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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Rriegsgetreide - Fürsorge

und Fach fort, das heißt sichert die bekanntlich an sich nicht lagerfeste deutsche
Getreideernte vollkommen. Die Erfahrung aber, zum Beispiel der Stadt Berlin
auf ihren Gütern, erweist die volle Verzinsbarkeit der Speicheranlagekosten bei
zweimaligem Umschlage allein aus der Ersparnis an Handarbeit bei der Be¬
arbeitung des erdroschenen Korns an einer Stelle, statt sonst an fünfundzwanzig.
Die Ersparnisse betrugen im Laufe von fünf beziehungsweise sieben Jahren noch¬
mals über 5 Mark die Tonne. Die Ernteficherung und die höhere Verwertungs¬
möglichkeit aber allein und ohne diese 10 Mark für die Tonne lassen solche
Anlagen als eine der besten Kapitalsanlagen in der Landwirtschaft erscheinen.

Was liegt also für ein Grund vor, nicht auch bei uns ein Verfahren
durchzuführen, welches Amerika aus anderen Verhältnissen heraus geboren hat,
und welches Rußland seit zehn Jahren auszudehnen sich mit Erfolg bemüht,
wie die Borg- und Getreidegeschäste mit England beweisen? Wir würden
dann freilich dazu kommen müssen, in ähnlicher Weise wie wir Gesamtarmen¬
verbände und andere mehr im Lande haben, auch Gesamternteverbände zu
schaffen. Zu beteiligen sind außer Staat, Gemeinde und Gut die getreidever¬
arbeitenden Industrien. Auf jedem Gute und in jeder Gemeinde wird sich
dann eine solche Riesendreschanlage befinden, die zu festem Lohnsatze möglichst
in der Ernte vom Felde fort den Ernteteil erdrischt, den jeder Getreidebauer
dem Ernteverbande abzuliefern hat. Für jede zweitausend Hektar Getreide¬
anbauland -- also in wirtschaftlicher Entfernung liegend (drei Ackerwagen oder
Feldbahn mit je dreißig bis vierzig Doppelzentner losem Getreide sind dem
gerade Dreschenden nur nötig, die drei Stunden Lieferzeit bedeuten) -- ist ein
derartiger, einen Teil der Ernteeinrichtung bildender Speicher zu errichten.
Dieser hat das Getreide in jedem, leicht und schnell genau festzustellenden
Feuchtigkeitsgrade abzunehmen und mit dem für diese Type (Hektolitergewicht u. a.)
geltenden Preise zu bezahlen. Die vielfach örtlich mögliche Verbindung mit
der verarbeitenden Industrie -- welche übrigens als Speichernebenbetrieb trotz
der Kleinheit des Betriebes ebenso billig arbeitet, wie der Spezialisierte Mühlen¬
riesenbetrieb -- sichert die angemessene Verwertung des Getreides und der Staat
wird sich soviel Einfluß darauf sichern können und müssen, um feine Zwecke
damit zu erreichen und ohne daß der Verzehrer -- der wie oben angeführt ja
auch einen mit den Jahrzehnten steigenden Anteil an dem Ödlandsanbau hat
-- mit ungebührlichen Brotpreisen belastet werden muß.




Rriegsgetreide - Fürsorge

und Fach fort, das heißt sichert die bekanntlich an sich nicht lagerfeste deutsche
Getreideernte vollkommen. Die Erfahrung aber, zum Beispiel der Stadt Berlin
auf ihren Gütern, erweist die volle Verzinsbarkeit der Speicheranlagekosten bei
zweimaligem Umschlage allein aus der Ersparnis an Handarbeit bei der Be¬
arbeitung des erdroschenen Korns an einer Stelle, statt sonst an fünfundzwanzig.
Die Ersparnisse betrugen im Laufe von fünf beziehungsweise sieben Jahren noch¬
mals über 5 Mark die Tonne. Die Ernteficherung und die höhere Verwertungs¬
möglichkeit aber allein und ohne diese 10 Mark für die Tonne lassen solche
Anlagen als eine der besten Kapitalsanlagen in der Landwirtschaft erscheinen.

