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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Das englische Kapital im Auslande

rungen allgemeiner Natur, die, gleich den Endergebnissen, zu denen Mr. Paish
gelangt, auch in außerbritischen Kreisen Anspruch auf Beachtung erheben dürften.

Die Gesamtsumme des Kapitals, das England anderen Völkern zur Ver¬
fügung gestellt hat, wird danach auf rund 3200 Millionen Pfund Sterling
geschätzt, wozu noch das im Auslande untergebrachte englische Privatkapital in
ungefährer Höhe von 300 Millionen Pfund Sterling kommt, so daß die Gesamt¬
verschuldung des Auslandes an England auf 3500 Millionen Pfund Sterling
zu veranschlagen ist. Das Einkommen, das England aus dem Besitze fremd-
ländischer Renten- und Aktienwerte bezieht, beziffert sich auf 166 Millionen
Pfund Sterling jährlich, ein Betrag, der mehr als ausreichend ist, um das
Passionen der englischen Handelsbilanz wett zu machen.

Darin liegt jedoch noch nicht die ganze wirtschaftspolitische Bedeutung des
englischen Kapitalguthabens im Auslande; die englischen Kapitalanlagen im
Auslande haben vielmehr zur Förderung des Absatzes englischer Erzeugnisse im
Auslande wesentlich beigetragen und tragen weiterhin dazu bei. England wird
durch die Zinsenbezüge aus dem Auslande in die Lage versetzt, einen großen
Teil seiner Nahrungsmittel- und Rohstoffeinfuhr damit zu bezahlen, und schließlich
trägt das englische Kapital in nicht geringem Maße zur Förderung der wirt¬
schaftlichen Entwicklung vieler fremder Gebiete bei, deren Kaufkraft und Auf¬
nahmefähigkeit für englische Jndustrieerzeugnisse auf diese Weise gehoben wird.
Bemerkenswert und bezeichnend für die Wirtschaftslage in England ist es, daß
die Anlagen englischen Kapitals im Auslande im Jahre 1910 die vorher noch
in keinem Jahre erreichte Summe von 165 Millionen Pfund Sterling betrugen;
im Jahre 1909 beliefen sie sich auf 160 und im Jahre 1908 auf 130 Millionen
Pfund Sterling, so daß England in den in Rede stehenden drei Jahren nicht
weniger als 455 Millionen Pfund Sterling im Auslande untergebracht hat.

Das Land, das vergleichsweise am meisten englisches Kapital in Anspruch
genommen hat, sind die Vereinigten Staaten von Amerika, wo Großbritannien
nicht weniger als 688 Millionen Pfund Sterling insgesamt angelegt hat, wovon
nahezu 600 Millionen auf die amerikanischen Eisenbahnen entfallen. Auf Kuba
sind 22,7 und auf den Philippinen 8,2 Millionen Pfund Sterling angelegt.
Die englischen Gesamtanlagen in Kanada werden auf 373 Millionen Pfund
Sterling veranschlagt; die Dominion nimmt alljährlich 30 bis 40 Millionen
Pfund Sterling englischen Kapitals in Anspruch. In Australien hat England
insgesamt 380 Millionen Pfund Sterling, in Südafrika 351 Millionen Pfund
Sterling, in Westafrika 29,5 Millionen Pfund Sterling angelegt. Das in
Indien und Ceylon investierte englische Kapital wird auf rund 365 Millionen
Pfund Sterling angegeben. Auf die Straits settlements und die Malayen-
Staaten entfallen 22 Millionen Pfund Sterling und auf die übrigen britischen
Besitzungen etwa 33 Millionen Pfund Sterling.

Die englischen Kapitalanlagen außerhalb der Kolonien und der Vereinigten
Staaten betreffen zum größten Teil die südamerikanischen Staaten: britisches


Das englische Kapital im Auslande

rungen allgemeiner Natur, die, gleich den Endergebnissen, zu denen Mr. Paish
gelangt, auch in außerbritischen Kreisen Anspruch auf Beachtung erheben dürften.

Die Gesamtsumme des Kapitals, das England anderen Völkern zur Ver¬
fügung gestellt hat, wird danach auf rund 3200 Millionen Pfund Sterling
geschätzt, wozu noch das im Auslande untergebrachte englische Privatkapital in
ungefährer Höhe von 300 Millionen Pfund Sterling kommt, so daß die Gesamt¬
verschuldung des Auslandes an England auf 3500 Millionen Pfund Sterling
zu veranschlagen ist. Das Einkommen, das England aus dem Besitze fremd-
ländischer Renten- und Aktienwerte bezieht, beziffert sich auf 166 Millionen
Pfund Sterling jährlich, ein Betrag, der mehr als ausreichend ist, um das
Passionen der englischen Handelsbilanz wett zu machen.

Darin liegt jedoch noch nicht die ganze wirtschaftspolitische Bedeutung des
englischen Kapitalguthabens im Auslande; die englischen Kapitalanlagen im
Auslande haben vielmehr zur Förderung des Absatzes englischer Erzeugnisse im
Auslande wesentlich beigetragen und tragen weiterhin dazu bei. England wird
durch die Zinsenbezüge aus dem Auslande in die Lage versetzt, einen großen
Teil seiner Nahrungsmittel- und Rohstoffeinfuhr damit zu bezahlen, und schließlich
trägt das englische Kapital in nicht geringem Maße zur Förderung der wirt¬
schaftlichen Entwicklung vieler fremder Gebiete bei, deren Kaufkraft und Auf¬
nahmefähigkeit für englische Jndustrieerzeugnisse auf diese Weise gehoben wird.
Bemerkenswert und bezeichnend für die Wirtschaftslage in England ist es, daß
die Anlagen englischen Kapitals im Auslande im Jahre 1910 die vorher noch
in keinem Jahre erreichte Summe von 165 Millionen Pfund Sterling betrugen;
im Jahre 1909 beliefen sie sich auf 160 und im Jahre 1908 auf 130 Millionen
Pfund Sterling, so daß England in den in Rede stehenden drei Jahren nicht
weniger als 455 Millionen Pfund Sterling im Auslande untergebracht hat.

