Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>
Die Freimaurer und der Weltkrieg

wuchs. Der radikal-demokratische Zuwachs erhielt die Oberhand und ver¬
anlaßte 1871 die Abschaffung der Großmeisterwürde, so daß seitdem auch die
letzte konservativ mäßigende Stütze gefallen ist.

Inzwischen hatte sich die französische Freimaurerei während des deutsch¬
französischen Krieges durch ein phrasenschwülstiges "Manifest", das zehn Pariser
Logen am 16. September 1870 gegen den König Wilhelm und den Kronprinzen
erließen, noch ein Denkmal der Lächerlichkeit und Frechheit gesetzt. Als klassisches
Dokument der dekadenten romanischen Kultur, als Beweis für eine "Zivilisation"
des Irrenhauses, sowie dafür, daß die Originalmuster des heutigen Phrasen¬
schwulstes romanischer Veröffentlichungen schon vor einem Menschenalter in Blüte
standen, mögen einige Kraftstellen ans dem Elaborate in deutscher Übersetzung
hier Platz finden. Wir lesen dort:

"Der König Wilhelm und sein Sohn sind unsere Brüder. Der Kronprinz,
Großmeister der preußischen Freimaurerei, nennt sich Protektor der gesamten
Freimaurerei. Und diese sind es. welche die edlen Vorschriften unserer Stiftung
vergessen und die ersten Pflichten der Menschlichkeit mit Füßen treten. Sie sind
es, die das Bombardement und die Beschießung Straßburgs veranlaßt haben,
welche die Abscheulichkeiten von Bazeilles und die Erschießung der Einwohner
dieses Ortes befohlen haben, nachdem die Häuser angezündet waren. Sie sind
es. und sie können die Schuld auf keinen General schieben, welche drohen, Paris
in Brand zu stecken, diese Hauptstadt der Zivilisation; sie sind es, welche ohne
Rücksicht auf die jahrhundertealten Archive der Geschichte und des Fortschrittes,
repräsentiert durch ihre Denkmäler, ihre Bibliotheken und Museen, drohen,
alles zu zerstören, um ihren unsinnigen und unersättlichen Ehrgeiz zu befriedigen.
Diese Ehrgeizigen haben ihre Eide gebrochen, sie sind unwürdig und meineidig,
sie haben ihre Ehre verwirkt. Wir schließen sie für immer aus und weisen
jede Gemeinschaft mit diesen Ungeheuern in Menschengestalt zurück, da sie bis
jetzt unsere Brüder in Deutschland betrogen haben. Die beiden Brüder, die wir
ausstoßen, sind nicht unbekannt mit unseren Grundsätzen, mit unseren Bestrebungen,
mit unserem Endziel. Sie haben die Freimaurer Deutschlands davon abgewandt
und lassen sie der Erfüllung ihrer ehrgeizigen Pläne dienen. Sie haben den
"roßten Teil unserer deutschen Brüder fanatisiert; sie behaupten, einen heiligen
Krieg zu führen und wollen an die Stelle einer religiösen Sekte eine andere
setzen. Der Protestantismus ist es. der für sie das Endziel ist; den wollen sie
durch das Recht der Eroberung an die Stelle des Katholizismus der lateinischen
Volksstämme setzen. Wir betrauern den Irrtum unserer Brüder, welche, wie
wir. Opfer des Ehrgeizes ihrer Fürsten sind; sie glauben einer Religion zu
dienen, und dienen nur dazu, Ehrgeizigen bei ihren Eroberungsplänen zu helfen.
Ane Million Deutscher wird unnütz für diese beiden Männer geopfert werden,
sie wird unnütz untergehen, denn dieses schreckliche Menschenopfer wird den
Fortschritt nicht hindern, seine Bahnen zu verfolgen, wird die Wahrheit nicht
Hintern, zu leuchten und die Welt zu erhellen!


