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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Die Hochebene von Tafraun--Vielgereut

Diese ist gekennzeichnet durch kühne zum Teil abenteuerlich geformte Gipfel,
die bis zu 2S00 Meter emporragen und durch tiefeingeschuittene, schauerlich
schöne Talschluchten, zwischen denen da und dort eine Hochfläche stehen geblieben
ist, die groß genug ist, ein Dorf zu tragen. Eine Menge kleiner Pässe gaben
Veranlassung und günstige Gelegenheit zur Errichtung kleiner Sperrfesten, die
möglichst gedeckt und dabei möglichst beherrschend angelegt worden sind. Die
erwähnten Hochflächen sind ganz unregelmäßig gestaltet und hängen nur durch
ganz schmale Landzungen miteinander zusammen, an deren Durchnagung die
schäumenden Wildwasser weiterarbeiten. Ein solches Gebilde sind die zwei bei
Rechental (Carbonari) zusammenhängenden Hochflächen von Lafraun und Viel¬
gereut, die "Hochteile".

Die östliche, die von Lafraun, ist durch das Val d'Asta und die zwei
Quellbäche des Uhland (Astico), der dem Po zuströmt, begrenzt; sie bildet, indem
sie einen kleinen Vorsprung ins Italienische darstellt, einen Teil der staatlichen
Grenze. Die Lasrauner Hochebene selbst ist wiederum durch die Schlucht des
Asiico torto bis auf eine schmale Verbindungsbrücke bei dem Wirtshaus Eichberg
(Monte Rovere oder Montruf) durchschnitten und zerfällt in eine kleinere
westliche Hälfte mit dem Mittelpunkt der Großgemeinde Lafraun, Chiesa, und
in eine größere östliche, an deren Rand über der Astachschlucht, Lusern, die
vielgenannte südlichste deutsche Sprachinsel Tirols, liegt oder eigentlich hängt.

Von Chiesa kommt man über die Landzunge von Rechental (Carbonari)
hinüber nach der Hochfläche von Vielgereut, die außer dem Hauptort die Pfarr¬
dörfer Se. Sebastian, serrata, und gegen das Etschtal zu den Weiler Mezzo-
monte (Mitterberg) trägt.

Die ganze fischförmige Hochfläche von Vielgereut hat eine Länge von
höchstens sechzehn Kilometern und eine durchschnittliche Breite von fünf bis sechs
Kilometern, die von Lafraun ist eher noch kleiner; man stelle sich also den
dortigen Kriegsschauplatz -- und überhaupt ganz Südtirol, das sich hoffentlich
den Feind vom Leibe halten wird --, nicht zu groß vor! Von der Vielgereuter
Hochfläche gehört übrigens ein kleiner Teil zu Italien. Ihrem östlichen Rande
sind einige Hügel aufgesetzt, welche die hier fast genau nordsüdlich verlaufende
Wasserscheide zwischen Etsch und Po und zugleich die Staatengrenze bilden.
Sie überhoben die durchschnittlich 1200 Meter über dem Meer liegenden Dörfer
um 600 Meter, haben aber weder von Österreich noch von Italien her einen
fahrbaren Zugang. Die schöne italienische Kmiststraße, die vom Astachtal vo"
Ghertele (^ Gärtle!) heraufkommt, endigt auf der Lasrauner Hochebene im
Schnittpunkt mit der großen österreichischen Heerstraße, die von diesem Treff¬
punkt in das Etschtal nach Catuaro (200 Meter) und in das Suganertal nach
Caldonazzo (400 Meter über dem Meer) hinunterführt.

Als ich vor bald zehn Jahre", von der Burg Perser über den See von
Caldonazzo kommend, eben jene prächtige Gebirgsstraße hinaufwanderte und unter¬
wegs den Manövergeschichten meines Begleiters, die sich dort abgespielt hatten,


Die Hochebene von Tafraun—Vielgereut

Diese ist gekennzeichnet durch kühne zum Teil abenteuerlich geformte Gipfel,
die bis zu 2S00 Meter emporragen und durch tiefeingeschuittene, schauerlich
schöne Talschluchten, zwischen denen da und dort eine Hochfläche stehen geblieben
ist, die groß genug ist, ein Dorf zu tragen. Eine Menge kleiner Pässe gaben
Veranlassung und günstige Gelegenheit zur Errichtung kleiner Sperrfesten, die
möglichst gedeckt und dabei möglichst beherrschend angelegt worden sind. Die
erwähnten Hochflächen sind ganz unregelmäßig gestaltet und hängen nur durch
ganz schmale Landzungen miteinander zusammen, an deren Durchnagung die
schäumenden Wildwasser weiterarbeiten. Ein solches Gebilde sind die zwei bei
Rechental (Carbonari) zusammenhängenden Hochflächen von Lafraun und Viel¬
gereut, die „Hochteile".

Die östliche, die von Lafraun, ist durch das Val d'Asta und die zwei
Quellbäche des Uhland (Astico), der dem Po zuströmt, begrenzt; sie bildet, indem
sie einen kleinen Vorsprung ins Italienische darstellt, einen Teil der staatlichen
Grenze. Die Lasrauner Hochebene selbst ist wiederum durch die Schlucht des
Asiico torto bis auf eine schmale Verbindungsbrücke bei dem Wirtshaus Eichberg
(Monte Rovere oder Montruf) durchschnitten und zerfällt in eine kleinere
westliche Hälfte mit dem Mittelpunkt der Großgemeinde Lafraun, Chiesa, und
in eine größere östliche, an deren Rand über der Astachschlucht, Lusern, die
vielgenannte südlichste deutsche Sprachinsel Tirols, liegt oder eigentlich hängt.

