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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Englische lveltxolitik und lveltverkehr5fragen vor dem Kriege

Ozeans diese Gegnerschaft nur auf dessen nördlichen Teil beschränkt ist und
Englands pazifische Interessen in erster Linie im südlichen Teil liegen. Aber
Kanadas wachsende Bedeutung und Hongkongs hervorragende Stellung als
wichtigster Handelsstützpunkt ganz Ostasiens berechtigen, ja verpflichten England,
auch hier ein wachsames Auge zu haben. Ob Japan oder die Vereinigten
Staaten Herren des nordpazifischen Ozeans sind: England wird in diesem Teil
beide als seine Gegner ansehen müssen, sobald seine bedeutende Handelsstellung
in Ostasten oder Nordamerika von einem der beiden nur im geringsten gestört wird*).

Noch überzeugender und überraschender tritt die englische Weltmachtstellung
hervor, wenn wir die Hauptschiffahrtslinien vom rein verkehrspolitischen Gesichts¬
punkt aus zusammenzustellen versuchen.

Es gibt im Welthandel, ich möchte sagen, vier Verkehrsengpässe, zu denen
notwendigerweise der Seeverkehr hindrängen muß: der "Englische Kanal", das
Hauptausfalls- und Haupteingangstor des europäischen Handels, der Suezkanal
(Mittelmeer), der Panamakanal und die Straße von Malakka. Durch sie flutet
der Weltverkehr in seiner Hauptmasse, hier schließen sich die verschiedenen
Schiffahrtslinien zusammen, um nach Durchschreiten der Engpässe wieder nach
allen Seiten auseinander zu strahlen. Von geringerer Bedeutung sind die drei
Seeverkehrspässe an den Spitzen der drei Südfestländer als natürliche Ver¬
bindungen zwischen den drei Hauptozeanen.

Eine Beherrschung jener sieben Engpässe des Welthandels und -Verkehrs
kommt einer Beherrschung dieses Welthandels gleich, falls sie sich in den Händen
einer Macht befinden, die mit der notwendigen militärischen und politischen
Kraft an diesen Stellen aufzutreten vermag. England ist in der Tat in der
glücklichen Lage, von diesen sieben Engpässen fünf ausschließlich zu beherrschen,
bei einem hat es ein gewichtiges Wort in die Wagschale zu werfen, und nur
beim letzten ist es nicht von ausschlaggebender Bedeutung.

Frankreichs Kiistenlage am "Englischen Kanal" ist der Beherrschung durch
England bei der viel schwächeren Seegeltung nicht hinderlich, zumal die der
Nordküste Frankreichs vorgelagerten englischen normannischen Inseln kleineren



*) Der Krieg, der Japan in China völlig freie Hand gab, läßt den Gegensatz zwischen
England und Japan immer deutlicher hervortreten, am deutlichsten auf dem Gebiet des
Handels und Verkehrs Chinas mit dem Ausland, worin England bisher die Führung hatte.
Die meistbeteiligten Mächte an Chinas Außenhandel sind England und Japan; aber bereits
seit 1908 läßt sich eine Verschiebung zugunsten Japans und zuungunsten Englands erkennen:
1g03 1909191019111912
England . . . 66,8 62,261,748,648,3Prozent
Japan.....13,9 16,316,917,11S,0
Hongkong, Indien und Dominions:
'
1908 1909191019111912
England . . . 12,7 11,610,612,410,6Prozent
Japan .... 13,9 16,316,917,118,0
(LKina-Vesr-LooK,). Frankfurter Zeitung vom 10. Juli 1916.
Englische lveltxolitik und lveltverkehr5fragen vor dem Kriege

Ozeans diese Gegnerschaft nur auf dessen nördlichen Teil beschränkt ist und
Englands pazifische Interessen in erster Linie im südlichen Teil liegen. Aber
Kanadas wachsende Bedeutung und Hongkongs hervorragende Stellung als
wichtigster Handelsstützpunkt ganz Ostasiens berechtigen, ja verpflichten England,
auch hier ein wachsames Auge zu haben. Ob Japan oder die Vereinigten
Staaten Herren des nordpazifischen Ozeans sind: England wird in diesem Teil
beide als seine Gegner ansehen müssen, sobald seine bedeutende Handelsstellung
in Ostasten oder Nordamerika von einem der beiden nur im geringsten gestört wird*).

Noch überzeugender und überraschender tritt die englische Weltmachtstellung
hervor, wenn wir die Hauptschiffahrtslinien vom rein verkehrspolitischen Gesichts¬
punkt aus zusammenzustellen versuchen.

Es gibt im Welthandel, ich möchte sagen, vier Verkehrsengpässe, zu denen
notwendigerweise der Seeverkehr hindrängen muß: der „Englische Kanal", das
Hauptausfalls- und Haupteingangstor des europäischen Handels, der Suezkanal
(Mittelmeer), der Panamakanal und die Straße von Malakka. Durch sie flutet
der Weltverkehr in seiner Hauptmasse, hier schließen sich die verschiedenen
Schiffahrtslinien zusammen, um nach Durchschreiten der Engpässe wieder nach
allen Seiten auseinander zu strahlen. Von geringerer Bedeutung sind die drei
Seeverkehrspässe an den Spitzen der drei Südfestländer als natürliche Ver¬
bindungen zwischen den drei Hauptozeanen.

Eine Beherrschung jener sieben Engpässe des Welthandels und -Verkehrs
kommt einer Beherrschung dieses Welthandels gleich, falls sie sich in den Händen
einer Macht befinden, die mit der notwendigen militärischen und politischen
Kraft an diesen Stellen aufzutreten vermag. England ist in der Tat in der
glücklichen Lage, von diesen sieben Engpässen fünf ausschließlich zu beherrschen,
bei einem hat es ein gewichtiges Wort in die Wagschale zu werfen, und nur
beim letzten ist es nicht von ausschlaggebender Bedeutung.

Frankreichs Kiistenlage am „Englischen Kanal" ist der Beherrschung durch
England bei der viel schwächeren Seegeltung nicht hinderlich, zumal die der
Nordküste Frankreichs vorgelagerten englischen normannischen Inseln kleineren



*) Der Krieg, der Japan in China völlig freie Hand gab, läßt den Gegensatz zwischen
England und Japan immer deutlicher hervortreten, am deutlichsten auf dem Gebiet des
Handels und Verkehrs Chinas mit dem Ausland, worin England bisher die Führung hatte.
Die meistbeteiligten Mächte an Chinas Außenhandel sind England und Japan; aber bereits
seit 1908 läßt sich eine Verschiebung zugunsten Japans und zuungunsten Englands erkennen:
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England . . . 66,8 62,261,748,648,3Prozent
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England . . . 12,7 11,610,612,410,6Prozent
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(LKina-Vesr-LooK,). Frankfurter Zeitung vom 10. Juli 1916.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/343>, abgerufen am 28.09.2024.