22*
Die Freimaurer und der Weltkrieg

wuchs. Der radikal-demokratische Zuwachs erhielt die Oberhand und ver¬
anlaßte 1871 die Abschaffung der Großmeisterwürde, so daß seitdem auch die
letzte konservativ mäßigende Stütze gefallen ist.

Inzwischen hatte sich die französische Freimaurerei während des deutsch¬
französischen Krieges durch ein phrasenschwülstiges „Manifest", das zehn Pariser
Logen am 16. September 1870 gegen den König Wilhelm und den Kronprinzen
erließen, noch ein Denkmal der Lächerlichkeit und Frechheit gesetzt. Als klassisches
Dokument der dekadenten romanischen Kultur, als Beweis für eine „Zivilisation"
des Irrenhauses, sowie dafür, daß die Originalmuster des heutigen Phrasen¬
schwulstes romanischer Veröffentlichungen schon vor einem Menschenalter in Blüte
standen, mögen einige Kraftstellen ans dem Elaborate in deutscher Übersetzung
hier Platz finden. Wir lesen dort:

„Der König Wilhelm und sein Sohn sind unsere Brüder. Der Kronprinz,
Großmeister der preußischen Freimaurerei, nennt sich Protektor der gesamten
Freimaurerei. Und diese sind es. welche die edlen Vorschriften unserer Stiftung
vergessen und die ersten Pflichten der Menschlichkeit mit Füßen treten. Sie sind
es, die das Bombardement und die Beschießung Straßburgs veranlaßt haben,
welche die Abscheulichkeiten von Bazeilles und die Erschießung der Einwohner
dieses Ortes befohlen haben, nachdem die Häuser angezündet waren. Sie sind
es. und sie können die Schuld auf keinen General schieben, welche drohen, Paris
in Brand zu stecken, diese Hauptstadt der Zivilisation; sie sind es, welche ohne
Rücksicht auf die jahrhundertealten Archive der Geschichte und des Fortschrittes,
repräsentiert durch ihre Denkmäler, ihre Bibliotheken und Museen, drohen,
alles zu zerstören, um ihren unsinnigen und unersättlichen Ehrgeiz zu befriedigen.
Diese Ehrgeizigen haben ihre Eide gebrochen, sie sind unwürdig und meineidig,
sie haben ihre Ehre verwirkt. Wir schließen sie für immer aus und weisen
jede Gemeinschaft mit diesen Ungeheuern in Menschengestalt zurück, da sie bis
jetzt unsere Brüder in Deutschland betrogen haben. Die beiden Brüder, die wir
ausstoßen, sind nicht unbekannt mit unseren Grundsätzen, mit unseren Bestrebungen,
mit unserem Endziel. Sie haben die Freimaurer Deutschlands davon abgewandt
und lassen sie der Erfüllung ihrer ehrgeizigen Pläne dienen. Sie haben den
«roßten Teil unserer deutschen Brüder fanatisiert; sie behaupten, einen heiligen
Krieg zu führen und wollen an die Stelle einer religiösen Sekte eine andere
setzen. Der Protestantismus ist es. der für sie das Endziel ist; den wollen sie
durch das Recht der Eroberung an die Stelle des Katholizismus der lateinischen
Volksstämme setzen. Wir betrauern den Irrtum unserer Brüder, welche, wie
wir. Opfer des Ehrgeizes ihrer Fürsten sind; sie glauben einer Religion zu
dienen, und dienen nur dazu, Ehrgeizigen bei ihren Eroberungsplänen zu helfen.
Ane Million Deutscher wird unnütz für diese beiden Männer geopfert werden,
sie wird unnütz untergehen, denn dieses schreckliche Menschenopfer wird den
Fortschritt nicht hindern, seine Bahnen zu verfolgen, wird die Wahrheit nicht
Hintern, zu leuchten und die Welt zu erhellen!