Von Chiesa kommt man über die Landzunge von Rechental (Carbonari)
hinüber nach der Hochfläche von Vielgereut, die außer dem Hauptort die Pfarr¬
dörfer Se. Sebastian, serrata, und gegen das Etschtal zu den Weiler Mezzo-
monte (Mitterberg) trägt.

Die ganze fischförmige Hochfläche von Vielgereut hat eine Länge von
höchstens sechzehn Kilometern und eine durchschnittliche Breite von fünf bis sechs
Kilometern, die von Lafraun ist eher noch kleiner; man stelle sich also den
dortigen Kriegsschauplatz — und überhaupt ganz Südtirol, das sich hoffentlich
den Feind vom Leibe halten wird —, nicht zu groß vor! Von der Vielgereuter
Hochfläche gehört übrigens ein kleiner Teil zu Italien. Ihrem östlichen Rande
sind einige Hügel aufgesetzt, welche die hier fast genau nordsüdlich verlaufende
Wasserscheide zwischen Etsch und Po und zugleich die Staatengrenze bilden.
Sie überhoben die durchschnittlich 1200 Meter über dem Meer liegenden Dörfer
um 600 Meter, haben aber weder von Österreich noch von Italien her einen
fahrbaren Zugang. Die schöne italienische Kmiststraße, die vom Astachtal vo«
Ghertele (^ Gärtle!) heraufkommt, endigt auf der Lasrauner Hochebene im
Schnittpunkt mit der großen österreichischen Heerstraße, die von diesem Treff¬
punkt in das Etschtal nach Catuaro (200 Meter) und in das Suganertal nach
Caldonazzo (400 Meter über dem Meer) hinunterführt.

Als ich vor bald zehn Jahre«, von der Burg Perser über den See von
Caldonazzo kommend, eben jene prächtige Gebirgsstraße hinaufwanderte und unter¬
wegs den Manövergeschichten meines Begleiters, die sich dort abgespielt hatten,


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[0052] Die Hochebene von Tafraun—Vielgereut Diese ist gekennzeichnet durch kühne zum Teil abenteuerlich geformte Gipfel, die bis zu 2S00 Meter emporragen und durch tiefeingeschuittene, schauerlich schöne Talschluchten, zwischen denen da und dort eine Hochfläche stehen geblieben ist, die groß genug ist, ein Dorf zu tragen. Eine Menge kleiner Pässe gaben Veranlassung und günstige Gelegenheit zur Errichtung kleiner Sperrfesten, die möglichst gedeckt und dabei möglichst beherrschend angelegt worden sind. Die erwähnten Hochflächen sind ganz unregelmäßig gestaltet und hängen nur durch ganz schmale Landzungen miteinander zusammen, an deren Durchnagung die schäumenden Wildwasser weiterarbeiten. Ein solches Gebilde sind die zwei bei Rechental (Carbonari) zusammenhängenden Hochflächen von Lafraun und Viel¬ gereut, die „Hochteile". Die östliche, die von Lafraun, ist durch das Val d'Asta und die zwei Quellbäche des Uhland (Astico), der dem Po zuströmt, begrenzt; sie bildet, indem sie einen kleinen Vorsprung ins Italienische darstellt, einen Teil der staatlichen Grenze. Die Lasrauner Hochebene selbst ist wiederum durch die Schlucht des Asiico torto bis auf eine schmale Verbindungsbrücke bei dem Wirtshaus Eichberg (Monte Rovere oder Montruf) durchschnitten und zerfällt in eine kleinere westliche Hälfte mit dem Mittelpunkt der Großgemeinde Lafraun, Chiesa, und in eine größere östliche, an deren Rand über der Astachschlucht, Lusern, die vielgenannte südlichste deutsche Sprachinsel Tirols, liegt oder eigentlich hängt. Von Chiesa kommt man über die Landzunge von Rechental (Carbonari) hinüber nach der Hochfläche von Vielgereut, die außer dem Hauptort die Pfarr¬ dörfer Se. Sebastian, serrata, und gegen das Etschtal zu den Weiler Mezzo- monte (Mitterberg) trägt. Die ganze fischförmige Hochfläche von Vielgereut hat eine Länge von höchstens sechzehn Kilometern und eine durchschnittliche Breite von fünf bis sechs Kilometern, die von Lafraun ist eher noch kleiner; man stelle sich also den dortigen Kriegsschauplatz — und überhaupt ganz Südtirol, das sich hoffentlich den Feind vom Leibe halten wird —, nicht zu groß vor! Von der Vielgereuter Hochfläche gehört übrigens ein kleiner Teil zu Italien. Ihrem östlichen Rande sind einige Hügel aufgesetzt, welche die hier fast genau nordsüdlich verlaufende Wasserscheide zwischen Etsch und Po und zugleich die Staatengrenze bilden. Sie überhoben die durchschnittlich 1200 Meter über dem Meer liegenden Dörfer um 600 Meter, haben aber weder von Österreich noch von Italien her einen fahrbaren Zugang. Die schöne italienische Kmiststraße, die vom Astachtal vo« Ghertele (^ Gärtle!) heraufkommt, endigt auf der Lasrauner Hochebene im Schnittpunkt mit der großen österreichischen Heerstraße, die von diesem Treff¬ punkt in das Etschtal nach Catuaro (200 Meter) und in das Suganertal nach Caldonazzo (400 Meter über dem Meer) hinunterführt. Als ich vor bald zehn Jahre«, von der Burg Perser über den See von Caldonazzo kommend, eben jene prächtige Gebirgsstraße hinaufwanderte und unter¬ wegs den Manövergeschichten meines Begleiters, die sich dort abgespielt hatten,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/52>, abgerufen am 22.07.2024.