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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Freiheit und Eigentum in Frieden und Krieg

der feindlichen Kriegsmacht und der Behandlung der friedlichen Bevölkerung
des Feindeslandes. Von ähnlichen Gesichtspunkten ausgehend heißt es bereits
in der Proklamation des Königs von Preußen vom 11. August 1870: "Ich
führe Krieg mit den französischen Soldaten und nicht mit den Bürgern Frankreichs.
Diese werden demnach fortfahren, einer vollkommenen Sicherheit ihrer Person
und ihres Eigentums zu genießen, und zwar solange, als sie mich nicht selbst
durch feindliche Unternehmungen gegen die deutschen Truppen des Rechtes
berauben werden, ihnen meinen Schutz angeoeihen zu lassen."

Auf Grund desselben Gedankens bestimmt Artikel 46 der "Ordnung": "Die
Ehre und die Rechte der Familie, das Leben der Bürger, das Privateigentum,
die religiösen Überzeugungen und die gottesdienstlichen Handlungen sollen geachtet
werden." Ebenso verbietet Artikel 23 die "Zerstörung oder Wegnahme feindlichen
Eigentums, es sei denn, daß die Gebote des Krieges es dringend erheischen."
Ferner gehört hierher das Verbot der Beschießung offener Städte: "Nur Festungen,
sowie befestigte oder verteidigte Städte, Dörfer, Gebäude unterliegen der Be¬
lagerung und Beschießung", allerdings braucht bei der Beschießung einer Festung
sich diese nicht auf die Festungswerke zu beschränken, sondern kann sich auf die
ganze Stadt ausdehnen. Aber selbst bei im Sturm genommenen Anstedlungen
besteht ein allgemeines Verbot der Plünderung. Ja, wenn bei Besetzung
feindlicher Landesteile die besetzende Staatsgewalt an Stelle der ursprünglichen
tritt, so hat sie das Recht und die Pflicht, Ruhe und Ordnung zu erhalten.
Es geht also eine Schutzpflicht für die friedlichen Staatsangehörigen auf sie über.
Dafür hat sie das Recht, das in ihre Hände gefallene fremde Staatsvermögen
für dieiZwecke der Kriegsführung dienstbar zu machen, ferner fällige Steuern und Ab
gaben zu erheben und für die Bedürfnisse des Heeres Zwangsauflagen in Geld
(Kontributionen) auszuschreiben, sowie Naturalleistungen (Requisitionen) zu fordern.

Aber selbst diejenigen, die als Angehörige des feindlichen Heeres Waffen
tragen, sind durch eine Menge von Bestimmungen, die den Forderungen der
Humanität entspringen, bis zu einem gewissen Grade geschützt. Hier ist zu
nennen das Verbot der "meuchlerischen Tötung oder Verwundung von Angehörigen
des feindlichen Staates oder Heeres" sowie des "die Waffen streckenden oder
wehrlosen Feindes" ferner des "Gebrauchs von Waffen. Geschossen oder Stoffen^
die geeignet sind, unnötiger Weise Leiden zu verursachen". Weiter das bereits
in den Haager Schlußakten von 1899 festgesetzte Verbot "Geschosse zu verwenden,
die sich leicht im menschlichen Körper ausdehnen oder plattdrücken, der Art.
wie Geschosse mit hartem Mantel, der den Kern nicht ganz umhüllt oder mit
Einschnitten versehen ist", so der in letzter Zeit bei unseren Gegnern mehrfach
aufgefundenen Dum-Dum°Geschosse. Bei Verwundeten und Gefangenen wird
außerdem eine schutzwerte Eigentumssphäre anerkannt. Ihr persönliches Privat¬
eigentum verbleibt ihnen unangetastet mit Ausnahme der Waffen, Pferde und
Schriftstücke militärischen Inhalts. Ebenso wird das bei den Gefallenen vor¬
gefundene Privateigentum zurückgesandt.


