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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Der Aampf der Deutschen gegen die Fremdwörter
Professor Dr. Rießman" von

och tobt allenthalben der Weltkrieg, und schon machen sich auf
den verschiedensten Gebieten seine Wirkungen geltend und scheinen
anzudeuten, daß mit diesem gewaltigen Ringen eins neue Epoche
in der Geschichte der Menschheit anheben wird. Uns Deutschen
hat dieser Krieg recht eigentlich die Augen geöffnet, er hat uns er¬
kennen lassen, was wir in Wahrheit wert sind im Vergleich zu den Fremden,
den Falschen. Anzukämpfen gegen alles Fremdländische, Falsche, Unwahre
wurde des Deutschen harte Pflicht, und zu dem Kampf da draußen nahm er
auf sich den Kampf im Innern und kWvft für die Reinheit seiner Sprache:
Tod den Fremdwörtern! wurde sein Losungswort.

Mit ernstem Eifer und planmäßig -- wie stets -- geht hierbei der
Deutsche an das Werk, doch nicht, ohne gelegentlich einem kritiklosen Ungestüm
zu verfallen, das die an sich überaus erfreuliche Bewegung leicht lächerlich
machen und in ihrem dauernden Erfolge empfindlich schädigen kann. Gegen
solchen Übereifer rechtzeitig zu mahnen, erscheint wohl angebracht.

Der Kampf gegen die Fremdwörter hat nicht erst mit diesem Kriege ein¬
gesetzt. Bereits im siebenzehnten Jahrhundert ist man bedacht gewesen, die
deutsche Sprache von fremdem Beiwerk zu reinigen, und neben lächerlichen
Verdeutschungen, die nie Gemeingut geworden sind, hat man eine Reihe
glücklicher Neubildungen geprägt, die -- wie zum Beispiel Staatsmann, Stern¬
warte, Stelldichein, Heerschau -- allseitige Anerkennung gefunden haben. Seit
1885 hat die Tätigkeit des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins eingesetzt und
manches gute deutsche Wort hat dank ihm das fremde Eprachgut verdrängt.
Auch staatliche Einrichtungen -- Post und Eisenbahn, zögernder die Militär¬
verwaltung -- haben die Bewegung unterstützt, und Ausdrücke wie "Speisen¬
folge, Zinsschein, Einschreiben, Abteil und Gelände" sind uns allen jetzt geläufig.

Wieviel bereits erreicht worden ist, leuchtet sofort ein, wenn man aus
irgend einer Zeitung, aus irgend einer wissenschaftlichen oder volkstümlichen
Schrift, die vor hundert Jahren erschienen ist, eme beliebige Seite abdrückt
und damit die heute dafür übliche Fassung vergleicht.

Die neueste, im Verlaufe des gegenwärtigen Kneo.es einsetzende Bewegung
will in entschiedenster Weise jedem Fremdwort zu Leibe gehen. Schon finden




Der Aampf der Deutschen gegen die Fremdwörter
Professor Dr. Rießman» von

och tobt allenthalben der Weltkrieg, und schon machen sich auf
den verschiedensten Gebieten seine Wirkungen geltend und scheinen
anzudeuten, daß mit diesem gewaltigen Ringen eins neue Epoche
in der Geschichte der Menschheit anheben wird. Uns Deutschen
hat dieser Krieg recht eigentlich die Augen geöffnet, er hat uns er¬
kennen lassen, was wir in Wahrheit wert sind im Vergleich zu den Fremden,
den Falschen. Anzukämpfen gegen alles Fremdländische, Falsche, Unwahre
wurde des Deutschen harte Pflicht, und zu dem Kampf da draußen nahm er
auf sich den Kampf im Innern und kWvft für die Reinheit seiner Sprache:
Tod den Fremdwörtern! wurde sein Losungswort.

Mit ernstem Eifer und planmäßig — wie stets — geht hierbei der
Deutsche an das Werk, doch nicht, ohne gelegentlich einem kritiklosen Ungestüm
zu verfallen, das die an sich überaus erfreuliche Bewegung leicht lächerlich
machen und in ihrem dauernden Erfolge empfindlich schädigen kann. Gegen
solchen Übereifer rechtzeitig zu mahnen, erscheint wohl angebracht.

