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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Der Dichterheld von Przemysl

war zu den Waffen geeilt, wie alle wehrfähigen Männer Deutschlands und
Österreich-Ungarns. In den Friedensjahren, vor dem Überfall der feindlichen
Nachbarvölker, hatte er nur mit der Feder gekämpft, im Streite der Parteien,
zur Ehre und zur geistigen und wirtschaftlichen Förderung seiner engeren
ungarischen Heimat. Er hat aber die Feder, als er sie mit dem Degen ver-
tauschte, nicht außer Dienst gestellt. Wenn das Schwert ruhte, griff er zu seiner
alten Waffe und schrieb dröhnende Verse für die Marschlieder seiner Kampfgenossen.

Jetzt, in der eingeschlossenen Festung, fiel ihm eine andere Aufgabe zu:
den Kameraden Geduld zu predigen. Wie das dem Dichter gelang, kündet die
nachfolgende Zwiesprache zwischen einem halb schon entmutigten Soldaten und
dem unverzagt hoffnungsfrohen Kameraden:

Im Festungslager
-- Kalt ist's hier und eisig!
He, Rekrut, hol' Reisig.
Die Granate sei gelobt!
Warm hier unterkrauchen
Wollen wir und rauchen,
Bis der Russ' hat ausgetobt.

[Beginn Spaltensatz]
-- Ewiger Nebel ballt sich!
Wann erst zeigt ein Spalt sich,
Koowatsch, o mein Kamerad?
-- Das Gewölk durchschlitzen
Uns're Feldhaubitzen I
Schau' der Bomben Feuerpfud l
Tage, Wochen sinken
Ohne Sonnenblinken l
Weißt du noch von Sonnenglut?
-- Freund, sie wird sich zeigen,
Frührotschimmernd steigen
Aus dem Meer von Russenblut I
-- Wie in Lehm gebacken
Starren uns're Jacken,
Nichts von Farben ist zu seh'ni
Wenn wir ihn berennen,
Wird kein Feind erkennen,
Wo wir steh'n und vorwärts geh'ni
Horch I Des Friedenszaren
Raubmordtrunk'ne Scharen
Trommeln an der Festung Tor!
Latz sie nur beizeiten
Pochen I Wir bereiten
Lustige Willkommgrüße vor
[Spaltenumbruch]
-- Wie so frech sie fragten,
Ob wir Hungers klagten
Und uns nicht ergäben bald
-- Mögen sie verhungern,
Die da draußen lungern I
Uns gefällt's hier drinnen halt!
-- Feldschrei der Tartarenl
Sturmlauf I -- Den Husaren
Uns'rer Honveds tun sie's nach!
-- Affen's nach! Die Tröpfe,
Holen blutige Köpfe,
Ihrem Wahn folgt Tod und Schmach!
-- Jetzt ist Satan Paket
Teufel! Die Granate
Höhle in unserm Zelt ein Loch l
-- Wenn ich bei mir hätte
Eine Zigarette,
Gab's zum Rauchen Feuer doch!
-- Eine, will's dir schmecken,
Wird im Rucksack stecken,
Wenn sie nicht schon fraß die Maus.
-- Bist du einst zur Jause
Gast in meinem Hause,
Such' dir 'ne Havanna aus!
[Ende Spaltensatz]

Dieser Galgenhumor verfehlte seine Wirkung nicht. Die Verse und viele
andere vor- und nachher gingen in Abschrift von Hand zu Hand. In Ungarn
doar der Name des Dichters schon bekannt, nun wurde er auch den Besatzungs-


Der Dichterheld von Przemysl

war zu den Waffen geeilt, wie alle wehrfähigen Männer Deutschlands und
Österreich-Ungarns. In den Friedensjahren, vor dem Überfall der feindlichen
Nachbarvölker, hatte er nur mit der Feder gekämpft, im Streite der Parteien,
zur Ehre und zur geistigen und wirtschaftlichen Förderung seiner engeren
ungarischen Heimat. Er hat aber die Feder, als er sie mit dem Degen ver-
tauschte, nicht außer Dienst gestellt. Wenn das Schwert ruhte, griff er zu seiner
alten Waffe und schrieb dröhnende Verse für die Marschlieder seiner Kampfgenossen.

Jetzt, in der eingeschlossenen Festung, fiel ihm eine andere Aufgabe zu:
den Kameraden Geduld zu predigen. Wie das dem Dichter gelang, kündet die
nachfolgende Zwiesprache zwischen einem halb schon entmutigten Soldaten und
dem unverzagt hoffnungsfrohen Kameraden:

Im Festungslager
— Kalt ist's hier und eisig!
He, Rekrut, hol' Reisig.
Die Granate sei gelobt!
Warm hier unterkrauchen
Wollen wir und rauchen,
Bis der Russ' hat ausgetobt.

