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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Die Zukunft der Jugendpflege

Verständnis erfüllte, nimmer ermüdende Helfer und Förderer der Jugendpflege
sein, der durch Hergabe seiner Einrichtungen und Beseitigung vorhandener
lähmender Geldnot den zu selbstloser Betätigung drängenden sittlichen Kräften
freie Bahn schafft".

Aber selbst wenn wir jetzt, gedrängt von den Erfahrungen und Forderungen
unserer Zeit, die Verstaatlichung eines Teiles der Jugendpflege fordern, so
brauchen jene Befürchtungen deshalb nicht aufzuleben. Denn wohlgemerkt,
nur ein Teil der Jugendpflege, ja selbst nur ein Teil der körperlichen Jugend¬
pflege soll vom Staate auf feste Grundlagen und Bahnen gestellt werden,
nämlich die Erziehung zur Wehrtüchtigkeit. Nur die körperliche Jugendpflege,
soweit sie Erziehung zur Wehrtüchtigkeit leisten soll, soll aus dem Gesamt¬
arbeitsgebiet der Jugendpflege herausgehoben und vom Staate auf neue und
zwar allgemeingültige und für die Jugend und die Jugendleiter allgemein¬
verbindliche Grundlagen gestellt werden. Alle die vielgestaltigen Jugendpflege-
Veranstaltungen sollen im übrigen ihre volle individuelle Freiheit behalten; die
in ihnen wirkenden sittlich-erzieherischen Kräfte, vor allem die Freiwilligkeit der
Arbeit und die Selbsttätigkeit werden auch in Zukunft ungeschmälert ihre Wirkung
entfallen können.

Aber bei der Erziehung zur Wehrtüchtigkeit handelt es sich eben nicht
allein um eine allgemein-erzieherische Einwirkung auf die Jugend, wie bei der
Jugendpflege im allgemeinen. Diese allgemein-erzieherische Einwirkung läßt sich,
wie die Geschichte unserer Jugendpflege beweist, von den verschiedensten Grund¬
lagen aus und auf den verschiedensten Wegen erreichen. Hier handelt
es sich aber vielmehr um die Lösung einer ganz bestimmten, praktischen
Aufgabe, die das Volk und den Staat als Ganzes aufs stärkste praktisch
interessiert: die Wehrtüchtigkeit des kommenden Geschlechts. Bei der Wichtig¬
keit des zu erreichenden Erfolges ist es dringend wünschenswert, daß diesem
Ziele nicht von den verschiedensten Seiten zugestrebt wird, sondern es ist
nötig, daß das Ziel und die Wege, die zu ihm führen, einheitlich und klar
bestimmt und gezeigt werden und daß dieses Ziel und diese Wege allgemein¬
verbindlich für die ganze deutsche Jugend hingestellt werden.

Man kommt also um die staatliche und allgemeinverbindliche Organisation
der Erziehung zur Wehrtüchtigkeit, trotz jener geschilderten Bedenken und
Befürchtungen nicht herum. Es fragt sich aber nun, in welcher Weise diese
Organisation zu gestalten wäre. Man könnte zunächst an eine selbständige
Organisation dieses Zweiges der Jugendpflege denken, etwa in der Weise, daß
die Jugendkompagnien als staatliche Einrichtungen übernommen und der Eintritt
in sie für alle Jugendlichen in einem bestimmten Alter, etwa vom fünfzehnten
bis zwanzigsten Lebensjahre, verbindlich gemacht würde.

Abgesehen davon, daß diese Einrichtung, beispielsweise die Kontrolle über
die Beteiligung der in Betracht kommenden Jugendlichen, eine unverhältnismäßig
große Aufwendung von Kraft und Mühe kosten würde, so stellen sich ihr doch


Die Zukunft der Jugendpflege

Verständnis erfüllte, nimmer ermüdende Helfer und Förderer der Jugendpflege
sein, der durch Hergabe seiner Einrichtungen und Beseitigung vorhandener
lähmender Geldnot den zu selbstloser Betätigung drängenden sittlichen Kräften
freie Bahn schafft".

Aber selbst wenn wir jetzt, gedrängt von den Erfahrungen und Forderungen
unserer Zeit, die Verstaatlichung eines Teiles der Jugendpflege fordern, so
brauchen jene Befürchtungen deshalb nicht aufzuleben. Denn wohlgemerkt,
nur ein Teil der Jugendpflege, ja selbst nur ein Teil der körperlichen Jugend¬
pflege soll vom Staate auf feste Grundlagen und Bahnen gestellt werden,
nämlich die Erziehung zur Wehrtüchtigkeit. Nur die körperliche Jugendpflege,
soweit sie Erziehung zur Wehrtüchtigkeit leisten soll, soll aus dem Gesamt¬
arbeitsgebiet der Jugendpflege herausgehoben und vom Staate auf neue und
zwar allgemeingültige und für die Jugend und die Jugendleiter allgemein¬
verbindliche Grundlagen gestellt werden. Alle die vielgestaltigen Jugendpflege-
Veranstaltungen sollen im übrigen ihre volle individuelle Freiheit behalten; die
in ihnen wirkenden sittlich-erzieherischen Kräfte, vor allem die Freiwilligkeit der
Arbeit und die Selbsttätigkeit werden auch in Zukunft ungeschmälert ihre Wirkung
entfallen können.

