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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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"too kommt das Geld her?"

soll und darf nicht aufgehoben sein: es hätte aus dem rohen Einkommen
geschaffen werden sollen; statt dessen hat Arbeit und Material den Zwecken, des
Krieges, also dem laufenden Verzehr, gedient.

Aus diesen Quellen ist ebenfalls ein Teil des "Geldes" gekommen, das
uns der Krieg gekostet hat. Wenn ganz Deutschland jetzt seine Bilanz aufstellen
würde, so würde es sich eingestehen müssen, daß es nicht genug Abschreibungen
und Rückstellungen machen und die notwendigen Reservefonds für die Ver¬
sorgung seines Zuwachses nicht legen kann; wenn es die Bilanz nicht verschleiern
will, so muß es diese gewaltigen Posten einstellen und mutig erklären, daß das
Gewinn- und Verlustkonto mit einem Verlust abschließt, der auf neue Rechnung
vorgetragen und in besseren Zeiten abgearbeitet werden muß.

Das sind die Quellen der bisher bereits für den Krieg aufgebrauchten Güter
und Dienste im Wertbetrage von etwa vierzehn bis sechzehn Milliarden Mark. Nun
hat aber das Reich bei den Zeichnern seiner zweiten Kriegsanlethe noch ein stattliches
Guthaben als Anweisung auf neue Güter und Dienste. Wo kommt dieses
"Geld" her?

Nun, diese Zeichnungen sind das formelle Versprechen an den Reichsfiskus,
ihm bei der Fälligkeit der einzelnen Einzahlungstermine den Kriegsbedarf an
Gütern usw. zur Verfügung zu stellen. Diese Güter werden aus den gleichen
Quellen stammen, wie die bisher schon verbrauchten, das heißt zum kleinen Teil aus
dem Verkauf von Auslandsguthaben, zum großen Teil aus den "Ersparnissen"
im eigentlichen und uneigentlichen Sinne, die die Volkswirtschaft aus der
Spannung zwischen Gütererzeugung und Güterverbrauch, aus ihrer Roheinnahme
in der gleichen Zeit also, machen wird. Dazu haben sich die Zeichner in ihrer
Gesamtheit verpflichtet; dafür hat jeder einzelne, soweit er nicht unmittelbar
über Güter oder ihr Äquivalent, öffentliches Geld oder geldwerte Guthaben
verfügt, dem Reiche ein Pfand bestellt, das den Anspruch sicher stellt: das ist
der Sinn des Lombardverfahrens bei den Kriegsdarlehnskafsen, soweit die Ver¬
pfändung von Waren oder Effekten zum Zwecke der Zeichnung auf Kriegsanleihe
erfolgte. Hat ein einzelner seine künftigen Einnahmen überschätzt, so daß er
am Fälligkeitstermin sein Pfand nicht einlösen kann, so verliert er es ganz
oder muß unter Kursverlust einen Ersatzmann stellen, der an seine Stelle tritt.




Das ist die Lösung des Rätsels, "woher das Geld kommt": aus ver¬
gangener, gegenwärtiger und künftiger Ersparnis.

Wer nicht etwa erwartet hat, daß wir während des Krieges und durch
den Krieg reicher werden würden, den muß die Bilanz der deutschen Volks¬
wirtschaft herzlich erfreuen. Unser Nationalvermögen ist für den Augenblick
gewiß etwas geringer geworden, aber entfernt nicht in dem Maße, wie die
Pazifisten und Pessimisten es meinten, die den Bankerott in kürzester Zeit
prophezeiten.


„too kommt das Geld her?"

soll und darf nicht aufgehoben sein: es hätte aus dem rohen Einkommen
geschaffen werden sollen; statt dessen hat Arbeit und Material den Zwecken, des
Krieges, also dem laufenden Verzehr, gedient.

Aus diesen Quellen ist ebenfalls ein Teil des „Geldes" gekommen, das
uns der Krieg gekostet hat. Wenn ganz Deutschland jetzt seine Bilanz aufstellen
würde, so würde es sich eingestehen müssen, daß es nicht genug Abschreibungen
und Rückstellungen machen und die notwendigen Reservefonds für die Ver¬
sorgung seines Zuwachses nicht legen kann; wenn es die Bilanz nicht verschleiern
will, so muß es diese gewaltigen Posten einstellen und mutig erklären, daß das
Gewinn- und Verlustkonto mit einem Verlust abschließt, der auf neue Rechnung
vorgetragen und in besseren Zeiten abgearbeitet werden muß.

Das sind die Quellen der bisher bereits für den Krieg aufgebrauchten Güter
und Dienste im Wertbetrage von etwa vierzehn bis sechzehn Milliarden Mark. Nun
hat aber das Reich bei den Zeichnern seiner zweiten Kriegsanlethe noch ein stattliches
Guthaben als Anweisung auf neue Güter und Dienste. Wo kommt dieses
„Geld" her?

Nun, diese Zeichnungen sind das formelle Versprechen an den Reichsfiskus,
ihm bei der Fälligkeit der einzelnen Einzahlungstermine den Kriegsbedarf an
Gütern usw. zur Verfügung zu stellen. Diese Güter werden aus den gleichen
Quellen stammen, wie die bisher schon verbrauchten, das heißt zum kleinen Teil aus
dem Verkauf von Auslandsguthaben, zum großen Teil aus den „Ersparnissen"
im eigentlichen und uneigentlichen Sinne, die die Volkswirtschaft aus der
Spannung zwischen Gütererzeugung und Güterverbrauch, aus ihrer Roheinnahme
in der gleichen Zeit also, machen wird. Dazu haben sich die Zeichner in ihrer
Gesamtheit verpflichtet; dafür hat jeder einzelne, soweit er nicht unmittelbar
über Güter oder ihr Äquivalent, öffentliches Geld oder geldwerte Guthaben
verfügt, dem Reiche ein Pfand bestellt, das den Anspruch sicher stellt: das ist
der Sinn des Lombardverfahrens bei den Kriegsdarlehnskafsen, soweit die Ver¬
pfändung von Waren oder Effekten zum Zwecke der Zeichnung auf Kriegsanleihe
erfolgte. Hat ein einzelner seine künftigen Einnahmen überschätzt, so daß er
am Fälligkeitstermin sein Pfand nicht einlösen kann, so verliert er es ganz
oder muß unter Kursverlust einen Ersatzmann stellen, der an seine Stelle tritt.




Das ist die Lösung des Rätsels, „woher das Geld kommt": aus ver¬
gangener, gegenwärtiger und künftiger Ersparnis.

Wer nicht etwa erwartet hat, daß wir während des Krieges und durch
den Krieg reicher werden würden, den muß die Bilanz der deutschen Volks¬
wirtschaft herzlich erfreuen. Unser Nationalvermögen ist für den Augenblick
gewiß etwas geringer geworden, aber entfernt nicht in dem Maße, wie die
Pazifisten und Pessimisten es meinten, die den Bankerott in kürzester Zeit
prophezeiten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/68>, abgerufen am 26.06.2024.