruchs hinzuweisen. Ein Teil der liberalen und der sozialdemokratischen schwedischen Presse läßt keinen Weg unversucht, um zu zeigen, daß Rußland nicht mehr als das Land der Gewalt- Herrschaft anzusehen ist. sondern als die Monarchie, die sich in Zukunft sicher zu freiheitlichen Zuständen in Gesetzgebung und Verwaltung entwickeln wird. Diese Darlegungen wagte man, obgleich man die Vergewaltigung der finnischen Selbstverwaltung und die Verschleppungen nach Sibirien zugeben mußte. Neben solchen Ausführungen scheut man keine Mittel, um nachzuweisen, daß die russische Gefahr in Wirklichkeit nicht existiert, sondern nur in den Köpfen der „Aktivisten" lebt. Der Herausgeber der ententefreundlichen schwedischen liberalen Zeitung, „Dagens Nyheter", bringt drei Aufsätze des Herausgebers Kcirlgren. Er berichtet von seinen Unterredungen mit Sasanow und dem Dumapräsidenten Rodsjanko, die ihm Rußlands warme Gefühle für Schweden versicherten. Sie erzählten ihm von der Bewunderung, die man für die Zivilisation und den hohen Grenzboten IV 1916 1

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/13
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/13>, abgerufen am 22.07.2024.