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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Die Polen und Rußland

es wird für uns keine Rettung geben, da es keine Macht gibt, die uns den
preußischen Krallen entreißen würde."

Welche Verwirrung der Gedanken I Wie unverschämt muß die russische
Regierung gelogen haben, um die Polen zu solcher Hingabe an die russische
Sache bewegen zu können! Es ist nicht nur dies. Es spricht auch die sinnlose
Wut derer aus den Worten, die ihre Hoffnungen zertrümmert sehen würden,
wenn Deutschland Sieger bleibt. Der Klüngel, der jetzt in Warschau sich als
das Sprachrohr der Wünsche des polnischen Volkes aufspielt, fürchtet dabei
nicht so sehr für die polnische Nation, als für seinen eignen Einfluß. Andernfalls
brauchten die Polen in Rußland sich nicht so weit zu erniedrigen, wie sie es
mit ihren jedes Maß der Selbstachtung überschreitenden Loyalitätserklärungen
getan haben. Wenn sich die Lage des polnischen Volkes etwa ändern sollte,
müßte auch der Einfluß der preußischen Polen auf die Dinge im Zartum wachsen, --
so kalkulieren sie. Da die preußischen Polen besser sür alle öffentliche Tätigkeit
vorbereitet sind, auch mehr Sinn für die Allgemeinheit zeigen, also vertrauens¬
würdiger erscheinen, wie die russischen, so würden sie direkte Rivalen für alle die
Herren werden, die noch bis zuletzt an der Krippe gestanden haben. Das ist die
Furcht der Herren in Russisch-Polen! Darum wünschen sie Rußland den Sieg.
Jetzt erweist es sich, daß sie das ihnen von der Nation anvertraute Gut unehrlich
verwaltet haben: der Tag des Strafgerichts rückt für sie heran mit dem Einzug
der preußischen Polen in Warschau. Bisher haben sie alle betrogen, die sich
mit ihnen einließen, -- zuletzt sich selbst. '




Die Polen und Rußland

es wird für uns keine Rettung geben, da es keine Macht gibt, die uns den
preußischen Krallen entreißen würde."

Welche Verwirrung der Gedanken I Wie unverschämt muß die russische
Regierung gelogen haben, um die Polen zu solcher Hingabe an die russische
Sache bewegen zu können! Es ist nicht nur dies. Es spricht auch die sinnlose
Wut derer aus den Worten, die ihre Hoffnungen zertrümmert sehen würden,
wenn Deutschland Sieger bleibt. Der Klüngel, der jetzt in Warschau sich als
das Sprachrohr der Wünsche des polnischen Volkes aufspielt, fürchtet dabei
nicht so sehr für die polnische Nation, als für seinen eignen Einfluß. Andernfalls
brauchten die Polen in Rußland sich nicht so weit zu erniedrigen, wie sie es
mit ihren jedes Maß der Selbstachtung überschreitenden Loyalitätserklärungen
getan haben. Wenn sich die Lage des polnischen Volkes etwa ändern sollte,
müßte auch der Einfluß der preußischen Polen auf die Dinge im Zartum wachsen, —
so kalkulieren sie. Da die preußischen Polen besser sür alle öffentliche Tätigkeit
vorbereitet sind, auch mehr Sinn für die Allgemeinheit zeigen, also vertrauens¬
würdiger erscheinen, wie die russischen, so würden sie direkte Rivalen für alle die
Herren werden, die noch bis zuletzt an der Krippe gestanden haben. Das ist die
Furcht der Herren in Russisch-Polen! Darum wünschen sie Rußland den Sieg.
Jetzt erweist es sich, daß sie das ihnen von der Nation anvertraute Gut unehrlich
verwaltet haben: der Tag des Strafgerichts rückt für sie heran mit dem Einzug
der preußischen Polen in Warschau. Bisher haben sie alle betrogen, die sich
mit ihnen einließen, — zuletzt sich selbst. '




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[0051] Die Polen und Rußland es wird für uns keine Rettung geben, da es keine Macht gibt, die uns den preußischen Krallen entreißen würde." Welche Verwirrung der Gedanken I Wie unverschämt muß die russische Regierung gelogen haben, um die Polen zu solcher Hingabe an die russische Sache bewegen zu können! Es ist nicht nur dies. Es spricht auch die sinnlose Wut derer aus den Worten, die ihre Hoffnungen zertrümmert sehen würden, wenn Deutschland Sieger bleibt. Der Klüngel, der jetzt in Warschau sich als das Sprachrohr der Wünsche des polnischen Volkes aufspielt, fürchtet dabei nicht so sehr für die polnische Nation, als für seinen eignen Einfluß. Andernfalls brauchten die Polen in Rußland sich nicht so weit zu erniedrigen, wie sie es mit ihren jedes Maß der Selbstachtung überschreitenden Loyalitätserklärungen getan haben. Wenn sich die Lage des polnischen Volkes etwa ändern sollte, müßte auch der Einfluß der preußischen Polen auf die Dinge im Zartum wachsen, — so kalkulieren sie. Da die preußischen Polen besser sür alle öffentliche Tätigkeit vorbereitet sind, auch mehr Sinn für die Allgemeinheit zeigen, also vertrauens¬ würdiger erscheinen, wie die russischen, so würden sie direkte Rivalen für alle die Herren werden, die noch bis zuletzt an der Krippe gestanden haben. Das ist die Furcht der Herren in Russisch-Polen! Darum wünschen sie Rußland den Sieg. Jetzt erweist es sich, daß sie das ihnen von der Nation anvertraute Gut unehrlich verwaltet haben: der Tag des Strafgerichts rückt für sie heran mit dem Einzug der preußischen Polen in Warschau. Bisher haben sie alle betrogen, die sich mit ihnen einließen, — zuletzt sich selbst. '

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/51>, abgerufen am 30.06.2024.