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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Deutsche Kriegsdichtung heut und vor hundert Jahren

Das Bewußtsein und die Zuversicht göttlicher Hilfe in diesem Kampfe um
das Recht, für das deutsche Wesen bildet in der Kriegsdichtung von heute einen
ebenso starken, wenn nicht noch stärkeren Klang als in der vor hundert Jahren.

Auf dem Bewußtsein des guten Rechts und der Gotteszuversicht baut sich
dann die freudige Entschlossenheit zum Kampf und die feste Siegeszuversicht auf.
Für die deutschen Dichter ist ein Zweifel am glücklichen Ausgang des Kampfes,
an der Kraft des Vaterlandes nicht möglich.

sagt Alfred Kerr.

Es scheint so, als ob diese zweifelfreie, unbekümmerte, fast selbstverständliche
Gewißheit und Zuversicht auf die Stärke und den Erfolg des Vaterlandes in
Österreich nicht in demselben Maße vorhanden ist oder bei Ausbruch des Krieges
war wie bei uns. Die Österreicher haben anscheinend eine derartige Wiedergeburt,
eine derartige Einigung ihres vielzerklüfteten Vaterlandes, wie sie unter dem
Drucke der Not tatsächlich stattgefunden hat, selbst nicht erhofft. Richard Schaukal
ruft in den "Ehernen Sonetten" den "Nörglern" zu:

Und Hermann Kienzl schildert in der Sammlung "Auf bebender Erde" jene
Einigung und Wiedergeburt unter dem Druck der Not:

"O, du mein Österreich! Nach flotten Weisen
Im Walzertakt, wie rittest du so heiter,
Längst im histor'schen Alter eines Greisen,
Triebst du die Spiele deiner Jugend weiter;
Zum Ernste fehlte dir der ernste Leiter.
Doch Eisen bricht die Not, wie Not bricht Eisen!
Jetzt kam der Führer . . . ."


Erst allmählich bricht die Freude, das Glück über diese Wiedergeburt durch.
Da jubelt Schaukal, der in diesen österreichischen Liedern (Kriegslieder aus Öster¬
reich 1914. Erstes Heft. München 1914 bei Georg Müller) sein Bestes ge-
leistet hat:

"Hast du dich endlich deiner Kraft besonnen,
mein altes, oft gescholtenes Österreich?
In deinen Adern strömen frische Bronnen,
verjüngt bist du dir selber wieder gleich.
Das ist das Österreich der großen Zeiten,
nach dem wir uns in Träumen oft gesehnt ..."

Und dieses Einheitsgefühl schafft dann auch in Osterreich Kraftgefühl und
Siegeszuversicht, den Willen zum Kampf bis aufs äußerste, es greift sogar hinüber
bis zu dem deutschen Blutsbruder im Reich. Die beiden Adler, die vereint den


Deutsche Kriegsdichtung heut und vor hundert Jahren

Das Bewußtsein und die Zuversicht göttlicher Hilfe in diesem Kampfe um
das Recht, für das deutsche Wesen bildet in der Kriegsdichtung von heute einen
ebenso starken, wenn nicht noch stärkeren Klang als in der vor hundert Jahren.

Auf dem Bewußtsein des guten Rechts und der Gotteszuversicht baut sich
dann die freudige Entschlossenheit zum Kampf und die feste Siegeszuversicht auf.
Für die deutschen Dichter ist ein Zweifel am glücklichen Ausgang des Kampfes,
an der Kraft des Vaterlandes nicht möglich.

sagt Alfred Kerr.

Es scheint so, als ob diese zweifelfreie, unbekümmerte, fast selbstverständliche
Gewißheit und Zuversicht auf die Stärke und den Erfolg des Vaterlandes in
Österreich nicht in demselben Maße vorhanden ist oder bei Ausbruch des Krieges
war wie bei uns. Die Österreicher haben anscheinend eine derartige Wiedergeburt,
eine derartige Einigung ihres vielzerklüfteten Vaterlandes, wie sie unter dem
Drucke der Not tatsächlich stattgefunden hat, selbst nicht erhofft. Richard Schaukal
ruft in den „Ehernen Sonetten" den „Nörglern" zu:

Und Hermann Kienzl schildert in der Sammlung „Auf bebender Erde" jene
Einigung und Wiedergeburt unter dem Druck der Not:

„O, du mein Österreich! Nach flotten Weisen
Im Walzertakt, wie rittest du so heiter,
Längst im histor'schen Alter eines Greisen,
Triebst du die Spiele deiner Jugend weiter;
Zum Ernste fehlte dir der ernste Leiter.
Doch Eisen bricht die Not, wie Not bricht Eisen!
Jetzt kam der Führer . . . ."


