Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die deutschen Gewerkschaftsorganisationen und der Krieg

verhängten Sperren aufgehoben.- Ein treffliches Beispiel hierzu bieten die Kriegs¬
maßnahmen der Gewerkschaften und Unternehmerverbände im Baugewerbe. Die
großen hier in Frage kommenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen
haben am 13. Oktober 1914 in Berlin eine Arbeitsgemeinschaft gebildet, welche
danach streben soll, zur Erhaltung der Volkskraft während des Krieges die
daniederliegende Bautätigkeit möglichst zu heben. Eine ähnliche Hilfsaktion wurde
im Malergewerbe schon etwas früher ins Leben gerufen. Am 8. September 1914
tagte ebenfalls und zwar in Berlin eine Verhandlung zwischen den Zentral¬
vorständen der Unternehmer- und Arbeiterorganisationen im Holzgewerbe, um
Maßnahmen zur Linderung der herrschenden Arbeitslosigkeit in diesem Gewerbe
zu treffen. Noch eine ganze Reihe von ähnlichen Maßnahmen liegen aus ver¬
schiedenen Gewerbe- und Industriezweigen vor.

Recht anerkennenswert ist folgende Maßnahme zur Milderung der Notlage
durch Arbeitslosigkeit. Zwischen Vertretern des Magistrats der Stadt Berlin,
der Landesversicherungsanstalt Berlin und der Berliner Gewerkschaften ist die
Unterstützung der Berliner Arbeitslosen aus Mitteln der Landesversicherungs¬
anstalt Berlin geregelt worden. Hiernach erhalten verheiratete Arbeitslose, die
mindestens für 26 Wochen Beiträge an die Landesoersicherung gezahlt haben,
eine Unterstützung. Auf Anregung des Gewerkschaftskartells zu Magdeburg
beschlossen die städtischen Körperschaften in Magdeburg folgende Maßnahmen
zur Linderung der schweren Folgen der Arbeitslosigkeit:

1. Alle Arbeitgeber zu ersuchen, nach Möglichkeit die geschlossenen
Betriebe wieder zu öffnen.
2. Die zur Ausführung reifen städtischen Arbeiten sofort in Angriff
nehmen zu lassen und weitere Arbeiten vorzubereiten.
3. Einrichtungen zu treffen, durch welche es den Arbeitslosen möglich
gemacht wird, für einen billigen Preis Mittagessen für sich und ihre
Familien empfangen zu können.

Berichte über solche und ähnliche Maßnahmen liegen aus einer ganzen
Reihe von Orten und Ortschaften vor.

Das eifrige Wirken auf diesem Gebiete ist nun erfreulicherweise nicht ohne
Erfolg geblieben. Ein Einblick in die Praxis bestätigt dies. Nach den Mit¬
teilungen des Kaiserl. Stat. Amtes "erfuhr infolge des Kriegsausbruches der
Beschäftigungsgrad in der ersten Hälfte des Monats August eine scharfe Senkung,
insbesondere in den Industrien, die mehr oder weniger ausschließlich für die
Ausfuhr arbeiten oder Luxusgegenstände herstellen. Nach Wiederaufnahme des
Güterverkehrs und teilweise auch des Schiffsverkehrs trat im allgemeinen eine
Erholung ein. Regere Beschäftigung haben nicht nur die Betriebe, die für die
Heeres- und Marineverwaltung Aufträge zu erledigen haben, sondern auch in
andern Geschäftszweigen, insbesondere im Baugewerbe, macht sich das zunehmend
geschäftliche Vertrauen belebend geltend." Der Deutsche Metallarbeiterverband


Die deutschen Gewerkschaftsorganisationen und der Krieg

verhängten Sperren aufgehoben.- Ein treffliches Beispiel hierzu bieten die Kriegs¬
maßnahmen der Gewerkschaften und Unternehmerverbände im Baugewerbe. Die
großen hier in Frage kommenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen
haben am 13. Oktober 1914 in Berlin eine Arbeitsgemeinschaft gebildet, welche
danach streben soll, zur Erhaltung der Volkskraft während des Krieges die
daniederliegende Bautätigkeit möglichst zu heben. Eine ähnliche Hilfsaktion wurde
im Malergewerbe schon etwas früher ins Leben gerufen. Am 8. September 1914
tagte ebenfalls und zwar in Berlin eine Verhandlung zwischen den Zentral¬
vorständen der Unternehmer- und Arbeiterorganisationen im Holzgewerbe, um
Maßnahmen zur Linderung der herrschenden Arbeitslosigkeit in diesem Gewerbe
zu treffen. Noch eine ganze Reihe von ähnlichen Maßnahmen liegen aus ver¬
schiedenen Gewerbe- und Industriezweigen vor.

