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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Deutsche Rriegsdichtung heut und vor hundert Jahren

Ansturm der Feinde abwehren und die Grenzen schützen, sind ein beliebtes Symbol
für dieses Einigkeitsgefühl zwischen Deutschland und Österreich, ebenso wie das
schon erwähnte Bild vom Bruderkampf Volkers und Hagens gegen die Hunnen.

Die eigentliche Kampflyrik findet 1813 ihren besten und bekanntesten Ver¬
treter in Theodor Körner. Seine aus der Glut des Gefühls heraus entstandenen
Kampfeshymnen leben noch heute und tauchen daher in einer ganzen Anzahl
heutiger Liedersammlungen wieder auf, zum Beispiel in der Sammlung "Soldaten¬
lieder", neu gedruckt im Kriegsjahr 1914 (Axel Juncker Verlag, Berlin-Charlotten-
burg, Orplidbücher, Band 11). Die Töne, die aus ihnen klingen, die Kampfes¬
freude und die Freiheitsbegeisterung, vor allem die Todesahnung, wirken noch
heute echt und stark. Aber im Vergleich zu ihnen erscheint uns die Kampfeslyrik
von heute viel reicher, reicher an Gestalten und reicher differenziert im Gefühls¬
gehalt. Es ist hier unmöglich, die große Anzahl älterer und jüngerer, bekannter
und bisher unbekannter Dichter aufzuzählen, die zu den Fahnen geeilt sind und so
Gelegenheit haben, unmittelbar unter dem Eindruck des Geschehens dichterisch zu
gestalten. Wir gedenken hier nur still einiger von denen, die gleich Körner dem
Vaterlande mit dem Leben zahlten: des Heidedichters Hermann Löns, der zu
unserer heutigen Kriegsdichtung einige der zartesten Lieder von Soldatenlust und
Soldatenlied im Volkston beigesteuert hat, des Österreichers Zuckermann, dessen
"Österreichisches Reiterlied" mit Volksliedkraft überallhin gedrungen ist*), und
endlich des jungen Ostpreußen Walter Heymann.

Noch aber klingt uns die Leyer Richard Dehmels, Rudolf Herzogs, Fritz
von Unruhs, des jungen begabten Holsteiners H. Friedrich Blunck und vieler
anderer. Ein Lied wie F. von Unruhs "An der Marne" zwingt unwillkürlich zum
Vergleich mit Körner, es liegt Körnerscher Rhythmus darin:

"Die Sonne steigt glühend aus Nebeln auf,
Kanonen donnern und krachen;
Wir springen auf unsere Gäule hinauf,
Mit dem Schwerte, dem Schwerte zu wachen.
Das liebliche Tal voller Morgenglanz
Empfängt unsere sehnenden Herzen:
Wir wollen den grünenden Siegerkranz
Bei rauchenden Schlachtenkerzen.
Und stellt sich der Tod von Feld zu Feld
Dem Stürmen und Drängen entgegen,
Und fällt von Scholle zu Scholle ein Held:
Wir schlürfen des Himmels Segen ..."

<"Der Heilige Krieg", Gedichte a. d. Beginn des Kampfes. Jena, Diederichs,
Seite 59 s.)

Bemerkenswert als ein unterscheidender Zug gegenüber der idealistischen
Gedankenlyrik Körners ist jedoch das innige Naturgefühl, das in dem angeführten



*) Vertonungen für eine Reihe solcher volkstümlicher Lieder oder Lieder im Vokston
(die erwähnten sind darunter) gibt unter anderen Eugen Diederichs Verlag in Jena heraus:
"Kriegslieder fürs deutsche Volk mit Noten" und "Kriegsflugblätter für eine Singstimme
mit Klavierbegleitung".
Deutsche Rriegsdichtung heut und vor hundert Jahren

Ansturm der Feinde abwehren und die Grenzen schützen, sind ein beliebtes Symbol
für dieses Einigkeitsgefühl zwischen Deutschland und Österreich, ebenso wie das
schon erwähnte Bild vom Bruderkampf Volkers und Hagens gegen die Hunnen.

Die eigentliche Kampflyrik findet 1813 ihren besten und bekanntesten Ver¬
treter in Theodor Körner. Seine aus der Glut des Gefühls heraus entstandenen
Kampfeshymnen leben noch heute und tauchen daher in einer ganzen Anzahl
heutiger Liedersammlungen wieder auf, zum Beispiel in der Sammlung „Soldaten¬
lieder", neu gedruckt im Kriegsjahr 1914 (Axel Juncker Verlag, Berlin-Charlotten-
burg, Orplidbücher, Band 11). Die Töne, die aus ihnen klingen, die Kampfes¬
freude und die Freiheitsbegeisterung, vor allem die Todesahnung, wirken noch
heute echt und stark. Aber im Vergleich zu ihnen erscheint uns die Kampfeslyrik
von heute viel reicher, reicher an Gestalten und reicher differenziert im Gefühls¬
gehalt. Es ist hier unmöglich, die große Anzahl älterer und jüngerer, bekannter
und bisher unbekannter Dichter aufzuzählen, die zu den Fahnen geeilt sind und so
Gelegenheit haben, unmittelbar unter dem Eindruck des Geschehens dichterisch zu
gestalten. Wir gedenken hier nur still einiger von denen, die gleich Körner dem
Vaterlande mit dem Leben zahlten: des Heidedichters Hermann Löns, der zu
unserer heutigen Kriegsdichtung einige der zartesten Lieder von Soldatenlust und
Soldatenlied im Volkston beigesteuert hat, des Österreichers Zuckermann, dessen
„Österreichisches Reiterlied" mit Volksliedkraft überallhin gedrungen ist*), und
endlich des jungen Ostpreußen Walter Heymann.

