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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Weltkrieg und Volkszahl

weise spielen andere Faktoren eine wichtige Rolle in dem ungeheuren Kampfe.
Aber immerhin ist die militärische Stärke und Leistungsfähigkeit eines Volkes
doch wesentlich durch die Volkszahl mit bedingt.

Das volkreiche Rußland verfügt nach Blume (Die Wehrkraft Deutschlands)
über ein Heer von 7668000 ausgebildeten Mannschaften in Kriegsstärke, wobei
die Gesamtheit seiner waffenfähigen Mannschaft nur in sehr geringem Grade
ausgenutzt ist, nämlich mit 4,2 Prozent der Bevölkerung. Wäre Rußland
in der Lage, die Gesamtmasse seiner Waffenfähigen militärisch voll zur Geltung
zu bringen, so wäre seine Macht tatsächlich für uns erdrückend. Es könnte,
wenn es denselben Prozentsatz der Bevölkerung wie Deutschland mobil zu
machen vermöchte, 15 Millionen ins Feld schicken.

Dagegen vermag Frankreich bei seiner seit Jahrzehnten fast stillstehenden
Bevölkerungszahl nur 4399000 ausgebildete Mannschaften aufzubringen, wobei
bereits 11,8 Prozent der gesamten Bevölkerung herangezogen sind, also die
äußerste Ausnutzung aller halbwegs brauchbaren Kräfte notwendig ist. Jedenfalls
ist Frankreich, nicht Deutschland, dasjenige Land, das den Militarismus weitaus
am stärksten ausgebildet hat.

England kann wegen seiner ganz anderen militärischen Verhältnisse zum
Vergleiche nicht herangezogen werden. Den Mangel eines, nach dem Maßstabe
der anderen Großmächte gemessen, ebenbürtigen Heeres, den sein Söldnersystem
mit sich bringt, sucht es durch seine Übermacht zur See auszugleichen, wie
durch Heranziehung von Kolonialtruppen. Was sein Anwerben von Freiwilligen
an Zahl und Tüchtigkeit zu erreichen vermag, läßt sich noch nicht übersehen.

Neben diesen Großmächten stellen Belgien, Serbien und Montenegro wohl
noch 600000 Mann ins Feld, von Japan ganz zu schweigen.

Demgegenüber vermag Deutschland mit 8 Prozent seiner Bevölkerung
5262000 ausgebildete Mannschaften zu stellen, neben denen es natürlich
eine weit größere Zahl noch auszubilden vermag, als Frankreich, das schon
3,8 Prozent mehr ausgebildet hat. Bei gleicher Ausnutzung seines Menschen¬
materials wie Frankreich (mit 11,8 Prozent), könnte Deutschland noch reichlich
2,5 Millionen Soldaten mehr aufbringen.

Österreich-Ungarn nützt seine Kräfte in viel geringerem Maße, nur mit
4,3 Prozent aus. und vermag dadurch 2243000 ausgebildete Mannschaften
zu stellen. Bei voller Heranziehung der nicht ausgebildeten, aber waffenfähigen
Männer würde sich diese Zahl ungeheuer steigern lassen, vielleicht um vier
Millionen.

Die Türkei endlich vermag ein Heer von 24000 Offizieren und 600000
Mann im Kriege zu stellen. Ausgebildete Mannschaften müssen aber vielmehr
vorhanden sein. (Aloys Veltzö: Internationaler Armeealmanach. 1913/14.).

Die jährlichen Aushebungsziffern, die sich (abgesehen von den letzten
Steigerungen) für Rußland auf 430000, Frankreich auf 225000, Deutschland
auf 270000, Österreich-Ungarn auf 133000 belaufen, gehen infolge der ver-


Weltkrieg und Volkszahl

weise spielen andere Faktoren eine wichtige Rolle in dem ungeheuren Kampfe.
Aber immerhin ist die militärische Stärke und Leistungsfähigkeit eines Volkes
doch wesentlich durch die Volkszahl mit bedingt.

Das volkreiche Rußland verfügt nach Blume (Die Wehrkraft Deutschlands)
über ein Heer von 7668000 ausgebildeten Mannschaften in Kriegsstärke, wobei
die Gesamtheit seiner waffenfähigen Mannschaft nur in sehr geringem Grade
ausgenutzt ist, nämlich mit 4,2 Prozent der Bevölkerung. Wäre Rußland
in der Lage, die Gesamtmasse seiner Waffenfähigen militärisch voll zur Geltung
zu bringen, so wäre seine Macht tatsächlich für uns erdrückend. Es könnte,
wenn es denselben Prozentsatz der Bevölkerung wie Deutschland mobil zu
machen vermöchte, 15 Millionen ins Feld schicken.

Dagegen vermag Frankreich bei seiner seit Jahrzehnten fast stillstehenden
Bevölkerungszahl nur 4399000 ausgebildete Mannschaften aufzubringen, wobei
bereits 11,8 Prozent der gesamten Bevölkerung herangezogen sind, also die
äußerste Ausnutzung aller halbwegs brauchbaren Kräfte notwendig ist. Jedenfalls
ist Frankreich, nicht Deutschland, dasjenige Land, das den Militarismus weitaus
am stärksten ausgebildet hat.

England kann wegen seiner ganz anderen militärischen Verhältnisse zum
Vergleiche nicht herangezogen werden. Den Mangel eines, nach dem Maßstabe
der anderen Großmächte gemessen, ebenbürtigen Heeres, den sein Söldnersystem
mit sich bringt, sucht es durch seine Übermacht zur See auszugleichen, wie
durch Heranziehung von Kolonialtruppen. Was sein Anwerben von Freiwilligen
an Zahl und Tüchtigkeit zu erreichen vermag, läßt sich noch nicht übersehen.

