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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Rriegsliteratur

handeln würden." Eine Anzahl von Dampferlinien, die sich hauptsächlich mit
der Beförderung von Auswanderern beschäftigen, erhalten auch jetzt noch von
der Regierung nicht unbeträchtliche Subventionen. -- Als Ziele für die Aus¬
wanderung kommen hauptsächlich Nord- und Südamerika, Australien und
China in Betracht. Nordamerika ist der gelben Rasse seit der Gesetzgebung
von 1907 verschlossen, nachdem die Masseneinwanderung von Japanern aus
Hawai, von dessen Bewohner über fünfzig Prozent Japaner sind, in den West¬
staaten der Union zu Unzuträglichkeiten und Reibereien geführt hatte. Australien
schloß sich ebenfalls gegen die Bundesgenossen seines Mutterlandes ab, und so
bleibt nur der asiatische Kontinent, die Mandschurei und China, sowie Süd¬
amerika für eine japanische Einwanderung größeren Stils übrig. In den
"A. B. C.-Staaten" fand so gut wie gar keine Einwanderung statt; auch
Brasilien, wohin man den Einwandererstrom lenken zu können geglaubt hatte,
eignete sich nicht als Kolontsationslo.no. Die Staaten, in die eine Einwanderung
von Japanern erfolgen dürfte, sind vor allen wohl Peru und Bolivien, wo sie
als billige Arbeitskräfte zur Ausbeutung der noch ungehobener reichen Boden¬
schätze sehr nötig und gern gesehen sind. Ob eine Ansiedlung größeren Stils
auf dem asiatischen Festlande möglich sein wird, dürfte meiner Ansicht nach --
bei der großen Fruchtbarkeit der Chinesen -- zweifelhaft sein.

Die japanische Auswanderung ist bisher größtenteils eine periodische
gewesen. Die Auswanderer kehrten, wenn sie im Auslande genügend Geld
erworben hatten, ähnlich wie die Italiener, in die Heimat zurück, um dort das
ersparte Vermögen zu verzehren.

Mit Recht hebt Grünfeld hervor, daß es dem Japaner nirgends gelungen
ist, eine so geschlossene und hochstehende Kultur, wie die japanische es ist,
durchzusetzen, und er sieht in dieser merkwürdigen Tatsache den Beweis dafür,
"daß die japanische Kultur zu sehr an ihre Heimat gebunden ist, als daß sie
beim Zusammentreffen mit anderen Kulturelementen eine gleichberechtigte Stellung
zu erwerben vermöchte".




In Heft 9 der Sammlung "Zwischen Krieg und Frieden" (Verlag
S. Hirzel, Leipzig): "China und Japan" schildert M. von Brandt kurz die Ent¬
wicklung des Fernen Ostens, insbesondere den plötzlichen Aufschwung des japanischen
Jnselvolkes zur ersten Macht in Ostasien, während China weiter in seinem
jahrhundertelangen Schlaf verharrte, bis die Revolution in den letzten Jahren
die ersten Anzeichen von dem Erwachen des Millionenvolkes zu geben schien.
Vorläufig allerdings ist China noch sehr schwach, und deshalb besteht -- wie
der Verfasser mit Recht hervorhebt -- die große Gefahr, daß Japan die
Gelegenheit benutzt, sein Schäfchen auf dem asiatischen Festlande ins Trockene
zu bringen, während die übrigen in China interessierten Mächte durch den
Weltkrieg in Anspruch genommen sind. Dies hat es ja nun durch die Annahme
der im Januar dieses Jahres an China gestellten Forderungen größtenteils


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handeln würden." Eine Anzahl von Dampferlinien, die sich hauptsächlich mit
der Beförderung von Auswanderern beschäftigen, erhalten auch jetzt noch von
der Regierung nicht unbeträchtliche Subventionen. — Als Ziele für die Aus¬
wanderung kommen hauptsächlich Nord- und Südamerika, Australien und
China in Betracht. Nordamerika ist der gelben Rasse seit der Gesetzgebung
von 1907 verschlossen, nachdem die Masseneinwanderung von Japanern aus
Hawai, von dessen Bewohner über fünfzig Prozent Japaner sind, in den West¬
staaten der Union zu Unzuträglichkeiten und Reibereien geführt hatte. Australien
schloß sich ebenfalls gegen die Bundesgenossen seines Mutterlandes ab, und so
bleibt nur der asiatische Kontinent, die Mandschurei und China, sowie Süd¬
amerika für eine japanische Einwanderung größeren Stils übrig. In den
„A. B. C.-Staaten" fand so gut wie gar keine Einwanderung statt; auch
Brasilien, wohin man den Einwandererstrom lenken zu können geglaubt hatte,
eignete sich nicht als Kolontsationslo.no. Die Staaten, in die eine Einwanderung
von Japanern erfolgen dürfte, sind vor allen wohl Peru und Bolivien, wo sie
als billige Arbeitskräfte zur Ausbeutung der noch ungehobener reichen Boden¬
schätze sehr nötig und gern gesehen sind. Ob eine Ansiedlung größeren Stils
auf dem asiatischen Festlande möglich sein wird, dürfte meiner Ansicht nach —
bei der großen Fruchtbarkeit der Chinesen — zweifelhaft sein.