Erst allmählich bricht die Freude, das Glück über diese Wiedergeburt durch.
Da jubelt Schaukal, der in diesen österreichischen Liedern (Kriegslieder aus Öster¬
reich 1914. Erstes Heft. München 1914 bei Georg Müller) sein Bestes ge-
leistet hat:

„Hast du dich endlich deiner Kraft besonnen,
mein altes, oft gescholtenes Österreich?
In deinen Adern strömen frische Bronnen,
verjüngt bist du dir selber wieder gleich.
Das ist das Österreich der großen Zeiten,
nach dem wir uns in Träumen oft gesehnt ..."

Und dieses Einheitsgefühl schafft dann auch in Osterreich Kraftgefühl und
Siegeszuversicht, den Willen zum Kampf bis aufs äußerste, es greift sogar hinüber
bis zu dem deutschen Blutsbruder im Reich. Die beiden Adler, die vereint den


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[0196] Deutsche Kriegsdichtung heut und vor hundert Jahren Das Bewußtsein und die Zuversicht göttlicher Hilfe in diesem Kampfe um das Recht, für das deutsche Wesen bildet in der Kriegsdichtung von heute einen ebenso starken, wenn nicht noch stärkeren Klang als in der vor hundert Jahren. Auf dem Bewußtsein des guten Rechts und der Gotteszuversicht baut sich dann die freudige Entschlossenheit zum Kampf und die feste Siegeszuversicht auf. Für die deutschen Dichter ist ein Zweifel am glücklichen Ausgang des Kampfes, an der Kraft des Vaterlandes nicht möglich. sagt Alfred Kerr. Es scheint so, als ob diese zweifelfreie, unbekümmerte, fast selbstverständliche Gewißheit und Zuversicht auf die Stärke und den Erfolg des Vaterlandes in Österreich nicht in demselben Maße vorhanden ist oder bei Ausbruch des Krieges war wie bei uns. Die Österreicher haben anscheinend eine derartige Wiedergeburt, eine derartige Einigung ihres vielzerklüfteten Vaterlandes, wie sie unter dem Drucke der Not tatsächlich stattgefunden hat, selbst nicht erhofft. Richard Schaukal ruft in den „Ehernen Sonetten" den „Nörglern" zu: Und Hermann Kienzl schildert in der Sammlung „Auf bebender Erde" jene Einigung und Wiedergeburt unter dem Druck der Not: „O, du mein Österreich! Nach flotten Weisen Im Walzertakt, wie rittest du so heiter, Längst im histor'schen Alter eines Greisen, Triebst du die Spiele deiner Jugend weiter; Zum Ernste fehlte dir der ernste Leiter. Doch Eisen bricht die Not, wie Not bricht Eisen! Jetzt kam der Führer . . . ." Erst allmählich bricht die Freude, das Glück über diese Wiedergeburt durch. Da jubelt Schaukal, der in diesen österreichischen Liedern (Kriegslieder aus Öster¬ reich 1914. Erstes Heft. München 1914 bei Georg Müller) sein Bestes ge- leistet hat: „Hast du dich endlich deiner Kraft besonnen, mein altes, oft gescholtenes Österreich? In deinen Adern strömen frische Bronnen, verjüngt bist du dir selber wieder gleich. Das ist das Österreich der großen Zeiten, nach dem wir uns in Träumen oft gesehnt ..." Und dieses Einheitsgefühl schafft dann auch in Osterreich Kraftgefühl und Siegeszuversicht, den Willen zum Kampf bis aufs äußerste, es greift sogar hinüber bis zu dem deutschen Blutsbruder im Reich. Die beiden Adler, die vereint den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/196>, abgerufen am 22.07.2024.