Aber bei der Erziehung zur Wehrtüchtigkeit handelt es sich eben nicht
allein um eine allgemein-erzieherische Einwirkung auf die Jugend, wie bei der
Jugendpflege im allgemeinen. Diese allgemein-erzieherische Einwirkung läßt sich,
wie die Geschichte unserer Jugendpflege beweist, von den verschiedensten Grund¬
lagen aus und auf den verschiedensten Wegen erreichen. Hier handelt
es sich aber vielmehr um die Lösung einer ganz bestimmten, praktischen
Aufgabe, die das Volk und den Staat als Ganzes aufs stärkste praktisch
interessiert: die Wehrtüchtigkeit des kommenden Geschlechts. Bei der Wichtig¬
keit des zu erreichenden Erfolges ist es dringend wünschenswert, daß diesem
Ziele nicht von den verschiedensten Seiten zugestrebt wird, sondern es ist
nötig, daß das Ziel und die Wege, die zu ihm führen, einheitlich und klar
bestimmt und gezeigt werden und daß dieses Ziel und diese Wege allgemein¬
verbindlich für die ganze deutsche Jugend hingestellt werden.

Man kommt also um die staatliche und allgemeinverbindliche Organisation
der Erziehung zur Wehrtüchtigkeit, trotz jener geschilderten Bedenken und
Befürchtungen nicht herum. Es fragt sich aber nun, in welcher Weise diese
Organisation zu gestalten wäre. Man könnte zunächst an eine selbständige
Organisation dieses Zweiges der Jugendpflege denken, etwa in der Weise, daß
die Jugendkompagnien als staatliche Einrichtungen übernommen und der Eintritt
in sie für alle Jugendlichen in einem bestimmten Alter, etwa vom fünfzehnten
bis zwanzigsten Lebensjahre, verbindlich gemacht würde.

Abgesehen davon, daß diese Einrichtung, beispielsweise die Kontrolle über
die Beteiligung der in Betracht kommenden Jugendlichen, eine unverhältnismäßig
große Aufwendung von Kraft und Mühe kosten würde, so stellen sich ihr doch


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[0318] Die Zukunft der Jugendpflege Verständnis erfüllte, nimmer ermüdende Helfer und Förderer der Jugendpflege sein, der durch Hergabe seiner Einrichtungen und Beseitigung vorhandener lähmender Geldnot den zu selbstloser Betätigung drängenden sittlichen Kräften freie Bahn schafft". Aber selbst wenn wir jetzt, gedrängt von den Erfahrungen und Forderungen unserer Zeit, die Verstaatlichung eines Teiles der Jugendpflege fordern, so brauchen jene Befürchtungen deshalb nicht aufzuleben. Denn wohlgemerkt, nur ein Teil der Jugendpflege, ja selbst nur ein Teil der körperlichen Jugend¬ pflege soll vom Staate auf feste Grundlagen und Bahnen gestellt werden, nämlich die Erziehung zur Wehrtüchtigkeit. Nur die körperliche Jugendpflege, soweit sie Erziehung zur Wehrtüchtigkeit leisten soll, soll aus dem Gesamt¬ arbeitsgebiet der Jugendpflege herausgehoben und vom Staate auf neue und zwar allgemeingültige und für die Jugend und die Jugendleiter allgemein¬ verbindliche Grundlagen gestellt werden. Alle die vielgestaltigen Jugendpflege- Veranstaltungen sollen im übrigen ihre volle individuelle Freiheit behalten; die in ihnen wirkenden sittlich-erzieherischen Kräfte, vor allem die Freiwilligkeit der Arbeit und die Selbsttätigkeit werden auch in Zukunft ungeschmälert ihre Wirkung entfallen können. Aber bei der Erziehung zur Wehrtüchtigkeit handelt es sich eben nicht allein um eine allgemein-erzieherische Einwirkung auf die Jugend, wie bei der Jugendpflege im allgemeinen. Diese allgemein-erzieherische Einwirkung läßt sich, wie die Geschichte unserer Jugendpflege beweist, von den verschiedensten Grund¬ lagen aus und auf den verschiedensten Wegen erreichen. Hier handelt es sich aber vielmehr um die Lösung einer ganz bestimmten, praktischen Aufgabe, die das Volk und den Staat als Ganzes aufs stärkste praktisch interessiert: die Wehrtüchtigkeit des kommenden Geschlechts. Bei der Wichtig¬ keit des zu erreichenden Erfolges ist es dringend wünschenswert, daß diesem Ziele nicht von den verschiedensten Seiten zugestrebt wird, sondern es ist nötig, daß das Ziel und die Wege, die zu ihm führen, einheitlich und klar bestimmt und gezeigt werden und daß dieses Ziel und diese Wege allgemein¬ verbindlich für die ganze deutsche Jugend hingestellt werden. Man kommt also um die staatliche und allgemeinverbindliche Organisation der Erziehung zur Wehrtüchtigkeit, trotz jener geschilderten Bedenken und Befürchtungen nicht herum. Es fragt sich aber nun, in welcher Weise diese Organisation zu gestalten wäre. Man könnte zunächst an eine selbständige Organisation dieses Zweiges der Jugendpflege denken, etwa in der Weise, daß die Jugendkompagnien als staatliche Einrichtungen übernommen und der Eintritt in sie für alle Jugendlichen in einem bestimmten Alter, etwa vom fünfzehnten bis zwanzigsten Lebensjahre, verbindlich gemacht würde. Abgesehen davon, daß diese Einrichtung, beispielsweise die Kontrolle über die Beteiligung der in Betracht kommenden Jugendlichen, eine unverhältnismäßig große Aufwendung von Kraft und Mühe kosten würde, so stellen sich ihr doch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/318>, abgerufen am 24.08.2024.