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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Die Fi'ciüiaurer und der Ivcltkricg

Förderung. Schon dieser Umstand genügt, festzustellen, daß die deutsche Frei¬
maurerei auf nationalem Boden steht. Ihr treu nationaler Standpunkt hat sie
denn auch niemals danach streben lassen, im freimaurerischen Menschheitsbunde
die durch Lebensanschauungen und Lebensgewohnheiten verschiedenen Völker der
Erde zu einer wesenlosen Menschheitsmasse zu verschmelzen. Er hat auch die
Logen zu allen Zeiten ferngehalten von jeglichem politischen oder konfessionellen
Parteitreiben. Für den Deutschen, der nach seiner Veranlagung ernst, tief¬
gründig, im innersten Gemüte human ist, bedeutet die Freimaurerei mit ihrer
Humanitätsidee im Sinne Herders und Fichtes tiefernste Herzenssache. Es
erscheint ihm geradezu verabscheuungswürdig, sie durch Hineinziehen profaner
Zwecke zu entweihen und die Logen zu Tummelplätzen politischer oder auch
konfessioneller Parteitreibereien zu erniedrigen. Hier haben stets Männer ver¬
schiedener politischer und konfessioneller Richtung in Gemeinschaft miteinander
gearbeitet. Das war aber nur möglich, weil beim deutschen Freimaurer der
Begriff Freiheit nicht aus der Revolution geboren, und daher nicht identisch
ist mit schrankenloser Ungebundenheit, persönlicher Willkür und uferlosen!
Subjektivismus, sondern weil er die freiwillige Unterordnung unter das als
richtig erkannte Gesetz bedeutet. Und wie der deutsche Großlogenbund. so halten
die nordländischen und -- die Gerechtigkeit verlangt auch diese Feststellung --
die englisch-schottischen Großlogen an den freimaurerischen Grundgesetzen fest.
Wenn man unlängst versucht hat. auch die englischen Logen mit dem
"nmaurerischen politischen Treiben zu belasten, so müssen die Ankläger erst die
Beweise dafür herbeischaffen. Bis jetzt hat für solche Anschuldigungen noch kein
Grund vorgelegen.

Aus der germanisch-freimaurerischen Grundanschauung heraus haben die
deutschen Freimaurer die frivole und gewissenlose Heraufbeschwörung des Welt¬
krieges in tiefster Seele verabscheut. Freudigen Herzens sind sie aber, als die
Schicksalswürfel gefallen waren, für die gerechte Sache unseres Volkes dahin
geeilt, wo das Vaterland ihrer bedürfte, haben sie die Waffen ergriffen in
Heller Begeisterung für Kaiser und Reich.

Wesentlich anders ist die Entwicklung bei der romanischen Freimaurerei ver¬
laufen. In Frankreich konnte sie sich schon im beginnenden achtzehnten Jahrhundert
unmöglich rein erhalten, weil der Franzose ihren eigentlichen Zweck von Anfang
an verkannte.

Als die junge Freimaurerei auch in Frankreich um sich griff, drängte sich
namentlich der Adel in die Logen. Wenn man nun die Kluft kennt, die
damals den Adel vom Bürgerstande schied, so begreift man den Abscheu
dieser adeligen Herrn, als mehr und mehr Bürgerliche in die Logen eindrangen.
In der Loge soll nicht Rang und Stand gelten, nur Tugenden sollen dem
Bruder einen Vorrang verleihen. In Frankreich fehlte aber die Vorbedingung;
denn hier galt der Adel alles, der Bürgerliche nichts, und selbst des Genie eines
Voltaires schützte ihn nicht vor brutalen Mißhandlungen vornehmer Herren.


Grenzboten III 1915 ' 22
Die Fi'ciüiaurer und der Ivcltkricg

Förderung. Schon dieser Umstand genügt, festzustellen, daß die deutsche Frei¬
maurerei auf nationalem Boden steht. Ihr treu nationaler Standpunkt hat sie
denn auch niemals danach streben lassen, im freimaurerischen Menschheitsbunde
die durch Lebensanschauungen und Lebensgewohnheiten verschiedenen Völker der
Erde zu einer wesenlosen Menschheitsmasse zu verschmelzen. Er hat auch die
Logen zu allen Zeiten ferngehalten von jeglichem politischen oder konfessionellen
Parteitreiben. Für den Deutschen, der nach seiner Veranlagung ernst, tief¬
gründig, im innersten Gemüte human ist, bedeutet die Freimaurerei mit ihrer
Humanitätsidee im Sinne Herders und Fichtes tiefernste Herzenssache. Es
erscheint ihm geradezu verabscheuungswürdig, sie durch Hineinziehen profaner
Zwecke zu entweihen und die Logen zu Tummelplätzen politischer oder auch
konfessioneller Parteitreibereien zu erniedrigen. Hier haben stets Männer ver¬
schiedener politischer und konfessioneller Richtung in Gemeinschaft miteinander
gearbeitet. Das war aber nur möglich, weil beim deutschen Freimaurer der
Begriff Freiheit nicht aus der Revolution geboren, und daher nicht identisch
ist mit schrankenloser Ungebundenheit, persönlicher Willkür und uferlosen!
Subjektivismus, sondern weil er die freiwillige Unterordnung unter das als
richtig erkannte Gesetz bedeutet. Und wie der deutsche Großlogenbund. so halten
die nordländischen und — die Gerechtigkeit verlangt auch diese Feststellung —
die englisch-schottischen Großlogen an den freimaurerischen Grundgesetzen fest.
Wenn man unlängst versucht hat. auch die englischen Logen mit dem
"nmaurerischen politischen Treiben zu belasten, so müssen die Ankläger erst die
Beweise dafür herbeischaffen. Bis jetzt hat für solche Anschuldigungen noch kein
Grund vorgelegen.