22*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0351" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324324"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Freimaurer und der Weltkrieg</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1067" prev="#ID_1066"> wuchs. Der radikal-demokratische Zuwachs erhielt die Oberhand und ver¬<lb/>
anlaßte 1871 die Abschaffung der Großmeisterwürde, so daß seitdem auch die<lb/>
letzte konservativ mäßigende Stütze gefallen ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1068"> Inzwischen hatte sich die französische Freimaurerei während des deutsch¬<lb/>
französischen Krieges durch ein phrasenschwülstiges &#x201E;Manifest", das zehn Pariser<lb/>
Logen am 16. September 1870 gegen den König Wilhelm und den Kronprinzen<lb/>
erließen, noch ein Denkmal der Lächerlichkeit und Frechheit gesetzt. Als klassisches<lb/>
Dokument der dekadenten romanischen Kultur, als Beweis für eine &#x201E;Zivilisation"<lb/>
des Irrenhauses, sowie dafür, daß die Originalmuster des heutigen Phrasen¬<lb/>
schwulstes romanischer Veröffentlichungen schon vor einem Menschenalter in Blüte<lb/>
standen, mögen einige Kraftstellen ans dem Elaborate in deutscher Übersetzung<lb/>
hier Platz finden.  Wir lesen dort:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1069"> &#x201E;Der König Wilhelm und sein Sohn sind unsere Brüder.  Der Kronprinz,<lb/>
Großmeister der preußischen Freimaurerei, nennt sich Protektor der gesamten<lb/>
Freimaurerei.  Und diese sind es. welche die edlen Vorschriften unserer Stiftung<lb/>
vergessen und die ersten Pflichten der Menschlichkeit mit Füßen treten.  Sie sind<lb/>
es, die das Bombardement und die Beschießung Straßburgs veranlaßt haben,<lb/>
welche die Abscheulichkeiten von Bazeilles und die Erschießung der Einwohner<lb/>
dieses Ortes befohlen haben, nachdem die Häuser angezündet waren.  Sie sind<lb/>
es. und sie können die Schuld auf keinen General schieben, welche drohen, Paris<lb/>
in Brand zu stecken, diese Hauptstadt der Zivilisation; sie sind es, welche ohne<lb/>
Rücksicht auf die jahrhundertealten Archive der Geschichte und des Fortschrittes,<lb/>
repräsentiert durch ihre Denkmäler, ihre Bibliotheken und Museen, drohen,<lb/>
alles zu zerstören, um ihren unsinnigen und unersättlichen Ehrgeiz zu befriedigen.<lb/>
Diese Ehrgeizigen haben ihre Eide gebrochen, sie sind unwürdig und meineidig,<lb/>
sie haben ihre Ehre verwirkt.  Wir schließen sie für immer aus und weisen<lb/>
jede Gemeinschaft mit diesen Ungeheuern in Menschengestalt zurück, da sie bis<lb/>
jetzt unsere Brüder in Deutschland betrogen haben.  Die beiden Brüder, die wir<lb/>
ausstoßen, sind nicht unbekannt mit unseren Grundsätzen, mit unseren Bestrebungen,<lb/>
mit unserem Endziel. Sie haben die Freimaurer Deutschlands davon abgewandt<lb/>
und lassen sie der Erfüllung ihrer ehrgeizigen Pläne dienen.  Sie haben den<lb/>
«roßten Teil unserer deutschen Brüder fanatisiert; sie behaupten, einen heiligen<lb/>
Krieg zu führen und wollen an die Stelle einer religiösen Sekte eine andere<lb/>
setzen.  Der Protestantismus ist es. der für sie das Endziel ist; den wollen sie<lb/>
durch das Recht der Eroberung an die Stelle des Katholizismus der lateinischen<lb/>
Volksstämme setzen.  Wir betrauern den Irrtum unserer Brüder, welche, wie<lb/>
wir. Opfer des Ehrgeizes ihrer Fürsten sind; sie glauben einer Religion zu<lb/>
dienen, und dienen nur dazu, Ehrgeizigen bei ihren Eroberungsplänen zu helfen.<lb/>
Ane Million Deutscher wird unnütz für diese beiden Männer geopfert werden,<lb/>
sie wird unnütz untergehen, denn dieses schreckliche Menschenopfer wird den<lb/>