Recht anerkennenswert ist folgende Maßnahme zur Milderung der Notlage
durch Arbeitslosigkeit. Zwischen Vertretern des Magistrats der Stadt Berlin,
der Landesversicherungsanstalt Berlin und der Berliner Gewerkschaften ist die
Unterstützung der Berliner Arbeitslosen aus Mitteln der Landesversicherungs¬
anstalt Berlin geregelt worden. Hiernach erhalten verheiratete Arbeitslose, die
mindestens für 26 Wochen Beiträge an die Landesoersicherung gezahlt haben,
eine Unterstützung. Auf Anregung des Gewerkschaftskartells zu Magdeburg
beschlossen die städtischen Körperschaften in Magdeburg folgende Maßnahmen
zur Linderung der schweren Folgen der Arbeitslosigkeit:

1. Alle Arbeitgeber zu ersuchen, nach Möglichkeit die geschlossenen
Betriebe wieder zu öffnen.
2. Die zur Ausführung reifen städtischen Arbeiten sofort in Angriff
nehmen zu lassen und weitere Arbeiten vorzubereiten.
3. Einrichtungen zu treffen, durch welche es den Arbeitslosen möglich
gemacht wird, für einen billigen Preis Mittagessen für sich und ihre
Familien empfangen zu können.

Berichte über solche und ähnliche Maßnahmen liegen aus einer ganzen
Reihe von Orten und Ortschaften vor.

Das eifrige Wirken auf diesem Gebiete ist nun erfreulicherweise nicht ohne
Erfolg geblieben. Ein Einblick in die Praxis bestätigt dies. Nach den Mit¬
teilungen des Kaiserl. Stat. Amtes „erfuhr infolge des Kriegsausbruches der
Beschäftigungsgrad in der ersten Hälfte des Monats August eine scharfe Senkung,
insbesondere in den Industrien, die mehr oder weniger ausschließlich für die
Ausfuhr arbeiten oder Luxusgegenstände herstellen. Nach Wiederaufnahme des
Güterverkehrs und teilweise auch des Schiffsverkehrs trat im allgemeinen eine
Erholung ein. Regere Beschäftigung haben nicht nur die Betriebe, die für die
Heeres- und Marineverwaltung Aufträge zu erledigen haben, sondern auch in
andern Geschäftszweigen, insbesondere im Baugewerbe, macht sich das zunehmend
geschäftliche Vertrauen belebend geltend." Der Deutsche Metallarbeiterverband