Was liegt also für ein Grund vor, nicht auch bei uns ein Verfahren
durchzuführen, welches Amerika aus anderen Verhältnissen heraus geboren hat,
und welches Rußland seit zehn Jahren auszudehnen sich mit Erfolg bemüht,
wie die Borg- und Getreidegeschäste mit England beweisen? Wir würden
dann freilich dazu kommen müssen, in ähnlicher Weise wie wir Gesamtarmen¬
verbände und andere mehr im Lande haben, auch Gesamternteverbände zu
schaffen. Zu beteiligen sind außer Staat, Gemeinde und Gut die getreidever¬
arbeitenden Industrien. Auf jedem Gute und in jeder Gemeinde wird sich
dann eine solche Riesendreschanlage befinden, die zu festem Lohnsatze möglichst
in der Ernte vom Felde fort den Ernteteil erdrischt, den jeder Getreidebauer
dem Ernteverbande abzuliefern hat. Für jede zweitausend Hektar Getreide¬
anbauland — also in wirtschaftlicher Entfernung liegend (drei Ackerwagen oder
Feldbahn mit je dreißig bis vierzig Doppelzentner losem Getreide sind dem
gerade Dreschenden nur nötig, die drei Stunden Lieferzeit bedeuten) — ist ein
derartiger, einen Teil der Ernteeinrichtung bildender Speicher zu errichten.
Dieser hat das Getreide in jedem, leicht und schnell genau festzustellenden
Feuchtigkeitsgrade abzunehmen und mit dem für diese Type (Hektolitergewicht u. a.)
geltenden Preise zu bezahlen. Die vielfach örtlich mögliche Verbindung mit
der verarbeitenden Industrie — welche übrigens als Speichernebenbetrieb trotz
der Kleinheit des Betriebes ebenso billig arbeitet, wie der Spezialisierte Mühlen¬
riesenbetrieb — sichert die angemessene Verwertung des Getreides und der Staat
wird sich soviel Einfluß darauf sichern können und müssen, um feine Zwecke
damit zu erreichen und ohne daß der Verzehrer — der wie oben angeführt ja
auch einen mit den Jahrzehnten steigenden Anteil an dem Ödlandsanbau hat
— mit ungebührlichen Brotpreisen belastet werden muß.




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[0313] Rriegsgetreide - Fürsorge und Fach fort, das heißt sichert die bekanntlich an sich nicht lagerfeste deutsche Getreideernte vollkommen. Die Erfahrung aber, zum Beispiel der Stadt Berlin auf ihren Gütern, erweist die volle Verzinsbarkeit der Speicheranlagekosten bei zweimaligem Umschlage allein aus der Ersparnis an Handarbeit bei der Be¬ arbeitung des erdroschenen Korns an einer Stelle, statt sonst an fünfundzwanzig. Die Ersparnisse betrugen im Laufe von fünf beziehungsweise sieben Jahren noch¬ mals über 5 Mark die Tonne. Die Ernteficherung und die höhere Verwertungs¬ möglichkeit aber allein und ohne diese 10 Mark für die Tonne lassen solche Anlagen als eine der besten Kapitalsanlagen in der Landwirtschaft erscheinen. Was liegt also für ein Grund vor, nicht auch bei uns ein Verfahren durchzuführen, welches Amerika aus anderen Verhältnissen heraus geboren hat, und welches Rußland seit zehn Jahren auszudehnen sich mit Erfolg bemüht, wie die Borg- und Getreidegeschäste mit England beweisen? Wir würden dann freilich dazu kommen müssen, in ähnlicher Weise wie wir Gesamtarmen¬ verbände und andere mehr im Lande haben, auch Gesamternteverbände zu schaffen. Zu beteiligen sind außer Staat, Gemeinde und Gut die getreidever¬ arbeitenden Industrien. Auf jedem Gute und in jeder Gemeinde wird sich dann eine solche Riesendreschanlage befinden, die zu festem Lohnsatze möglichst in der Ernte vom Felde fort den Ernteteil erdrischt, den jeder Getreidebauer dem Ernteverbande abzuliefern hat. Für jede zweitausend Hektar Getreide¬ anbauland — also in wirtschaftlicher Entfernung liegend (drei Ackerwagen oder Feldbahn mit je dreißig bis vierzig Doppelzentner losem Getreide sind dem gerade Dreschenden nur nötig, die drei Stunden Lieferzeit bedeuten) — ist ein derartiger, einen Teil der Ernteeinrichtung bildender Speicher zu errichten. Dieser hat das Getreide in jedem, leicht und schnell genau festzustellenden Feuchtigkeitsgrade abzunehmen und mit dem für diese Type (Hektolitergewicht u. a.) geltenden Preise zu bezahlen. Die vielfach örtlich mögliche Verbindung mit der verarbeitenden Industrie — welche übrigens als Speichernebenbetrieb trotz der Kleinheit des Betriebes ebenso billig arbeitet, wie der Spezialisierte Mühlen¬ riesenbetrieb — sichert die angemessene Verwertung des Getreides und der Staat wird sich soviel Einfluß darauf sichern können und müssen, um feine Zwecke damit zu erreichen und ohne daß der Verzehrer — der wie oben angeführt ja auch einen mit den Jahrzehnten steigenden Anteil an dem Ödlandsanbau hat — mit ungebührlichen Brotpreisen belastet werden muß.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/313>, abgerufen am 22.07.2024.