Noch aber klingt uns die Leyer Richard Dehmels, Rudolf Herzogs, Fritz
von Unruhs, des jungen begabten Holsteiners H. Friedrich Blunck und vieler
anderer. Ein Lied wie F. von Unruhs „An der Marne" zwingt unwillkürlich zum
Vergleich mit Körner, es liegt Körnerscher Rhythmus darin:

„Die Sonne steigt glühend aus Nebeln auf,
Kanonen donnern und krachen;
Wir springen auf unsere Gäule hinauf,
Mit dem Schwerte, dem Schwerte zu wachen.
Das liebliche Tal voller Morgenglanz
Empfängt unsere sehnenden Herzen:
Wir wollen den grünenden Siegerkranz
Bei rauchenden Schlachtenkerzen.
Und stellt sich der Tod von Feld zu Feld
Dem Stürmen und Drängen entgegen,
Und fällt von Scholle zu Scholle ein Held:
Wir schlürfen des Himmels Segen ..."

<„Der Heilige Krieg", Gedichte a. d. Beginn des Kampfes. Jena, Diederichs,
Seite 59 s.)

Bemerkenswert als ein unterscheidender Zug gegenüber der idealistischen
Gedankenlyrik Körners ist jedoch das innige Naturgefühl, das in dem angeführten



*) Vertonungen für eine Reihe solcher volkstümlicher Lieder oder Lieder im Vokston
(die erwähnten sind darunter) gibt unter anderen Eugen Diederichs Verlag in Jena heraus:
„Kriegslieder fürs deutsche Volk mit Noten" und „Kriegsflugblätter für eine Singstimme
mit Klavierbegleitung".
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[0197] Deutsche Rriegsdichtung heut und vor hundert Jahren Ansturm der Feinde abwehren und die Grenzen schützen, sind ein beliebtes Symbol für dieses Einigkeitsgefühl zwischen Deutschland und Österreich, ebenso wie das schon erwähnte Bild vom Bruderkampf Volkers und Hagens gegen die Hunnen. Die eigentliche Kampflyrik findet 1813 ihren besten und bekanntesten Ver¬ treter in Theodor Körner. Seine aus der Glut des Gefühls heraus entstandenen Kampfeshymnen leben noch heute und tauchen daher in einer ganzen Anzahl heutiger Liedersammlungen wieder auf, zum Beispiel in der Sammlung „Soldaten¬ lieder", neu gedruckt im Kriegsjahr 1914 (Axel Juncker Verlag, Berlin-Charlotten- burg, Orplidbücher, Band 11). Die Töne, die aus ihnen klingen, die Kampfes¬ freude und die Freiheitsbegeisterung, vor allem die Todesahnung, wirken noch heute echt und stark. Aber im Vergleich zu ihnen erscheint uns die Kampfeslyrik von heute viel reicher, reicher an Gestalten und reicher differenziert im Gefühls¬ gehalt. Es ist hier unmöglich, die große Anzahl älterer und jüngerer, bekannter und bisher unbekannter Dichter aufzuzählen, die zu den Fahnen geeilt sind und so Gelegenheit haben, unmittelbar unter dem Eindruck des Geschehens dichterisch zu gestalten. Wir gedenken hier nur still einiger von denen, die gleich Körner dem Vaterlande mit dem Leben zahlten: des Heidedichters Hermann Löns, der zu unserer heutigen Kriegsdichtung einige der zartesten Lieder von Soldatenlust und Soldatenlied im Volkston beigesteuert hat, des Österreichers Zuckermann, dessen „Österreichisches Reiterlied" mit Volksliedkraft überallhin gedrungen ist*), und endlich des jungen Ostpreußen Walter Heymann. Noch aber klingt uns die Leyer Richard Dehmels, Rudolf Herzogs, Fritz von Unruhs, des jungen begabten Holsteiners H. Friedrich Blunck und vieler anderer. Ein Lied wie F. von Unruhs „An der Marne" zwingt unwillkürlich zum Vergleich mit Körner, es liegt Körnerscher Rhythmus darin: „Die Sonne steigt glühend aus Nebeln auf, Kanonen donnern und krachen; Wir springen auf unsere Gäule hinauf, Mit dem Schwerte, dem Schwerte zu wachen. Das liebliche Tal voller Morgenglanz Empfängt unsere sehnenden Herzen: Wir wollen den grünenden Siegerkranz Bei rauchenden Schlachtenkerzen. Und stellt sich der Tod von Feld zu Feld Dem Stürmen und Drängen entgegen, Und fällt von Scholle zu Scholle ein Held: Wir schlürfen des Himmels Segen ..." <„Der Heilige Krieg", Gedichte a. d. Beginn des Kampfes. Jena, Diederichs, Seite 59 s.) Bemerkenswert als ein unterscheidender Zug gegenüber der idealistischen Gedankenlyrik Körners ist jedoch das innige Naturgefühl, das in dem angeführten *) Vertonungen für eine Reihe solcher volkstümlicher Lieder oder Lieder im Vokston (die erwähnten sind darunter) gibt unter anderen Eugen Diederichs Verlag in Jena heraus: „Kriegslieder fürs deutsche Volk mit Noten" und „Kriegsflugblätter für eine Singstimme mit Klavierbegleitung".

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/197>, abgerufen am 22.07.2024.