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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Uriegsbeschädigtenfürsorge und Sozialversicherung

wenn der im Interesse der Versicherungsanstalten erforderliche Erfolg erzielt
werden soll.

Neben den Landesversicherungsanstalten und der Reichsoersicherungsanstalt
für Angestellte werden auch die Krankenkassen durch die Kriegswirkungen stark
belastet werden. Sie müssen zunächst für die Behandlung solcher Kriegs"
teilnehme! unter ihren Versicherten eintreten, die das Versichernngsverhältnis
während des Krieges freiwillig fortgesetzt haben und aus dem Militärdienst
krank entlassen werden. Eine weitere Belastung der Krankenkassen ergibt sich
ohne weiteres daraus, daß sehr viele der aus dem Kriege gesundheitlich ge¬
schwächt Heimkehrenden neuen oder wiederholten Krankheiten naturgemäß leichter
zugänglich sein werden. Man denke etwa an die große Zahl der Rheuma-
ttsmuskranken, die bei jeder stärkeren Erkältung erneut auf das Krankenlager ge¬
worfen werden, falls nicht durch eine längere Behandlung eine vollständige
Wiederherstellung erzielt wird. Die Krankenkassen haben selbstverständlich das
größte Interesse an einet raschen, gründlichen und dauernden Heilung aller
dieser bei ihnen Versicherten, auch wenn dadurch zunächst hohe Kosten entstehen,
damit ihre Lasten nicht später in das Unbegrenzte wachsen. Schließlich kommt
für die Krankenkassen auch noch die Beschaffung von Hilfsmitteln bei Ver¬
krüppelungen und Verunstaltungen in Frage, eine Aufgabe, die nach ß 187
der Reichsversicherungsordnung allerdings lediglich fakultativ ist. Es ist aber
zu hoffen und zu wünschen, daß recht viele leistungsfähige Anstalten von diesem
Rechte Gebrauch machen und ihre Satzung entsprechend erweitern und ergänzen;
denn es ist keine Frage, daß gerade diese Hilfe von unseren Kriegsverstümmelten
besonders freudig begrüßt und dankbar anerkannt werden wird.

Die Kriegsbeschädigtenfürsorge der Sozialversicherungsorgane erschöpft sich
nun aber ebensowenig wie die der Heeresverwaltung mit der einfachen Heil¬
behandlung. Wie die letztere sich bereit erklärt hat, nicht nur für tunlichste
Wiederherstellung der Verletzten Sorge zu tragen, sondern sie auch im Gebrauch
künstlicher Gliedmaßen zu unterweisen, ihnen bei der Berufsan- und umlernung
behilflich zu sein und sie schließlich einer geeigneten Erwerbstätigkeit und Lebens¬
stellung zuzuführen, so wollen auch die Organe der Invalidenversicherung und
die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte an der wirtschaftlichen Kriegs¬
beschädigtenfürsorge mitarbeiten. Bekanntlich sind zur wirksamen Durchführung
dieses Zweiges der Fürsorge in allen preußischen Provinzen und Bundesstaaten
Zweckorganisationen in Bildung begriffen, die alle in Frage kommenden Vereine
und Körperschaften umfassen werden. Ihre Arbeit soll sich auf Berufsberatung
der Kriegsbeschädigten in den Lazaretten, Förderung der An- und Umlernung für
ihren früheren oder für einen neuen Beruf sowie die Unterbringung der auf diese
Weise wieder berufsfähig gewordenen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erstrecken.
Da es sich bei der Berufsberatung und -umlernung um Maßnahmen handelt, die
bisher nicht in den Rahmen der von den Organen der Invaliden- und
Angestelltenverstcherung gewährten Heilverfahren fielen, so haben sowohl die


Uriegsbeschädigtenfürsorge und Sozialversicherung

wenn der im Interesse der Versicherungsanstalten erforderliche Erfolg erzielt
werden soll.

Neben den Landesversicherungsanstalten und der Reichsoersicherungsanstalt
für Angestellte werden auch die Krankenkassen durch die Kriegswirkungen stark
belastet werden. Sie müssen zunächst für die Behandlung solcher Kriegs»
teilnehme! unter ihren Versicherten eintreten, die das Versichernngsverhältnis
während des Krieges freiwillig fortgesetzt haben und aus dem Militärdienst
krank entlassen werden. Eine weitere Belastung der Krankenkassen ergibt sich
ohne weiteres daraus, daß sehr viele der aus dem Kriege gesundheitlich ge¬
schwächt Heimkehrenden neuen oder wiederholten Krankheiten naturgemäß leichter
zugänglich sein werden. Man denke etwa an die große Zahl der Rheuma-
ttsmuskranken, die bei jeder stärkeren Erkältung erneut auf das Krankenlager ge¬
worfen werden, falls nicht durch eine längere Behandlung eine vollständige
Wiederherstellung erzielt wird. Die Krankenkassen haben selbstverständlich das
größte Interesse an einet raschen, gründlichen und dauernden Heilung aller
dieser bei ihnen Versicherten, auch wenn dadurch zunächst hohe Kosten entstehen,
damit ihre Lasten nicht später in das Unbegrenzte wachsen. Schließlich kommt
für die Krankenkassen auch noch die Beschaffung von Hilfsmitteln bei Ver¬
krüppelungen und Verunstaltungen in Frage, eine Aufgabe, die nach ß 187
der Reichsversicherungsordnung allerdings lediglich fakultativ ist. Es ist aber
zu hoffen und zu wünschen, daß recht viele leistungsfähige Anstalten von diesem
Rechte Gebrauch machen und ihre Satzung entsprechend erweitern und ergänzen;
denn es ist keine Frage, daß gerade diese Hilfe von unseren Kriegsverstümmelten
besonders freudig begrüßt und dankbar anerkannt werden wird.

