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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Die kommende Wohnungsnot

Kommunale Praxis, Ur. 3 S. 54). Außerdem sei an die Wünsche erinnert,
die Staatssekretär Dernburg als Vorsitzender des Groß-Berliner Vereins für
Kleinwohnungslvesen wiederholt aussprach, die im wesentlichen in einem Ver¬
langen der sofortigen Inangriffnahme der Nealkreditfrage und einer gesetzlichen
Ergänzung der Bestimmungen der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte und
der Landesversicherungsanstalten gipfeln, in dem Sinne, daß jene Institute bei
einem Wohnungsbedürfnis verpflichtet seien, die Garantie für zweite Hypotheken
für Kleinwohnungsbauten innerhalb der den wirklichen Bau- und Verkaufswert
darstellenden Grenze von 85 v. H. zu übernehmen, sofern die Prüfung der
Objekte Gewähr leistet.

Die vor dem Kriege schon so mißliche Lage wird sich nach dem
Kriege noch erheblich verschlechtern; die Industrie, die mit neuen
Kräften arbeiten wird -- selbst dann, wenn es sich nur um die Nach¬
süllung der notwendigen Bedarfdeckung handeln sollte, -- wird das mobile
Kapital in erster Linie an sich ziehen, der Hypothekenmarkt aber wird nur
nnter sehr schwierigen Bedingungen sür den Gelvsuchenden befriedigt werden
können. Klarer konnte die schon jetzt herrschende und sich noch steigernde Not
des Immobiliarkredites, soweit es sich um die zweite Hypothek handelt, nicht
gekennzeichnet werden, als durch die kriegsmäßige Ausgestaltung des Hypotheken¬
rechtes. Da die allgemeine Kriegskrediteinrichtungen die Beleihung von
Hypotheken nicht in ihren Geschäftskreis aufgenommen haben, erwies es sich
als erforderlich, besondere Veranstaltungen zu treffen, um den durch den Krieg
schwer belasteten Hypothekengläubigern Kreditquellen zu eröffnen. Hierbei trat
nun der für den deutschen Hypothekenmarkt charakteristische Unterschied zwischen
erster und zweiter Hypothek kraß zu Tage. Die Hilfstätigkeit sonderte sich in
zwei Richtungen. Für erste Hypotheken wurde, wenn auch nur im bescheidenen
Maßstabe, gesorgt. In Preußen hat der Minister des Innern durch Nunder-
laß vom 16. August 1914 den öffentlichen Sparkassen die Beleihung solcher
Hypotheken gestattet, die hinsichtlich ihrer Sicherheit den Vorschriften der Spar¬
kassenhypotheken entsprechen. Weiter hat der Justizminister angeordnet, daß einer
Hypoihekenbcmk von grundbuchlicheu Eintragungen bezüglich erhobener Darlehen
Anzeige zu machen sei. Die zweite Hypothek schied hiermit also aus.
Bis Ende Dezember 1914 hatte allein die Stadt Berlin (die aufgestellten
Hypotheken werden für die Stadtgemeinde Berlin halbamtlich auf etwa
1^4 bis 1^/2 Milliarden geschätzt), durch die Begründung der "Kriegsbeleihungs-
kasse für nachgestellte Hypotheken" eine Regelung versucht, im übrigen verweist
man cillsonst auf die Mieteinigungs- beziehungsweise Hypothekeneinignngsämter.

Auf das Kleinwohnungswesen wirken derartige Zustände doppelt zurück,
denn hier ist man außerstande, zu der bestehenden Last noch eine neue hinzu¬
zufügen. Von allen Rechnungs-, gemeinnützigen- und Fachvereinen, sowie von
Seiten aller Interessenvertretungen des Baumarktes, ertönt heute demzufolge
der Ruf nach einem baldigen Eingriff der öffentlichen Behörden.


Die kommende Wohnungsnot

Kommunale Praxis, Ur. 3 S. 54). Außerdem sei an die Wünsche erinnert,
die Staatssekretär Dernburg als Vorsitzender des Groß-Berliner Vereins für
Kleinwohnungslvesen wiederholt aussprach, die im wesentlichen in einem Ver¬
langen der sofortigen Inangriffnahme der Nealkreditfrage und einer gesetzlichen
Ergänzung der Bestimmungen der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte und
der Landesversicherungsanstalten gipfeln, in dem Sinne, daß jene Institute bei
einem Wohnungsbedürfnis verpflichtet seien, die Garantie für zweite Hypotheken
für Kleinwohnungsbauten innerhalb der den wirklichen Bau- und Verkaufswert
darstellenden Grenze von 85 v. H. zu übernehmen, sofern die Prüfung der
Objekte Gewähr leistet.

Die vor dem Kriege schon so mißliche Lage wird sich nach dem
Kriege noch erheblich verschlechtern; die Industrie, die mit neuen
Kräften arbeiten wird — selbst dann, wenn es sich nur um die Nach¬
süllung der notwendigen Bedarfdeckung handeln sollte, — wird das mobile
Kapital in erster Linie an sich ziehen, der Hypothekenmarkt aber wird nur
nnter sehr schwierigen Bedingungen sür den Gelvsuchenden befriedigt werden
können. Klarer konnte die schon jetzt herrschende und sich noch steigernde Not
des Immobiliarkredites, soweit es sich um die zweite Hypothek handelt, nicht
gekennzeichnet werden, als durch die kriegsmäßige Ausgestaltung des Hypotheken¬
rechtes. Da die allgemeine Kriegskrediteinrichtungen die Beleihung von
Hypotheken nicht in ihren Geschäftskreis aufgenommen haben, erwies es sich
als erforderlich, besondere Veranstaltungen zu treffen, um den durch den Krieg
schwer belasteten Hypothekengläubigern Kreditquellen zu eröffnen. Hierbei trat
nun der für den deutschen Hypothekenmarkt charakteristische Unterschied zwischen
erster und zweiter Hypothek kraß zu Tage. Die Hilfstätigkeit sonderte sich in
zwei Richtungen. Für erste Hypotheken wurde, wenn auch nur im bescheidenen
Maßstabe, gesorgt. In Preußen hat der Minister des Innern durch Nunder-
laß vom 16. August 1914 den öffentlichen Sparkassen die Beleihung solcher
Hypotheken gestattet, die hinsichtlich ihrer Sicherheit den Vorschriften der Spar¬
kassenhypotheken entsprechen. Weiter hat der Justizminister angeordnet, daß einer
Hypoihekenbcmk von grundbuchlicheu Eintragungen bezüglich erhobener Darlehen
Anzeige zu machen sei. Die zweite Hypothek schied hiermit also aus.
Bis Ende Dezember 1914 hatte allein die Stadt Berlin (die aufgestellten
Hypotheken werden für die Stadtgemeinde Berlin halbamtlich auf etwa
1^4 bis 1^/2 Milliarden geschätzt), durch die Begründung der „Kriegsbeleihungs-
kasse für nachgestellte Hypotheken" eine Regelung versucht, im übrigen verweist
man cillsonst auf die Mieteinigungs- beziehungsweise Hypothekeneinignngsämter.

Auf das Kleinwohnungswesen wirken derartige Zustände doppelt zurück,
denn hier ist man außerstande, zu der bestehenden Last noch eine neue hinzu¬
zufügen. Von allen Rechnungs-, gemeinnützigen- und Fachvereinen, sowie von
Seiten aller Interessenvertretungen des Baumarktes, ertönt heute demzufolge
der Ruf nach einem baldigen Eingriff der öffentlichen Behörden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/129>, abgerufen am 24.08.2024.