Neben diesen Großmächten stellen Belgien, Serbien und Montenegro wohl
noch 600000 Mann ins Feld, von Japan ganz zu schweigen.

Demgegenüber vermag Deutschland mit 8 Prozent seiner Bevölkerung
5262000 ausgebildete Mannschaften zu stellen, neben denen es natürlich
eine weit größere Zahl noch auszubilden vermag, als Frankreich, das schon
3,8 Prozent mehr ausgebildet hat. Bei gleicher Ausnutzung seines Menschen¬
materials wie Frankreich (mit 11,8 Prozent), könnte Deutschland noch reichlich
2,5 Millionen Soldaten mehr aufbringen.

Österreich-Ungarn nützt seine Kräfte in viel geringerem Maße, nur mit
4,3 Prozent aus. und vermag dadurch 2243000 ausgebildete Mannschaften
zu stellen. Bei voller Heranziehung der nicht ausgebildeten, aber waffenfähigen
Männer würde sich diese Zahl ungeheuer steigern lassen, vielleicht um vier
Millionen.

Die Türkei endlich vermag ein Heer von 24000 Offizieren und 600000
Mann im Kriege zu stellen. Ausgebildete Mannschaften müssen aber vielmehr
vorhanden sein. (Aloys Veltzö: Internationaler Armeealmanach. 1913/14.).

Die jährlichen Aushebungsziffern, die sich (abgesehen von den letzten
Steigerungen) für Rußland auf 430000, Frankreich auf 225000, Deutschland
auf 270000, Österreich-Ungarn auf 133000 belaufen, gehen infolge der ver-


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[0218] Weltkrieg und Volkszahl weise spielen andere Faktoren eine wichtige Rolle in dem ungeheuren Kampfe. Aber immerhin ist die militärische Stärke und Leistungsfähigkeit eines Volkes doch wesentlich durch die Volkszahl mit bedingt. Das volkreiche Rußland verfügt nach Blume (Die Wehrkraft Deutschlands) über ein Heer von 7668000 ausgebildeten Mannschaften in Kriegsstärke, wobei die Gesamtheit seiner waffenfähigen Mannschaft nur in sehr geringem Grade ausgenutzt ist, nämlich mit 4,2 Prozent der Bevölkerung. Wäre Rußland in der Lage, die Gesamtmasse seiner Waffenfähigen militärisch voll zur Geltung zu bringen, so wäre seine Macht tatsächlich für uns erdrückend. Es könnte, wenn es denselben Prozentsatz der Bevölkerung wie Deutschland mobil zu machen vermöchte, 15 Millionen ins Feld schicken. Dagegen vermag Frankreich bei seiner seit Jahrzehnten fast stillstehenden Bevölkerungszahl nur 4399000 ausgebildete Mannschaften aufzubringen, wobei bereits 11,8 Prozent der gesamten Bevölkerung herangezogen sind, also die äußerste Ausnutzung aller halbwegs brauchbaren Kräfte notwendig ist. Jedenfalls ist Frankreich, nicht Deutschland, dasjenige Land, das den Militarismus weitaus am stärksten ausgebildet hat. England kann wegen seiner ganz anderen militärischen Verhältnisse zum Vergleiche nicht herangezogen werden. Den Mangel eines, nach dem Maßstabe der anderen Großmächte gemessen, ebenbürtigen Heeres, den sein Söldnersystem mit sich bringt, sucht es durch seine Übermacht zur See auszugleichen, wie durch Heranziehung von Kolonialtruppen. Was sein Anwerben von Freiwilligen an Zahl und Tüchtigkeit zu erreichen vermag, läßt sich noch nicht übersehen. Neben diesen Großmächten stellen Belgien, Serbien und Montenegro wohl noch 600000 Mann ins Feld, von Japan ganz zu schweigen. Demgegenüber vermag Deutschland mit 8 Prozent seiner Bevölkerung 5262000 ausgebildete Mannschaften zu stellen, neben denen es natürlich eine weit größere Zahl noch auszubilden vermag, als Frankreich, das schon 3,8 Prozent mehr ausgebildet hat. Bei gleicher Ausnutzung seines Menschen¬ materials wie Frankreich (mit 11,8 Prozent), könnte Deutschland noch reichlich 2,5 Millionen Soldaten mehr aufbringen. Österreich-Ungarn nützt seine Kräfte in viel geringerem Maße, nur mit 4,3 Prozent aus. und vermag dadurch 2243000 ausgebildete Mannschaften zu stellen. Bei voller Heranziehung der nicht ausgebildeten, aber waffenfähigen Männer würde sich diese Zahl ungeheuer steigern lassen, vielleicht um vier Millionen. Die Türkei endlich vermag ein Heer von 24000 Offizieren und 600000 Mann im Kriege zu stellen. Ausgebildete Mannschaften müssen aber vielmehr vorhanden sein. (Aloys Veltzö: Internationaler Armeealmanach. 1913/14.). Die jährlichen Aushebungsziffern, die sich (abgesehen von den letzten Steigerungen) für Rußland auf 430000, Frankreich auf 225000, Deutschland auf 270000, Österreich-Ungarn auf 133000 belaufen, gehen infolge der ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/218>, abgerufen am 24.08.2024.