Die Kriegsbeschädigtenfürsorge der Sozialversicherungsorgane erschöpft sich
nun aber ebensowenig wie die der Heeresverwaltung mit der einfachen Heil¬
behandlung. Wie die letztere sich bereit erklärt hat, nicht nur für tunlichste
Wiederherstellung der Verletzten Sorge zu tragen, sondern sie auch im Gebrauch
künstlicher Gliedmaßen zu unterweisen, ihnen bei der Berufsan- und umlernung
behilflich zu sein und sie schließlich einer geeigneten Erwerbstätigkeit und Lebens¬
stellung zuzuführen, so wollen auch die Organe der Invalidenversicherung und
die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte an der wirtschaftlichen Kriegs¬
beschädigtenfürsorge mitarbeiten. Bekanntlich sind zur wirksamen Durchführung
dieses Zweiges der Fürsorge in allen preußischen Provinzen und Bundesstaaten
Zweckorganisationen in Bildung begriffen, die alle in Frage kommenden Vereine
und Körperschaften umfassen werden. Ihre Arbeit soll sich auf Berufsberatung
der Kriegsbeschädigten in den Lazaretten, Förderung der An- und Umlernung für
ihren früheren oder für einen neuen Beruf sowie die Unterbringung der auf diese
Weise wieder berufsfähig gewordenen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erstrecken.
Da es sich bei der Berufsberatung und -umlernung um Maßnahmen handelt, die
bisher nicht in den Rahmen der von den Organen der Invaliden- und
Angestelltenverstcherung gewährten Heilverfahren fielen, so haben sowohl die


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[0162] Uriegsbeschädigtenfürsorge und Sozialversicherung wenn der im Interesse der Versicherungsanstalten erforderliche Erfolg erzielt werden soll. Neben den Landesversicherungsanstalten und der Reichsoersicherungsanstalt für Angestellte werden auch die Krankenkassen durch die Kriegswirkungen stark belastet werden. Sie müssen zunächst für die Behandlung solcher Kriegs» teilnehme! unter ihren Versicherten eintreten, die das Versichernngsverhältnis während des Krieges freiwillig fortgesetzt haben und aus dem Militärdienst krank entlassen werden. Eine weitere Belastung der Krankenkassen ergibt sich ohne weiteres daraus, daß sehr viele der aus dem Kriege gesundheitlich ge¬ schwächt Heimkehrenden neuen oder wiederholten Krankheiten naturgemäß leichter zugänglich sein werden. Man denke etwa an die große Zahl der Rheuma- ttsmuskranken, die bei jeder stärkeren Erkältung erneut auf das Krankenlager ge¬ worfen werden, falls nicht durch eine längere Behandlung eine vollständige Wiederherstellung erzielt wird. Die Krankenkassen haben selbstverständlich das größte Interesse an einet raschen, gründlichen und dauernden Heilung aller dieser bei ihnen Versicherten, auch wenn dadurch zunächst hohe Kosten entstehen, damit ihre Lasten nicht später in das Unbegrenzte wachsen. Schließlich kommt für die Krankenkassen auch noch die Beschaffung von Hilfsmitteln bei Ver¬ krüppelungen und Verunstaltungen in Frage, eine Aufgabe, die nach ß 187 der Reichsversicherungsordnung allerdings lediglich fakultativ ist. Es ist aber zu hoffen und zu wünschen, daß recht viele leistungsfähige Anstalten von diesem Rechte Gebrauch machen und ihre Satzung entsprechend erweitern und ergänzen; denn es ist keine Frage, daß gerade diese Hilfe von unseren Kriegsverstümmelten besonders freudig begrüßt und dankbar anerkannt werden wird. Die Kriegsbeschädigtenfürsorge der Sozialversicherungsorgane erschöpft sich nun aber ebensowenig wie die der Heeresverwaltung mit der einfachen Heil¬ behandlung. Wie die letztere sich bereit erklärt hat, nicht nur für tunlichste Wiederherstellung der Verletzten Sorge zu tragen, sondern sie auch im Gebrauch künstlicher Gliedmaßen zu unterweisen, ihnen bei der Berufsan- und umlernung behilflich zu sein und sie schließlich einer geeigneten Erwerbstätigkeit und Lebens¬ stellung zuzuführen, so wollen auch die Organe der Invalidenversicherung und die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte an der wirtschaftlichen Kriegs¬ beschädigtenfürsorge mitarbeiten. Bekanntlich sind zur wirksamen Durchführung dieses Zweiges der Fürsorge in allen preußischen Provinzen und Bundesstaaten Zweckorganisationen in Bildung begriffen, die alle in Frage kommenden Vereine und Körperschaften umfassen werden. Ihre Arbeit soll sich auf Berufsberatung der Kriegsbeschädigten in den Lazaretten, Förderung der An- und Umlernung für ihren früheren oder für einen neuen Beruf sowie die Unterbringung der auf diese Weise wieder berufsfähig gewordenen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erstrecken. Da es sich bei der Berufsberatung und -umlernung um Maßnahmen handelt, die bisher nicht in den Rahmen der von den Organen der Invaliden- und Angestelltenverstcherung gewährten Heilverfahren fielen, so haben sowohl die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/162>, abgerufen am 01.07.2024.