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0389" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329617"/>
          <fw type="header" place="top"> Die deutschen Gewerkschaftsorganisationen und der Krieg</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1357" prev="#ID_1356"> verhängten Sperren aufgehoben.- Ein treffliches Beispiel hierzu bieten die Kriegs¬<lb/>
maßnahmen der Gewerkschaften und Unternehmerverbände im Baugewerbe. Die<lb/>
großen hier in Frage kommenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen<lb/>
haben am 13. Oktober 1914 in Berlin eine Arbeitsgemeinschaft gebildet, welche<lb/>
danach streben soll, zur Erhaltung der Volkskraft während des Krieges die<lb/>
daniederliegende Bautätigkeit möglichst zu heben. Eine ähnliche Hilfsaktion wurde<lb/>
im Malergewerbe schon etwas früher ins Leben gerufen. Am 8. September 1914<lb/>
tagte ebenfalls und zwar in Berlin eine Verhandlung zwischen den Zentral¬<lb/>
vorständen der Unternehmer- und Arbeiterorganisationen im Holzgewerbe, um<lb/>
Maßnahmen zur Linderung der herrschenden Arbeitslosigkeit in diesem Gewerbe<lb/>
zu treffen. Noch eine ganze Reihe von ähnlichen Maßnahmen liegen aus ver¬<lb/>
schiedenen Gewerbe- und Industriezweigen vor.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1358"> Recht anerkennenswert ist folgende Maßnahme zur Milderung der Notlage<lb/>
durch Arbeitslosigkeit. Zwischen Vertretern des Magistrats der Stadt Berlin,<lb/>
der Landesversicherungsanstalt Berlin und der Berliner Gewerkschaften ist die<lb/>
Unterstützung der Berliner Arbeitslosen aus Mitteln der Landesversicherungs¬<lb/>
anstalt Berlin geregelt worden. Hiernach erhalten verheiratete Arbeitslose, die<lb/>
mindestens für 26 Wochen Beiträge an die Landesoersicherung gezahlt haben,<lb/>
eine Unterstützung. Auf Anregung des Gewerkschaftskartells zu Magdeburg<lb/>
beschlossen die städtischen Körperschaften in Magdeburg folgende Maßnahmen<lb/>
zur Linderung der schweren Folgen der Arbeitslosigkeit:</p><lb/>
          <list>
            <item> 1. Alle Arbeitgeber zu ersuchen, nach Möglichkeit die geschlossenen<lb/>
Betriebe wieder zu öffnen.</item>
            <item> 2. Die zur Ausführung reifen städtischen Arbeiten sofort in Angriff<lb/>
nehmen zu lassen und weitere Arbeiten vorzubereiten.</item>
            <item> 3. Einrichtungen zu treffen, durch welche es den Arbeitslosen möglich<lb/>
gemacht wird, für einen billigen Preis Mittagessen für sich und ihre<lb/>
Familien empfangen zu können.</item>
          </list><lb/>
          <p xml:id="ID_1359"> Berichte über solche und ähnliche Maßnahmen liegen aus einer ganzen<lb/>
Reihe von Orten und Ortschaften vor.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1360" next="#ID_1361"> Das eifrige Wirken auf diesem Gebiete ist nun erfreulicherweise nicht ohne<lb/>
Erfolg geblieben. Ein Einblick in die Praxis bestätigt dies. Nach den Mit¬<lb/>
teilungen des Kaiserl. Stat. Amtes &#x201E;erfuhr infolge des Kriegsausbruches der<lb/>
Beschäftigungsgrad in der ersten Hälfte des Monats August eine scharfe Senkung,<lb/>
insbesondere in den Industrien, die mehr oder weniger ausschließlich für die<lb/>
Ausfuhr arbeiten oder Luxusgegenstände herstellen. Nach Wiederaufnahme des<lb/>
Güterverkehrs und teilweise auch des Schiffsverkehrs trat im allgemeinen eine<lb/>
Erholung ein. Regere Beschäftigung haben nicht nur die Betriebe, die für die<lb/>
Heeres- und Marineverwaltung Aufträge zu erledigen haben, sondern auch in<lb/>
andern Geschäftszweigen, insbesondere im Baugewerbe, macht sich das zunehmend<lb/>
geschäftliche Vertrauen belebend geltend."  Der Deutsche Metallarbeiterverband</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0389] Die deutschen Gewerkschaftsorganisationen und der Krieg verhängten Sperren aufgehoben.- Ein treffliches Beispiel hierzu bieten die Kriegs¬ maßnahmen der Gewerkschaften und Unternehmerverbände im Baugewerbe. Die großen hier in Frage kommenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen haben am 13. Oktober 1914 in Berlin eine Arbeitsgemeinschaft gebildet, welche danach streben soll, zur Erhaltung der Volkskraft während des Krieges die daniederliegende Bautätigkeit möglichst zu heben. Eine ähnliche Hilfsaktion wurde im Malergewerbe schon etwas früher ins Leben gerufen. Am 8. September 1914 tagte ebenfalls und zwar in Berlin eine Verhandlung zwischen den Zentral¬ vorständen der Unternehmer- und Arbeiterorganisationen im Holzgewerbe, um Maßnahmen zur Linderung der herrschenden Arbeitslosigkeit in diesem Gewerbe zu treffen. Noch eine ganze Reihe von ähnlichen Maßnahmen liegen aus ver¬ schiedenen Gewerbe- und Industriezweigen vor. Recht anerkennenswert ist folgende Maßnahme zur Milderung der Notlage durch Arbeitslosigkeit. Zwischen Vertretern des Magistrats der Stadt Berlin, der Landesversicherungsanstalt Berlin und der Berliner Gewerkschaften ist die Unterstützung der Berliner Arbeitslosen aus Mitteln der Landesversicherungs¬ anstalt Berlin geregelt worden. Hiernach erhalten verheiratete Arbeitslose, die mindestens für 26 Wochen Beiträge an die Landesoersicherung gezahlt haben, eine Unterstützung. Auf Anregung des Gewerkschaftskartells zu Magdeburg beschlossen die städtischen Körperschaften in Magdeburg folgende Maßnahmen zur Linderung der schweren Folgen der Arbeitslosigkeit: 1. Alle Arbeitgeber zu ersuchen, nach Möglichkeit die geschlossenen Betriebe wieder zu öffnen. 2. Die zur Ausführung reifen städtischen Arbeiten sofort in Angriff nehmen zu lassen und weitere Arbeiten vorzubereiten. 3. Einrichtungen zu treffen, durch welche es den Arbeitslosen möglich gemacht wird, für einen billigen Preis Mittagessen für sich und ihre Familien empfangen zu können. Berichte über solche und ähnliche Maßnahmen liegen aus einer ganzen Reihe von Orten und Ortschaften vor. Das eifrige Wirken auf diesem Gebiete ist nun erfreulicherweise nicht ohne Erfolg geblieben. Ein Einblick in die Praxis bestätigt dies. Nach den Mit¬ teilungen des Kaiserl. Stat. Amtes „erfuhr infolge des Kriegsausbruches der Beschäftigungsgrad in der ersten Hälfte des Monats August eine scharfe Senkung, insbesondere in den Industrien, die mehr oder weniger ausschließlich für die Ausfuhr arbeiten oder Luxusgegenstände herstellen. Nach Wiederaufnahme des Güterverkehrs und teilweise auch des Schiffsverkehrs trat im allgemeinen eine Erholung ein. Regere Beschäftigung haben nicht nur die Betriebe, die für die Heeres- und Marineverwaltung Aufträge zu erledigen haben, sondern auch in andern Geschäftszweigen, insbesondere im Baugewerbe, macht sich das zunehmend geschäftliche Vertrauen belebend geltend." Der Deutsche Metallarbeiterverband

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/389
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/389>, abgerufen am 04.07.2024.