Freiheit und Eigentum in Frieden und Krieg

der feindlichen Kriegsmacht und der Behandlung der friedlichen Bevölkerung
des Feindeslandes. Von ähnlichen Gesichtspunkten ausgehend heißt es bereits
in der Proklamation des Königs von Preußen vom 11. August 1870: „Ich
führe Krieg mit den französischen Soldaten und nicht mit den Bürgern Frankreichs.
Diese werden demnach fortfahren, einer vollkommenen Sicherheit ihrer Person
und ihres Eigentums zu genießen, und zwar solange, als sie mich nicht selbst
durch feindliche Unternehmungen gegen die deutschen Truppen des Rechtes
berauben werden, ihnen meinen Schutz angeoeihen zu lassen."

Auf Grund desselben Gedankens bestimmt Artikel 46 der „Ordnung": „Die
Ehre und die Rechte der Familie, das Leben der Bürger, das Privateigentum,
die religiösen Überzeugungen und die gottesdienstlichen Handlungen sollen geachtet
werden." Ebenso verbietet Artikel 23 die „Zerstörung oder Wegnahme feindlichen
Eigentums, es sei denn, daß die Gebote des Krieges es dringend erheischen."
Ferner gehört hierher das Verbot der Beschießung offener Städte: „Nur Festungen,
sowie befestigte oder verteidigte Städte, Dörfer, Gebäude unterliegen der Be¬
lagerung und Beschießung", allerdings braucht bei der Beschießung einer Festung
sich diese nicht auf die Festungswerke zu beschränken, sondern kann sich auf die
ganze Stadt ausdehnen. Aber selbst bei im Sturm genommenen Anstedlungen
besteht ein allgemeines Verbot der Plünderung. Ja, wenn bei Besetzung
feindlicher Landesteile die besetzende Staatsgewalt an Stelle der ursprünglichen
tritt, so hat sie das Recht und die Pflicht, Ruhe und Ordnung zu erhalten.
Es geht also eine Schutzpflicht für die friedlichen Staatsangehörigen auf sie über.
Dafür hat sie das Recht, das in ihre Hände gefallene fremde Staatsvermögen
für dieiZwecke der Kriegsführung dienstbar zu machen, ferner fällige Steuern und Ab
gaben zu erheben und für die Bedürfnisse des Heeres Zwangsauflagen in Geld
(Kontributionen) auszuschreiben, sowie Naturalleistungen (Requisitionen) zu fordern.

Aber selbst diejenigen, die als Angehörige des feindlichen Heeres Waffen
tragen, sind durch eine Menge von Bestimmungen, die den Forderungen der
Humanität entspringen, bis zu einem gewissen Grade geschützt. Hier ist zu
nennen das Verbot der „meuchlerischen Tötung oder Verwundung von Angehörigen
des feindlichen Staates oder Heeres" sowie des „die Waffen streckenden oder
wehrlosen Feindes" ferner des „Gebrauchs von Waffen. Geschossen oder Stoffen^
die geeignet sind, unnötiger Weise Leiden zu verursachen". Weiter das bereits
in den Haager Schlußakten von 1899 festgesetzte Verbot „Geschosse zu verwenden,
die sich leicht im menschlichen Körper ausdehnen oder plattdrücken, der Art.
wie Geschosse mit hartem Mantel, der den Kern nicht ganz umhüllt oder mit
Einschnitten versehen ist", so der in letzter Zeit bei unseren Gegnern mehrfach
aufgefundenen Dum-Dum°Geschosse. Bei Verwundeten und Gefangenen wird
außerdem eine schutzwerte Eigentumssphäre anerkannt. Ihr persönliches Privat¬
eigentum verbleibt ihnen unangetastet mit Ausnahme der Waffen, Pferde und
Schriftstücke militärischen Inhalts. Ebenso wird das bei den Gefallenen vor¬
gefundene Privateigentum zurückgesandt.


