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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Die künftige Stellung des Markwechsels auf dem Weltmärkte

irreführen zu lassen, daß die deutsche Valuta erschüttert sei. Wenn namentlich von
englischer Seite dauernd wiederholt wird, die deutschen Finanzen hätten ihr Ansehen
in der Welt verloren, man habe kein Vertrauen mehr zur deutschen Geldverfassung,
so ist doch für jeden, der sehen will, ohne weiteres klar, daß durchaus kein
Anlaß vorliegt, aus dem Sinken des Markkurses ungünstige Folgerungen Hin-
sichtlich der deutschen Währung überhaupt zu ziehen. Wenn uns infolge der
Unterbindung unseres Außenhandels die Exportmöglichkeiten abgeschnitten sind,
wenn wir über See keine neuen Forderungen erwerben können, mit denen wir
Schulden begleichen, so muß bei uns natürlich ein Drängen um Zahlungsmittel
an das Ausland stattfinden, während umgekehrt im Auslande Zahlungsmittel an
Deutschland wenig gefragt sind. Diese müssen sich infolgedessen wie eine Ware,
für die im Augenblick keine rechte Verwendung da ist, einen Abschlag gefallen lassen.

Aus der Tatsache, daß auch der Wert der Markwährung gegenwärtig im
Auslande gesunken ist, kann also keineswegs geschlossen werden, das Ansehen
der deutschen Finanzen werde eine so starke Erschütterung davontragen, daß die
Möglichkeit einer Einbürgerung der deutschen Valuta auf dem Weltmarkte
fraglich erscheint. Ebensowenig brauchen wir die gegenwärtige Erhöhung der
Kaufkraft des amerikanischen Dollars gegenüber allen europäischen Währungen
Zu fürchten. Die grundlegenden Vorbedingungen zur Errichtung eines stabilen
Weltgeldzentrums fehlen einstweilen der Union, und zwar hauptsächlich aus dem
Grunde, weil sie selbst heute noch ein ausgesprochenes Schuldenland ist, das für
windestens sechs Milliarden Effekten im Auslande untergebracht hat. Hierzu kommt
"och die Tatsache, daß die bisherigen Handels- und noch mehr die Bank¬
verbindungen der Union mit den großen internationalen Geldmärkten noch zu
unzureichend sind, um ohne weiteres den Ansprüchen eines Weltclearinghauses,
u>le es London bisher war, gerecht werden zu können. Die heutige Stellung
der Union ist also lediglich durch die Kriegslage bedingt. Wenn die Amerikaner
glauben, aus dem ganz naturgemäßen Umschwung auf dem internationalen
Geldmarkt schließen zu dürfen, daß sie als die einzigen dazu Berufenen auch
'n Zukunft den Besitz des Weltgeldmarktes beanspruchen können, so wird sich
bald zeigen, daß sie ihre Erwartungen viel zu hoch spannen.

Es liegt also auch kein Anlaß vor, aus der Tatsache, daß der große
Krieg den Brennpunkt des internationalen Zahlungsverkehrs einstweilen nach
New York geschoben hat, die Befürchtung abzuleiten, Deutschland werde in
Zukunft die englische Abhängigkeit gegen eine amerikanische eintauschen. Das
Ziel, nach dem Kriege den deutschen Handel durch Einbürgerung des Mark-
Wechsels mit deutschem Kredit zu versorgen, darf vielmehr als durchaus erreichbar
bezeichnet werden. Vor allem bedarf es dazu allerdings des einmütiger Zusammen-
Sehens sämtlicher am deutschen Überseehandel beteiligten Kreise. Ein besonders
starkes Interesse an der Ausbreitung des Markwechsels im internationalen
Zahlungsverkehr, haben bisher die Hamburger Kaufleute gezeigt, die allerdings
auch besonders stark durch das Versagen der Londoner Einrichtungen geschädigt


Die künftige Stellung des Markwechsels auf dem Weltmärkte

irreführen zu lassen, daß die deutsche Valuta erschüttert sei. Wenn namentlich von
englischer Seite dauernd wiederholt wird, die deutschen Finanzen hätten ihr Ansehen
in der Welt verloren, man habe kein Vertrauen mehr zur deutschen Geldverfassung,
so ist doch für jeden, der sehen will, ohne weiteres klar, daß durchaus kein
Anlaß vorliegt, aus dem Sinken des Markkurses ungünstige Folgerungen Hin-
sichtlich der deutschen Währung überhaupt zu ziehen. Wenn uns infolge der
Unterbindung unseres Außenhandels die Exportmöglichkeiten abgeschnitten sind,
wenn wir über See keine neuen Forderungen erwerben können, mit denen wir
Schulden begleichen, so muß bei uns natürlich ein Drängen um Zahlungsmittel
an das Ausland stattfinden, während umgekehrt im Auslande Zahlungsmittel an
Deutschland wenig gefragt sind. Diese müssen sich infolgedessen wie eine Ware,
für die im Augenblick keine rechte Verwendung da ist, einen Abschlag gefallen lassen.

