Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.Zur neueren Goethe-Literatur or.Berend kann als gewissenhafteAnwendung sozusagen fertigen Materials anerkannt Wie dem auch sei, gute, gewissenhafte Ausgaben des Goethescher Briefwechsels *) Nach Abschluß dieses Berichts geht uns der erste Band des Jahrbuchs der Goeihe-
Gesellschaft, das von Hans Gerhard Graf im Austrage des Vorstandes herausgegeben wird, zu. (In Konnnission beim Inselverlag in Leipzig, 191S.) Wir werden später auf dies Unter¬ nehmen zurückkommen. Zur neueren Goethe-Literatur or.Berend kann als gewissenhafteAnwendung sozusagen fertigen Materials anerkannt Wie dem auch sei, gute, gewissenhafte Ausgaben des Goethescher Briefwechsels *) Nach Abschluß dieses Berichts geht uns der erste Band des Jahrbuchs der Goeihe-
Gesellschaft, das von Hans Gerhard Graf im Austrage des Vorstandes herausgegeben wird, zu. (In Konnnission beim Inselverlag in Leipzig, 191S.) Wir werden später auf dies Unter¬ nehmen zurückkommen. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0137" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/323234"/> <fw type="header" place="top"> Zur neueren Goethe-Literatur</fw><lb/> <p xml:id="ID_380" prev="#ID_379"> or.Berend kann als gewissenhafteAnwendung sozusagen fertigen Materials anerkannt<lb/> werden, da dasselbe nicht allein in der Weimarer Ausgabe, sondern wenigstens zum<lb/> größten Teil von Morris im „Jungen Goethe" aufs beste durchgearbeitet wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_381"> Wie dem auch sei, gute, gewissenhafte Ausgaben des Goethescher Briefwechsels<lb/> werden immer Zuspruch haben, was mir weniger sicher zu scheint für die Art von<lb/> Veröffentlichungen, wie sie uns von Heinz Amelung und von Theodor Schauffler<lb/> vorliegen. Amelung hat im Anschluß an die Georg Müllersche Propyläen«<lb/> aufgäbe von Goethes Werken, sozusagen eine Rundfrage unter Goethes Zeit¬<lb/> genossen vorgenommen. („Goethe als Persönlichkeit." Berichte und<lb/> Briefe von Zeitgenossen, gesammelt von Heinz Amelung. I.Band, 1749<lb/> bis 1797. Georg Müller 1914. 400 Seiten.) Die Durchführung der Samm¬<lb/> lung von Äußerungen über Goethe ist zu loben. Neben manch unbedeutendem<lb/> Wort, neben vielen allbekannten Schriftstücken sind bisher schwer zugängliche und<lb/> interessante Aussprüche nicht allzuselten, um nur auf Seite 64, 131, 134, 365, 367<lb/> hinzuweisen. Mehr als Amelung ist Schauffler in seinem Buch („ Goethe s Leben<lb/> Leisten und Leiden." Karl Winter, Heidelberg. Preis 4,80 Mark) auf eine<lb/> zitatenmäßige, Register- und Schlagwortanwendung eingerichtet. Solche Bücher<lb/> können zu einer rein äußerlichen Anwendung des poetischen Gutes verleiten.<lb/> Ihre Gefahr als technische Hilfsmittel der Forschung liegt darin, daß sie die<lb/> für jeden Zweck nötige Belegsammlung fertig, losgelöst vom Zusammenhang,,<lb/> bieten. Der Benutzer könnte sich verleiten lassen, den förderlichsten Teil der Arbeit,<lb/> das Lesen im ganzen, die geruhige Aufnahme des ganzen dichterischen Lebenswerkes,<lb/> zu sparen und die Folge ist die Amerikanisierung, die so beklagenswerte, schon<lb/> weit vorgeschrittene Verindustriealisierung — das schöne Wort ist dem Begriff<lb/> ebenbürtig — der Literaturwissenschaft. Von hier aus ist der Schritt zur rein<lb/> gewerbsmäßigen Herstellung des Buches als Ware oft nicht mehr groß. In<lb/> diesem Zeichen steht der Faustabdruck des Einhorn-Verlages in Dachau.<lb/> (Preis 20 Mark.) Den Faust in würdiger äußerer Form erscheinen zu lassen,<lb/> in Einband, Druck, Illustration etwas des Werkes Würdiges und für unseren<lb/> zeitgenössischen Geschmack Bezeichnendes zu schaffen, war offenbar das lobens¬<lb/> werte Bestreben. Das Ziel ist nun in vielem verfehlt; es ist ein unruhiges,<lb/> üppiges, schwüles Ding, dies Faustbuch, das nur zu sehr an Schwabing er¬<lb/> innert. Am Ganzen sind überhaupt nur die Holzschnitte von Walther Klemm<lb/> ernst zu nehmen. Sein Titelbild, das Vorspiel auf dem Theater, Gretchen vor<lb/> dem Münster (Mein schönes Fräulein) sind Blätter von. packender Größe und<lb/> Freiheit der Darstellung, die hoffentlich aus dem jetzigen Zustand des genialen<lb/> Versuchs fortschreitend zu einer vollen, reifen Ausgestaltung einer neuen Faust--<lb/> illustration gelangen werden").</p><lb/> <note xml:id="FID_10" place="foot"> *) Nach Abschluß dieses Berichts geht uns der erste Band des Jahrbuchs der Goeihe-<lb/> Gesellschaft, das von Hans Gerhard Graf im Austrage des Vorstandes herausgegeben wird,<lb/> zu. (In Konnnission beim Inselverlag in Leipzig, 191S.) Wir werden später auf dies Unter¬<lb/> nehmen zurückkommen.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0137]
Zur neueren Goethe-Literatur
or.Berend kann als gewissenhafteAnwendung sozusagen fertigen Materials anerkannt
werden, da dasselbe nicht allein in der Weimarer Ausgabe, sondern wenigstens zum
größten Teil von Morris im „Jungen Goethe" aufs beste durchgearbeitet wurde.