Der Kampf gegen die Fremdwörter hat nicht erst mit diesem Kriege ein¬
gesetzt. Bereits im siebenzehnten Jahrhundert ist man bedacht gewesen, die
deutsche Sprache von fremdem Beiwerk zu reinigen, und neben lächerlichen
Verdeutschungen, die nie Gemeingut geworden sind, hat man eine Reihe
glücklicher Neubildungen geprägt, die — wie zum Beispiel Staatsmann, Stern¬
warte, Stelldichein, Heerschau — allseitige Anerkennung gefunden haben. Seit
1885 hat die Tätigkeit des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins eingesetzt und
manches gute deutsche Wort hat dank ihm das fremde Eprachgut verdrängt.
Auch staatliche Einrichtungen — Post und Eisenbahn, zögernder die Militär¬
verwaltung — haben die Bewegung unterstützt, und Ausdrücke wie „Speisen¬
folge, Zinsschein, Einschreiben, Abteil und Gelände" sind uns allen jetzt geläufig.

Wieviel bereits erreicht worden ist, leuchtet sofort ein, wenn man aus
irgend einer Zeitung, aus irgend einer wissenschaftlichen oder volkstümlichen
Schrift, die vor hundert Jahren erschienen ist, eme beliebige Seite abdrückt
und damit die heute dafür übliche Fassung vergleicht.

Die neueste, im Verlaufe des gegenwärtigen Kneo.es einsetzende Bewegung
will in entschiedenster Weise jedem Fremdwort zu Leibe gehen. Schon finden


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[0132] [Abbildung] Der Aampf der Deutschen gegen die Fremdwörter Professor Dr. Rießman» von och tobt allenthalben der Weltkrieg, und schon machen sich auf den verschiedensten Gebieten seine Wirkungen geltend und scheinen anzudeuten, daß mit diesem gewaltigen Ringen eins neue Epoche in der Geschichte der Menschheit anheben wird. Uns Deutschen hat dieser Krieg recht eigentlich die Augen geöffnet, er hat uns er¬ kennen lassen, was wir in Wahrheit wert sind im Vergleich zu den Fremden, den Falschen. Anzukämpfen gegen alles Fremdländische, Falsche, Unwahre wurde des Deutschen harte Pflicht, und zu dem Kampf da draußen nahm er auf sich den Kampf im Innern und kWvft für die Reinheit seiner Sprache: Tod den Fremdwörtern! wurde sein Losungswort. Mit ernstem Eifer und planmäßig — wie stets — geht hierbei der Deutsche an das Werk, doch nicht, ohne gelegentlich einem kritiklosen Ungestüm zu verfallen, das die an sich überaus erfreuliche Bewegung leicht lächerlich machen und in ihrem dauernden Erfolge empfindlich schädigen kann. Gegen solchen Übereifer rechtzeitig zu mahnen, erscheint wohl angebracht. Der Kampf gegen die Fremdwörter hat nicht erst mit diesem Kriege ein¬ gesetzt. Bereits im siebenzehnten Jahrhundert ist man bedacht gewesen, die deutsche Sprache von fremdem Beiwerk zu reinigen, und neben lächerlichen Verdeutschungen, die nie Gemeingut geworden sind, hat man eine Reihe glücklicher Neubildungen geprägt, die — wie zum Beispiel Staatsmann, Stern¬ warte, Stelldichein, Heerschau — allseitige Anerkennung gefunden haben. Seit 1885 hat die Tätigkeit des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins eingesetzt und manches gute deutsche Wort hat dank ihm das fremde Eprachgut verdrängt. Auch staatliche Einrichtungen — Post und Eisenbahn, zögernder die Militär¬ verwaltung — haben die Bewegung unterstützt, und Ausdrücke wie „Speisen¬ folge, Zinsschein, Einschreiben, Abteil und Gelände" sind uns allen jetzt geläufig. Wieviel bereits erreicht worden ist, leuchtet sofort ein, wenn man aus irgend einer Zeitung, aus irgend einer wissenschaftlichen oder volkstümlichen Schrift, die vor hundert Jahren erschienen ist, eme beliebige Seite abdrückt und damit die heute dafür übliche Fassung vergleicht. Die neueste, im Verlaufe des gegenwärtigen Kneo.es einsetzende Bewegung will in entschiedenster Weise jedem Fremdwort zu Leibe gehen. Schon finden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/132>, abgerufen am 22.07.2024.