Das Land, das vergleichsweise am meisten englisches Kapital in Anspruch
genommen hat, sind die Vereinigten Staaten von Amerika, wo Großbritannien
nicht weniger als 688 Millionen Pfund Sterling insgesamt angelegt hat, wovon
nahezu 600 Millionen auf die amerikanischen Eisenbahnen entfallen. Auf Kuba
sind 22,7 und auf den Philippinen 8,2 Millionen Pfund Sterling angelegt.
Die englischen Gesamtanlagen in Kanada werden auf 373 Millionen Pfund
Sterling veranschlagt; die Dominion nimmt alljährlich 30 bis 40 Millionen
Pfund Sterling englischen Kapitals in Anspruch. In Australien hat England
insgesamt 380 Millionen Pfund Sterling, in Südafrika 351 Millionen Pfund
Sterling, in Westafrika 29,5 Millionen Pfund Sterling angelegt. Das in
Indien und Ceylon investierte englische Kapital wird auf rund 365 Millionen
Pfund Sterling angegeben. Auf die Straits settlements und die Malayen-
Staaten entfallen 22 Millionen Pfund Sterling und auf die übrigen britischen
Besitzungen etwa 33 Millionen Pfund Sterling.

Die englischen Kapitalanlagen außerhalb der Kolonien und der Vereinigten
Staaten betreffen zum größten Teil die südamerikanischen Staaten: britisches


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[0072] Das englische Kapital im Auslande rungen allgemeiner Natur, die, gleich den Endergebnissen, zu denen Mr. Paish gelangt, auch in außerbritischen Kreisen Anspruch auf Beachtung erheben dürften. Die Gesamtsumme des Kapitals, das England anderen Völkern zur Ver¬ fügung gestellt hat, wird danach auf rund 3200 Millionen Pfund Sterling geschätzt, wozu noch das im Auslande untergebrachte englische Privatkapital in ungefährer Höhe von 300 Millionen Pfund Sterling kommt, so daß die Gesamt¬ verschuldung des Auslandes an England auf 3500 Millionen Pfund Sterling zu veranschlagen ist. Das Einkommen, das England aus dem Besitze fremd- ländischer Renten- und Aktienwerte bezieht, beziffert sich auf 166 Millionen Pfund Sterling jährlich, ein Betrag, der mehr als ausreichend ist, um das Passionen der englischen Handelsbilanz wett zu machen. Darin liegt jedoch noch nicht die ganze wirtschaftspolitische Bedeutung des englischen Kapitalguthabens im Auslande; die englischen Kapitalanlagen im Auslande haben vielmehr zur Förderung des Absatzes englischer Erzeugnisse im Auslande wesentlich beigetragen und tragen weiterhin dazu bei. England wird durch die Zinsenbezüge aus dem Auslande in die Lage versetzt, einen großen Teil seiner Nahrungsmittel- und Rohstoffeinfuhr damit zu bezahlen, und schließlich trägt das englische Kapital in nicht geringem Maße zur Förderung der wirt¬ schaftlichen Entwicklung vieler fremder Gebiete bei, deren Kaufkraft und Auf¬ nahmefähigkeit für englische Jndustrieerzeugnisse auf diese Weise gehoben wird. Bemerkenswert und bezeichnend für die Wirtschaftslage in England ist es, daß die Anlagen englischen Kapitals im Auslande im Jahre 1910 die vorher noch in keinem Jahre erreichte Summe von 165 Millionen Pfund Sterling betrugen; im Jahre 1909 beliefen sie sich auf 160 und im Jahre 1908 auf 130 Millionen Pfund Sterling, so daß England in den in Rede stehenden drei Jahren nicht weniger als 455 Millionen Pfund Sterling im Auslande untergebracht hat. Das Land, das vergleichsweise am meisten englisches Kapital in Anspruch genommen hat, sind die Vereinigten Staaten von Amerika, wo Großbritannien nicht weniger als 688 Millionen Pfund Sterling insgesamt angelegt hat, wovon nahezu 600 Millionen auf die amerikanischen Eisenbahnen entfallen. Auf Kuba sind 22,7 und auf den Philippinen 8,2 Millionen Pfund Sterling angelegt. Die englischen Gesamtanlagen in Kanada werden auf 373 Millionen Pfund Sterling veranschlagt; die Dominion nimmt alljährlich 30 bis 40 Millionen Pfund Sterling englischen Kapitals in Anspruch. In Australien hat England insgesamt 380 Millionen Pfund Sterling, in Südafrika 351 Millionen Pfund Sterling, in Westafrika 29,5 Millionen Pfund Sterling angelegt. Das in Indien und Ceylon investierte englische Kapital wird auf rund 365 Millionen Pfund Sterling angegeben. Auf die Straits settlements und die Malayen- Staaten entfallen 22 Millionen Pfund Sterling und auf die übrigen britischen Besitzungen etwa 33 Millionen Pfund Sterling. Die englischen Kapitalanlagen außerhalb der Kolonien und der Vereinigten Staaten betreffen zum größten Teil die südamerikanischen Staaten: britisches

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/72>, abgerufen am 02.07.2024.