Wie dem auch sei, gute, gewissenhafte Ausgaben des Goethescher Briefwechsels
werden immer Zuspruch haben, was mir weniger sicher zu scheint für die Art von
Veröffentlichungen, wie sie uns von Heinz Amelung und von Theodor Schauffler
vorliegen. Amelung hat im Anschluß an die Georg Müllersche Propyläen«
aufgäbe von Goethes Werken, sozusagen eine Rundfrage unter Goethes Zeit¬
genossen vorgenommen. („Goethe als Persönlichkeit." Berichte und
Briefe von Zeitgenossen, gesammelt von Heinz Amelung. I.Band, 1749
bis 1797. Georg Müller 1914. 400 Seiten.) Die Durchführung der Samm¬
lung von Äußerungen über Goethe ist zu loben. Neben manch unbedeutendem
Wort, neben vielen allbekannten Schriftstücken sind bisher schwer zugängliche und
interessante Aussprüche nicht allzuselten, um nur auf Seite 64, 131, 134, 365, 367
hinzuweisen. Mehr als Amelung ist Schauffler in seinem Buch („ Goethe s Leben
Leisten und Leiden." Karl Winter, Heidelberg. Preis 4,80 Mark) auf eine
zitatenmäßige, Register- und Schlagwortanwendung eingerichtet. Solche Bücher
können zu einer rein äußerlichen Anwendung des poetischen Gutes verleiten.
Ihre Gefahr als technische Hilfsmittel der Forschung liegt darin, daß sie die
für jeden Zweck nötige Belegsammlung fertig, losgelöst vom Zusammenhang,,
bieten. Der Benutzer könnte sich verleiten lassen, den förderlichsten Teil der Arbeit,
das Lesen im ganzen, die geruhige Aufnahme des ganzen dichterischen Lebenswerkes,
zu sparen und die Folge ist die Amerikanisierung, die so beklagenswerte, schon
weit vorgeschrittene Verindustriealisierung — das schöne Wort ist dem Begriff
ebenbürtig — der Literaturwissenschaft. Von hier aus ist der Schritt zur rein
gewerbsmäßigen Herstellung des Buches als Ware oft nicht mehr groß. In
diesem Zeichen steht der Faustabdruck des Einhorn-Verlages in Dachau.
(Preis 20 Mark.) Den Faust in würdiger äußerer Form erscheinen zu lassen,
in Einband, Druck, Illustration etwas des Werkes Würdiges und für unseren
zeitgenössischen Geschmack Bezeichnendes zu schaffen, war offenbar das lobens¬
werte Bestreben. Das Ziel ist nun in vielem verfehlt; es ist ein unruhiges,
üppiges, schwüles Ding, dies Faustbuch, das nur zu sehr an Schwabing er¬
innert. Am Ganzen sind überhaupt nur die Holzschnitte von Walther Klemm
ernst zu nehmen. Sein Titelbild, das Vorspiel auf dem Theater, Gretchen vor
dem Münster (Mein schönes Fräulein) sind Blätter von. packender Größe und
Freiheit der Darstellung, die hoffentlich aus dem jetzigen Zustand des genialen
Versuchs fortschreitend zu einer vollen, reifen Ausgestaltung einer neuen Faust--
illustration gelangen werden").
*) Nach Abschluß dieses Berichts geht uns der erste Band des Jahrbuchs der Goeihe-
Gesellschaft, das von Hans Gerhard Graf im Austrage des Vorstandes herausgegeben wird,
zu. (In Konnnission beim Inselverlag in Leipzig, 191S.) Wir werden später auf dies Unter¬
nehmen zurückkommen.
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