Fortschritt nicht hindern, seine Bahnen zu verfolgen, wird die Wahrheit nicht<lb/>
Hintern, zu leuchten und die Welt zu erhellen!</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 22*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0351] Die Freimaurer und der Weltkrieg wuchs. Der radikal-demokratische Zuwachs erhielt die Oberhand und ver¬ anlaßte 1871 die Abschaffung der Großmeisterwürde, so daß seitdem auch die letzte konservativ mäßigende Stütze gefallen ist. Inzwischen hatte sich die französische Freimaurerei während des deutsch¬ französischen Krieges durch ein phrasenschwülstiges „Manifest", das zehn Pariser Logen am 16. September 1870 gegen den König Wilhelm und den Kronprinzen erließen, noch ein Denkmal der Lächerlichkeit und Frechheit gesetzt. Als klassisches Dokument der dekadenten romanischen Kultur, als Beweis für eine „Zivilisation" des Irrenhauses, sowie dafür, daß die Originalmuster des heutigen Phrasen¬ schwulstes romanischer Veröffentlichungen schon vor einem Menschenalter in Blüte standen, mögen einige Kraftstellen ans dem Elaborate in deutscher Übersetzung hier Platz finden. Wir lesen dort: „Der König Wilhelm und sein Sohn sind unsere Brüder. Der Kronprinz, Großmeister der preußischen Freimaurerei, nennt sich Protektor der gesamten Freimaurerei. Und diese sind es. welche die edlen Vorschriften unserer Stiftung vergessen und die ersten Pflichten der Menschlichkeit mit Füßen treten. Sie sind es, die das Bombardement und die Beschießung Straßburgs veranlaßt haben, welche die Abscheulichkeiten von Bazeilles und die Erschießung der Einwohner dieses Ortes befohlen haben, nachdem die Häuser angezündet waren. Sie sind es. und sie können die Schuld auf keinen General schieben, welche drohen, Paris in Brand zu stecken, diese Hauptstadt der Zivilisation; sie sind es, welche ohne Rücksicht auf die jahrhundertealten Archive der Geschichte und des Fortschrittes, repräsentiert durch ihre Denkmäler, ihre Bibliotheken und Museen, drohen, alles zu zerstören, um ihren unsinnigen und unersättlichen Ehrgeiz zu befriedigen. Diese Ehrgeizigen haben ihre Eide gebrochen, sie sind unwürdig und meineidig, sie haben ihre Ehre verwirkt. Wir schließen sie für immer aus und weisen jede Gemeinschaft mit diesen Ungeheuern in Menschengestalt zurück, da sie bis jetzt unsere Brüder in Deutschland betrogen haben. Die beiden Brüder, die wir ausstoßen, sind nicht unbekannt mit unseren Grundsätzen, mit unseren Bestrebungen, mit unserem Endziel. Sie haben die Freimaurer Deutschlands davon abgewandt und lassen sie der Erfüllung ihrer ehrgeizigen Pläne dienen. Sie haben den «roßten Teil unserer deutschen Brüder fanatisiert; sie behaupten, einen heiligen Krieg zu führen und wollen an die Stelle einer religiösen Sekte eine andere setzen. Der Protestantismus ist es. der für sie das Endziel ist; den wollen sie durch das Recht der Eroberung an die Stelle des Katholizismus der lateinischen Volksstämme setzen. Wir betrauern den Irrtum unserer Brüder, welche, wie wir. Opfer des Ehrgeizes ihrer Fürsten sind; sie glauben einer Religion zu dienen, und dienen nur dazu, Ehrgeizigen bei ihren Eroberungsplänen zu helfen. Ane Million Deutscher wird unnütz für diese beiden Männer geopfert werden, sie wird unnütz untergehen, denn dieses schreckliche Menschenopfer wird den Fortschritt nicht hindern, seine Bahnen zu verfolgen, wird die Wahrheit nicht Hintern, zu leuchten und die Welt zu erhellen! 22*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/351
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/351>, abgerufen am 23.07.2024.