Aus der Tatsache, daß auch der Wert der Markwährung gegenwärtig im
Auslande gesunken ist, kann also keineswegs geschlossen werden, das Ansehen
der deutschen Finanzen werde eine so starke Erschütterung davontragen, daß die
Möglichkeit einer Einbürgerung der deutschen Valuta auf dem Weltmarkte
fraglich erscheint. Ebensowenig brauchen wir die gegenwärtige Erhöhung der
Kaufkraft des amerikanischen Dollars gegenüber allen europäischen Währungen
Zu fürchten. Die grundlegenden Vorbedingungen zur Errichtung eines stabilen
Weltgeldzentrums fehlen einstweilen der Union, und zwar hauptsächlich aus dem
Grunde, weil sie selbst heute noch ein ausgesprochenes Schuldenland ist, das für
windestens sechs Milliarden Effekten im Auslande untergebracht hat. Hierzu kommt
"och die Tatsache, daß die bisherigen Handels- und noch mehr die Bank¬
verbindungen der Union mit den großen internationalen Geldmärkten noch zu
unzureichend sind, um ohne weiteres den Ansprüchen eines Weltclearinghauses,
u>le es London bisher war, gerecht werden zu können. Die heutige Stellung
der Union ist also lediglich durch die Kriegslage bedingt. Wenn die Amerikaner
glauben, aus dem ganz naturgemäßen Umschwung auf dem internationalen
Geldmarkt schließen zu dürfen, daß sie als die einzigen dazu Berufenen auch
'n Zukunft den Besitz des Weltgeldmarktes beanspruchen können, so wird sich
bald zeigen, daß sie ihre Erwartungen viel zu hoch spannen.

Es liegt also auch kein Anlaß vor, aus der Tatsache, daß der große
Krieg den Brennpunkt des internationalen Zahlungsverkehrs einstweilen nach
New York geschoben hat, die Befürchtung abzuleiten, Deutschland werde in
Zukunft die englische Abhängigkeit gegen eine amerikanische eintauschen. Das
Ziel, nach dem Kriege den deutschen Handel durch Einbürgerung des Mark-
Wechsels mit deutschem Kredit zu versorgen, darf vielmehr als durchaus erreichbar
bezeichnet werden. Vor allem bedarf es dazu allerdings des einmütiger Zusammen-
Sehens sämtlicher am deutschen Überseehandel beteiligten Kreise. Ein besonders
starkes Interesse an der Ausbreitung des Markwechsels im internationalen
Zahlungsverkehr, haben bisher die Hamburger Kaufleute gezeigt, die allerdings
auch besonders stark durch das Versagen der Londoner Einrichtungen geschädigt


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[0313] Die künftige Stellung des Markwechsels auf dem Weltmärkte irreführen zu lassen, daß die deutsche Valuta erschüttert sei. Wenn namentlich von englischer Seite dauernd wiederholt wird, die deutschen Finanzen hätten ihr Ansehen in der Welt verloren, man habe kein Vertrauen mehr zur deutschen Geldverfassung, so ist doch für jeden, der sehen will, ohne weiteres klar, daß durchaus kein Anlaß vorliegt, aus dem Sinken des Markkurses ungünstige Folgerungen Hin- sichtlich der deutschen Währung überhaupt zu ziehen. Wenn uns infolge der Unterbindung unseres Außenhandels die Exportmöglichkeiten abgeschnitten sind, wenn wir über See keine neuen Forderungen erwerben können, mit denen wir Schulden begleichen, so muß bei uns natürlich ein Drängen um Zahlungsmittel an das Ausland stattfinden, während umgekehrt im Auslande Zahlungsmittel an Deutschland wenig gefragt sind. Diese müssen sich infolgedessen wie eine Ware, für die im Augenblick keine rechte Verwendung da ist, einen Abschlag gefallen lassen. Aus der Tatsache, daß auch der Wert der Markwährung gegenwärtig im Auslande gesunken ist, kann also keineswegs geschlossen werden, das Ansehen der deutschen Finanzen werde eine so starke Erschütterung davontragen, daß die Möglichkeit einer Einbürgerung der deutschen Valuta auf dem Weltmarkte fraglich erscheint. Ebensowenig brauchen wir die gegenwärtige Erhöhung der Kaufkraft des amerikanischen Dollars gegenüber allen europäischen Währungen Zu fürchten. Die grundlegenden Vorbedingungen zur Errichtung eines stabilen Weltgeldzentrums fehlen einstweilen der Union, und zwar hauptsächlich aus dem Grunde, weil sie selbst heute noch ein ausgesprochenes Schuldenland ist, das für windestens sechs Milliarden Effekten im Auslande untergebracht hat. Hierzu kommt "och die Tatsache, daß die bisherigen Handels- und noch mehr die Bank¬ verbindungen der Union mit den großen internationalen Geldmärkten noch zu unzureichend sind, um ohne weiteres den Ansprüchen eines Weltclearinghauses, u>le es London bisher war, gerecht werden zu können. Die heutige Stellung der Union ist also lediglich durch die Kriegslage bedingt. Wenn die Amerikaner glauben, aus dem ganz naturgemäßen Umschwung auf dem internationalen Geldmarkt schließen zu dürfen, daß sie als die einzigen dazu Berufenen auch 'n Zukunft den Besitz des Weltgeldmarktes beanspruchen können, so wird sich bald zeigen, daß sie ihre Erwartungen viel zu hoch spannen. Es liegt also auch kein Anlaß vor, aus der Tatsache, daß der große Krieg den Brennpunkt des internationalen Zahlungsverkehrs einstweilen nach New York geschoben hat, die Befürchtung abzuleiten, Deutschland werde in Zukunft die englische Abhängigkeit gegen eine amerikanische eintauschen. Das Ziel, nach dem Kriege den deutschen Handel durch Einbürgerung des Mark- Wechsels mit deutschem Kredit zu versorgen, darf vielmehr als durchaus erreichbar bezeichnet werden. Vor allem bedarf es dazu allerdings des einmütiger Zusammen- Sehens sämtlicher am deutschen Überseehandel beteiligten Kreise. Ein besonders starkes Interesse an der Ausbreitung des Markwechsels im internationalen Zahlungsverkehr, haben bisher die Hamburger Kaufleute gezeigt, die allerdings auch besonders stark durch das Versagen der Londoner Einrichtungen geschädigt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/313>, abgerufen am 26.06.2024.