Aus der germanisch-freimaurerischen Grundanschauung heraus haben die
deutschen Freimaurer die frivole und gewissenlose Heraufbeschwörung des Welt¬
krieges in tiefster Seele verabscheut. Freudigen Herzens sind sie aber, als die
Schicksalswürfel gefallen waren, für die gerechte Sache unseres Volkes dahin
geeilt, wo das Vaterland ihrer bedürfte, haben sie die Waffen ergriffen in
Heller Begeisterung für Kaiser und Reich.

Wesentlich anders ist die Entwicklung bei der romanischen Freimaurerei ver¬
laufen. In Frankreich konnte sie sich schon im beginnenden achtzehnten Jahrhundert
unmöglich rein erhalten, weil der Franzose ihren eigentlichen Zweck von Anfang
an verkannte.

Als die junge Freimaurerei auch in Frankreich um sich griff, drängte sich
namentlich der Adel in die Logen. Wenn man nun die Kluft kennt, die
damals den Adel vom Bürgerstande schied, so begreift man den Abscheu
dieser adeligen Herrn, als mehr und mehr Bürgerliche in die Logen eindrangen.
In der Loge soll nicht Rang und Stand gelten, nur Tugenden sollen dem
Bruder einen Vorrang verleihen. In Frankreich fehlte aber die Vorbedingung;
denn hier galt der Adel alles, der Bürgerliche nichts, und selbst des Genie eines
Voltaires schützte ihn nicht vor brutalen Mißhandlungen vornehmer Herren.


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[0349] Die Fi'ciüiaurer und der Ivcltkricg Förderung. Schon dieser Umstand genügt, festzustellen, daß die deutsche Frei¬ maurerei auf nationalem Boden steht. Ihr treu nationaler Standpunkt hat sie denn auch niemals danach streben lassen, im freimaurerischen Menschheitsbunde die durch Lebensanschauungen und Lebensgewohnheiten verschiedenen Völker der Erde zu einer wesenlosen Menschheitsmasse zu verschmelzen. Er hat auch die Logen zu allen Zeiten ferngehalten von jeglichem politischen oder konfessionellen Parteitreiben. Für den Deutschen, der nach seiner Veranlagung ernst, tief¬ gründig, im innersten Gemüte human ist, bedeutet die Freimaurerei mit ihrer Humanitätsidee im Sinne Herders und Fichtes tiefernste Herzenssache. Es erscheint ihm geradezu verabscheuungswürdig, sie durch Hineinziehen profaner Zwecke zu entweihen und die Logen zu Tummelplätzen politischer oder auch konfessioneller Parteitreibereien zu erniedrigen. Hier haben stets Männer ver¬ schiedener politischer und konfessioneller Richtung in Gemeinschaft miteinander gearbeitet. Das war aber nur möglich, weil beim deutschen Freimaurer der Begriff Freiheit nicht aus der Revolution geboren, und daher nicht identisch ist mit schrankenloser Ungebundenheit, persönlicher Willkür und uferlosen! Subjektivismus, sondern weil er die freiwillige Unterordnung unter das als richtig erkannte Gesetz bedeutet. Und wie der deutsche Großlogenbund. so halten die nordländischen und — die Gerechtigkeit verlangt auch diese Feststellung — die englisch-schottischen Großlogen an den freimaurerischen Grundgesetzen fest. Wenn man unlängst versucht hat. auch die englischen Logen mit dem "nmaurerischen politischen Treiben zu belasten, so müssen die Ankläger erst die Beweise dafür herbeischaffen. Bis jetzt hat für solche Anschuldigungen noch kein Grund vorgelegen. Aus der germanisch-freimaurerischen Grundanschauung heraus haben die deutschen Freimaurer die frivole und gewissenlose Heraufbeschwörung des Welt¬ krieges in tiefster Seele verabscheut. Freudigen Herzens sind sie aber, als die Schicksalswürfel gefallen waren, für die gerechte Sache unseres Volkes dahin geeilt, wo das Vaterland ihrer bedürfte, haben sie die Waffen ergriffen in Heller Begeisterung für Kaiser und Reich. Wesentlich anders ist die Entwicklung bei der romanischen Freimaurerei ver¬ laufen. In Frankreich konnte sie sich schon im beginnenden achtzehnten Jahrhundert unmöglich rein erhalten, weil der Franzose ihren eigentlichen Zweck von Anfang an verkannte. Als die junge Freimaurerei auch in Frankreich um sich griff, drängte sich namentlich der Adel in die Logen. Wenn man nun die Kluft kennt, die damals den Adel vom Bürgerstande schied, so begreift man den Abscheu dieser adeligen Herrn, als mehr und mehr Bürgerliche in die Logen eindrangen. In der Loge soll nicht Rang und Stand gelten, nur Tugenden sollen dem Bruder einen Vorrang verleihen. In Frankreich fehlte aber die Vorbedingung; denn hier galt der Adel alles, der Bürgerliche nichts, und selbst des Genie eines Voltaires schützte ihn nicht vor brutalen Mißhandlungen vornehmer Herren. Grenzboten III 1915 ' 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/349>, abgerufen am 28.09.2024.