[Beginn Spaltensatz]
— Ewiger Nebel ballt sich!
Wann erst zeigt ein Spalt sich,
Koowatsch, o mein Kamerad?
— Das Gewölk durchschlitzen
Uns're Feldhaubitzen I
Schau' der Bomben Feuerpfud l
Tage, Wochen sinken
Ohne Sonnenblinken l
Weißt du noch von Sonnenglut?
— Freund, sie wird sich zeigen,
Frührotschimmernd steigen
Aus dem Meer von Russenblut I
— Wie in Lehm gebacken
Starren uns're Jacken,
Nichts von Farben ist zu seh'ni
Wenn wir ihn berennen,
Wird kein Feind erkennen,
Wo wir steh'n und vorwärts geh'ni
Horch I Des Friedenszaren
Raubmordtrunk'ne Scharen
Trommeln an der Festung Tor!
Latz sie nur beizeiten
Pochen I Wir bereiten
Lustige Willkommgrüße vor
[Spaltenumbruch]
— Wie so frech sie fragten,
Ob wir Hungers klagten
Und uns nicht ergäben bald
— Mögen sie verhungern,
Die da draußen lungern I
Uns gefällt's hier drinnen halt!
— Feldschrei der Tartarenl
Sturmlauf I — Den Husaren
Uns'rer Honveds tun sie's nach!
— Affen's nach! Die Tröpfe,
Holen blutige Köpfe,
Ihrem Wahn folgt Tod und Schmach!
— Jetzt ist Satan Paket
Teufel! Die Granate
Höhle in unserm Zelt ein Loch l
— Wenn ich bei mir hätte
Eine Zigarette,
Gab's zum Rauchen Feuer doch!
— Eine, will's dir schmecken,
Wird im Rucksack stecken,
Wenn sie nicht schon fraß die Maus.
— Bist du einst zur Jause
Gast in meinem Hause,
Such' dir 'ne Havanna aus!
[Ende Spaltensatz]

Dieser Galgenhumor verfehlte seine Wirkung nicht. Die Verse und viele
andere vor- und nachher gingen in Abschrift von Hand zu Hand. In Ungarn
doar der Name des Dichters schon bekannt, nun wurde er auch den Besatzungs-


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[0289] Der Dichterheld von Przemysl war zu den Waffen geeilt, wie alle wehrfähigen Männer Deutschlands und Österreich-Ungarns. In den Friedensjahren, vor dem Überfall der feindlichen Nachbarvölker, hatte er nur mit der Feder gekämpft, im Streite der Parteien, zur Ehre und zur geistigen und wirtschaftlichen Förderung seiner engeren ungarischen Heimat. Er hat aber die Feder, als er sie mit dem Degen ver- tauschte, nicht außer Dienst gestellt. Wenn das Schwert ruhte, griff er zu seiner alten Waffe und schrieb dröhnende Verse für die Marschlieder seiner Kampfgenossen. Jetzt, in der eingeschlossenen Festung, fiel ihm eine andere Aufgabe zu: den Kameraden Geduld zu predigen. Wie das dem Dichter gelang, kündet die nachfolgende Zwiesprache zwischen einem halb schon entmutigten Soldaten und dem unverzagt hoffnungsfrohen Kameraden: Im Festungslager — Kalt ist's hier und eisig! He, Rekrut, hol' Reisig. Die Granate sei gelobt! Warm hier unterkrauchen Wollen wir und rauchen, Bis der Russ' hat ausgetobt. — Ewiger Nebel ballt sich! Wann erst zeigt ein Spalt sich, Koowatsch, o mein Kamerad? — Das Gewölk durchschlitzen Uns're Feldhaubitzen I Schau' der Bomben Feuerpfud l Tage, Wochen sinken Ohne Sonnenblinken l Weißt du noch von Sonnenglut? — Freund, sie wird sich zeigen, Frührotschimmernd steigen Aus dem Meer von Russenblut I — Wie in Lehm gebacken Starren uns're Jacken, Nichts von Farben ist zu seh'ni Wenn wir ihn berennen, Wird kein Feind erkennen, Wo wir steh'n und vorwärts geh'ni Horch I Des Friedenszaren Raubmordtrunk'ne Scharen Trommeln an der Festung Tor! Latz sie nur beizeiten Pochen I Wir bereiten Lustige Willkommgrüße vor — Wie so frech sie fragten, Ob wir Hungers klagten Und uns nicht ergäben bald — Mögen sie verhungern, Die da draußen lungern I Uns gefällt's hier drinnen halt! — Feldschrei der Tartarenl Sturmlauf I — Den Husaren Uns'rer Honveds tun sie's nach! — Affen's nach! Die Tröpfe, Holen blutige Köpfe, Ihrem Wahn folgt Tod und Schmach! — Jetzt ist Satan Paket Teufel! Die Granate Höhle in unserm Zelt ein Loch l — Wenn ich bei mir hätte Eine Zigarette, Gab's zum Rauchen Feuer doch! — Eine, will's dir schmecken, Wird im Rucksack stecken, Wenn sie nicht schon fraß die Maus. — Bist du einst zur Jause Gast in meinem Hause, Such' dir 'ne Havanna aus! Dieser Galgenhumor verfehlte seine Wirkung nicht. Die Verse und viele andere vor- und nachher gingen in Abschrift von Hand zu Hand. In Ungarn doar der Name des Dichters schon bekannt, nun wurde er auch den Besatzungs-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/289>, abgerufen am 22.07.2024.