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[0380] Freiheit und Eigentum in Frieden und Krieg der feindlichen Kriegsmacht und der Behandlung der friedlichen Bevölkerung des Feindeslandes. Von ähnlichen Gesichtspunkten ausgehend heißt es bereits in der Proklamation des Königs von Preußen vom 11. August 1870: „Ich führe Krieg mit den französischen Soldaten und nicht mit den Bürgern Frankreichs. Diese werden demnach fortfahren, einer vollkommenen Sicherheit ihrer Person und ihres Eigentums zu genießen, und zwar solange, als sie mich nicht selbst durch feindliche Unternehmungen gegen die deutschen Truppen des Rechtes berauben werden, ihnen meinen Schutz angeoeihen zu lassen." Auf Grund desselben Gedankens bestimmt Artikel 46 der „Ordnung": „Die Ehre und die Rechte der Familie, das Leben der Bürger, das Privateigentum, die religiösen Überzeugungen und die gottesdienstlichen Handlungen sollen geachtet werden." Ebenso verbietet Artikel 23 die „Zerstörung oder Wegnahme feindlichen Eigentums, es sei denn, daß die Gebote des Krieges es dringend erheischen." Ferner gehört hierher das Verbot der Beschießung offener Städte: „Nur Festungen, sowie befestigte oder verteidigte Städte, Dörfer, Gebäude unterliegen der Be¬ lagerung und Beschießung", allerdings braucht bei der Beschießung einer Festung sich diese nicht auf die Festungswerke zu beschränken, sondern kann sich auf die ganze Stadt ausdehnen. Aber selbst bei im Sturm genommenen Anstedlungen besteht ein allgemeines Verbot der Plünderung. Ja, wenn bei Besetzung feindlicher Landesteile die besetzende Staatsgewalt an Stelle der ursprünglichen tritt, so hat sie das Recht und die Pflicht, Ruhe und Ordnung zu erhalten. Es geht also eine Schutzpflicht für die friedlichen Staatsangehörigen auf sie über. Dafür hat sie das Recht, das in ihre Hände gefallene fremde Staatsvermögen für dieiZwecke der Kriegsführung dienstbar zu machen, ferner fällige Steuern und Ab gaben zu erheben und für die Bedürfnisse des Heeres Zwangsauflagen in Geld (Kontributionen) auszuschreiben, sowie Naturalleistungen (Requisitionen) zu fordern. Aber selbst diejenigen, die als Angehörige des feindlichen Heeres Waffen tragen, sind durch eine Menge von Bestimmungen, die den Forderungen der Humanität entspringen, bis zu einem gewissen Grade geschützt. Hier ist zu nennen das Verbot der „meuchlerischen Tötung oder Verwundung von Angehörigen des feindlichen Staates oder Heeres" sowie des „die Waffen streckenden oder wehrlosen Feindes" ferner des „Gebrauchs von Waffen. Geschossen oder Stoffen^ die geeignet sind, unnötiger Weise Leiden zu verursachen". Weiter das bereits in den Haager Schlußakten von 1899 festgesetzte Verbot „Geschosse zu verwenden, die sich leicht im menschlichen Körper ausdehnen oder plattdrücken, der Art. wie Geschosse mit hartem Mantel, der den Kern nicht ganz umhüllt oder mit Einschnitten versehen ist", so der in letzter Zeit bei unseren Gegnern mehrfach aufgefundenen Dum-Dum°Geschosse. Bei Verwundeten und Gefangenen wird außerdem eine schutzwerte Eigentumssphäre anerkannt. Ihr persönliches Privat¬ eigentum verbleibt ihnen unangetastet mit Ausnahme der Waffen, Pferde und Schriftstücke militärischen Inhalts. Ebenso wird das bei den Gefallenen vor¬ gefundene Privateigentum zurückgesandt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/380>, abgerufen am 04.07.2024.