Die japanische Auswanderung ist bisher größtenteils eine periodische
gewesen. Die Auswanderer kehrten, wenn sie im Auslande genügend Geld
erworben hatten, ähnlich wie die Italiener, in die Heimat zurück, um dort das
ersparte Vermögen zu verzehren.

Mit Recht hebt Grünfeld hervor, daß es dem Japaner nirgends gelungen
ist, eine so geschlossene und hochstehende Kultur, wie die japanische es ist,
durchzusetzen, und er sieht in dieser merkwürdigen Tatsache den Beweis dafür,
„daß die japanische Kultur zu sehr an ihre Heimat gebunden ist, als daß sie
beim Zusammentreffen mit anderen Kulturelementen eine gleichberechtigte Stellung
zu erwerben vermöchte".




In Heft 9 der Sammlung „Zwischen Krieg und Frieden" (Verlag
S. Hirzel, Leipzig): „China und Japan" schildert M. von Brandt kurz die Ent¬
wicklung des Fernen Ostens, insbesondere den plötzlichen Aufschwung des japanischen
Jnselvolkes zur ersten Macht in Ostasien, während China weiter in seinem
jahrhundertelangen Schlaf verharrte, bis die Revolution in den letzten Jahren
die ersten Anzeichen von dem Erwachen des Millionenvolkes zu geben schien.
Vorläufig allerdings ist China noch sehr schwach, und deshalb besteht — wie
der Verfasser mit Recht hervorhebt — die große Gefahr, daß Japan die
Gelegenheit benutzt, sein Schäfchen auf dem asiatischen Festlande ins Trockene
zu bringen, während die übrigen in China interessierten Mächte durch den
Weltkrieg in Anspruch genommen sind. Dies hat es ja nun durch die Annahme
der im Januar dieses Jahres an China gestellten Forderungen größtenteils


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[0198] Rriegsliteratur handeln würden." Eine Anzahl von Dampferlinien, die sich hauptsächlich mit der Beförderung von Auswanderern beschäftigen, erhalten auch jetzt noch von der Regierung nicht unbeträchtliche Subventionen. — Als Ziele für die Aus¬ wanderung kommen hauptsächlich Nord- und Südamerika, Australien und China in Betracht. Nordamerika ist der gelben Rasse seit der Gesetzgebung von 1907 verschlossen, nachdem die Masseneinwanderung von Japanern aus Hawai, von dessen Bewohner über fünfzig Prozent Japaner sind, in den West¬ staaten der Union zu Unzuträglichkeiten und Reibereien geführt hatte. Australien schloß sich ebenfalls gegen die Bundesgenossen seines Mutterlandes ab, und so bleibt nur der asiatische Kontinent, die Mandschurei und China, sowie Süd¬ amerika für eine japanische Einwanderung größeren Stils übrig. In den „A. B. C.-Staaten" fand so gut wie gar keine Einwanderung statt; auch Brasilien, wohin man den Einwandererstrom lenken zu können geglaubt hatte, eignete sich nicht als Kolontsationslo.no. Die Staaten, in die eine Einwanderung von Japanern erfolgen dürfte, sind vor allen wohl Peru und Bolivien, wo sie als billige Arbeitskräfte zur Ausbeutung der noch ungehobener reichen Boden¬ schätze sehr nötig und gern gesehen sind. Ob eine Ansiedlung größeren Stils auf dem asiatischen Festlande möglich sein wird, dürfte meiner Ansicht nach — bei der großen Fruchtbarkeit der Chinesen — zweifelhaft sein. Die japanische Auswanderung ist bisher größtenteils eine periodische gewesen. Die Auswanderer kehrten, wenn sie im Auslande genügend Geld erworben hatten, ähnlich wie die Italiener, in die Heimat zurück, um dort das ersparte Vermögen zu verzehren. Mit Recht hebt Grünfeld hervor, daß es dem Japaner nirgends gelungen ist, eine so geschlossene und hochstehende Kultur, wie die japanische es ist, durchzusetzen, und er sieht in dieser merkwürdigen Tatsache den Beweis dafür, „daß die japanische Kultur zu sehr an ihre Heimat gebunden ist, als daß sie beim Zusammentreffen mit anderen Kulturelementen eine gleichberechtigte Stellung zu erwerben vermöchte". In Heft 9 der Sammlung „Zwischen Krieg und Frieden" (Verlag S. Hirzel, Leipzig): „China und Japan" schildert M. von Brandt kurz die Ent¬ wicklung des Fernen Ostens, insbesondere den plötzlichen Aufschwung des japanischen Jnselvolkes zur ersten Macht in Ostasien, während China weiter in seinem jahrhundertelangen Schlaf verharrte, bis die Revolution in den letzten Jahren die ersten Anzeichen von dem Erwachen des Millionenvolkes zu geben schien. Vorläufig allerdings ist China noch sehr schwach, und deshalb besteht — wie der Verfasser mit Recht hervorhebt — die große Gefahr, daß Japan die Gelegenheit benutzt, sein Schäfchen auf dem asiatischen Festlande ins Trockene zu bringen, während die übrigen in China interessierten Mächte durch den Weltkrieg in Anspruch genommen sind. Dies hat es ja nun durch die Annahme der im Januar dieses Jahres an China gestellten Forderungen größtenteils

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/198>, abgerufen am 23.07.2024.