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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Neue Bücher über Musik

Will man den Unterschied zwischen einem krankhaft veranlagten und einem
bis zum äußersten temperamentvollen und erregbaren, dabei aber innerlich
gesunden Künstler kennen lernen, so vergleiche man die Briefe Wolfs mit den¬
jenigen Wagners. Aus deren bisher veröffentlichter Masse, die nicht weniger
als siebzehn Bände füllt, liegt jetzt eine geschickt getroffene Auswahl in einem
Bande vor (Richard Wagner, sein Leben in Briefen, eine Auswahl aus
den Briefen des Meisters mit biographischen Einleitungen, herausgegeben von
Dr. Karl Siegmund Benedict, mit einem Bildnis, Breitkopf u, Härteis Musik¬
bücher, Leipzig. 1913), welche die oben erwähnten Vorzüge einer Auslese gegen
eine Gesamtausgabe durchaus bewährt. Da begegnen wir kaum einem Brief,
der nicht unser Interesse in Anspruch nimmt, der nicht eine Seite des mensch¬
lichen oder künstlerischen Charakters Wagners scharf beleuchtet. Ein näheres
Besprechen des Inhalts hätte bei der weiten Verbreitung der Wagnerbriefe keinen
Zweck. Nur eine einzige Stelle möchte ich herausgreifen. Am 30. Januar 1844
schreibt Wagner von Dresden aus an den Berliner Journalisten Carl Gaillard:

"Zunächst kann mich kein Stoff anziehen als nur ein solcher, der sich mir
nicht nur in seiner dichterischen, sondern auch in seiner musikalischen Bedeutung
zugleich darstellt. Ehe ich daran gehe, einen Vers zu machen, ja eine Szene
zu entwerfen, bin ich bereits in dem musikalischen Dufte meiner Schöpfung
berauscht. Ich habe alle Töne, alle charakteristischen Motive im Kopf, so daß,
wenn dann die Verse fertig und die Szenen geordnet sind, für mich die eigentliche
Oper ebenfalls schon fertig ist und die detaillierte musikalische Behandlung mehr
eine ruhige und besonnene Nacharbeit ist, der das Moment des eigentlichen
Produzierens bereits vorangegangen ist."

Genau wie Mozart gewinnt also auch Wagner seine hauptsächlichsten
musikalischen Gedanken aus dem Gehalt der Dichtung, nicht aus ihrem besonderen
sprachlichen Ausdruck. Diese Übereinstimmung der beiden großen Musikdramatiker
ist wohl geeignet, uns das wahre Verhältnis zwischen Musik und Poesie in
bezug auf ihr Zusammenwirken erkennen zu lassen.






Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden kann.




"achdrmk sSmrttcher Aufsitze nur "it äusdrüllttchrr Erlaubnis de" Verlags geft-edel.
Ver"ut""rtlich: der Herausgeber George Tleinow in Berlin-Schöneberg. -- Wanustriptsendungen und vri"t"
werden erbeten unter der Adresse: A" de" Herotsneber der Greuzbsten in Berlin-Fricdena", Hcdwigstr. 1".
S"us"r"es"r der Schriftleitun": Amt Abt-ut ZSM, des V-rlagS: Amt Lützow Mit). Verlag: Verlag der "renzboten S. in, b. H, in Berlin SV 11.
Drü-k: ."er Reichtdete" ". ", i. H. in Berlin 11, Dessau" Strich- SS/S7.
Neue Bücher über Musik

Will man den Unterschied zwischen einem krankhaft veranlagten und einem
bis zum äußersten temperamentvollen und erregbaren, dabei aber innerlich
gesunden Künstler kennen lernen, so vergleiche man die Briefe Wolfs mit den¬
jenigen Wagners. Aus deren bisher veröffentlichter Masse, die nicht weniger
als siebzehn Bände füllt, liegt jetzt eine geschickt getroffene Auswahl in einem
Bande vor (Richard Wagner, sein Leben in Briefen, eine Auswahl aus
den Briefen des Meisters mit biographischen Einleitungen, herausgegeben von
Dr. Karl Siegmund Benedict, mit einem Bildnis, Breitkopf u, Härteis Musik¬
bücher, Leipzig. 1913), welche die oben erwähnten Vorzüge einer Auslese gegen
eine Gesamtausgabe durchaus bewährt. Da begegnen wir kaum einem Brief,
der nicht unser Interesse in Anspruch nimmt, der nicht eine Seite des mensch¬
lichen oder künstlerischen Charakters Wagners scharf beleuchtet. Ein näheres
Besprechen des Inhalts hätte bei der weiten Verbreitung der Wagnerbriefe keinen
Zweck. Nur eine einzige Stelle möchte ich herausgreifen. Am 30. Januar 1844
schreibt Wagner von Dresden aus an den Berliner Journalisten Carl Gaillard:

„Zunächst kann mich kein Stoff anziehen als nur ein solcher, der sich mir
nicht nur in seiner dichterischen, sondern auch in seiner musikalischen Bedeutung
zugleich darstellt. Ehe ich daran gehe, einen Vers zu machen, ja eine Szene
zu entwerfen, bin ich bereits in dem musikalischen Dufte meiner Schöpfung
berauscht. Ich habe alle Töne, alle charakteristischen Motive im Kopf, so daß,
wenn dann die Verse fertig und die Szenen geordnet sind, für mich die eigentliche
Oper ebenfalls schon fertig ist und die detaillierte musikalische Behandlung mehr
eine ruhige und besonnene Nacharbeit ist, der das Moment des eigentlichen
Produzierens bereits vorangegangen ist."

Genau wie Mozart gewinnt also auch Wagner seine hauptsächlichsten
musikalischen Gedanken aus dem Gehalt der Dichtung, nicht aus ihrem besonderen
sprachlichen Ausdruck. Diese Übereinstimmung der beiden großen Musikdramatiker
ist wohl geeignet, uns das wahre Verhältnis zwischen Musik und Poesie in
bezug auf ihr Zusammenwirken erkennen zu lassen.






Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden kann.




«achdrmk sSmrttcher Aufsitze nur «it äusdrüllttchrr Erlaubnis de» Verlags geft-edel.
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werden erbeten unter der Adresse: A» de» Herotsneber der Greuzbsten in Berlin-Fricdena«, Hcdwigstr. 1».
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[0300] Neue Bücher über Musik Will man den Unterschied zwischen einem krankhaft veranlagten und einem bis zum äußersten temperamentvollen und erregbaren, dabei aber innerlich gesunden Künstler kennen lernen, so vergleiche man die Briefe Wolfs mit den¬ jenigen Wagners. Aus deren bisher veröffentlichter Masse, die nicht weniger als siebzehn Bände füllt, liegt jetzt eine geschickt getroffene Auswahl in einem Bande vor (Richard Wagner, sein Leben in Briefen, eine Auswahl aus den Briefen des Meisters mit biographischen Einleitungen, herausgegeben von Dr. Karl Siegmund Benedict, mit einem Bildnis, Breitkopf u, Härteis Musik¬ bücher, Leipzig. 1913), welche die oben erwähnten Vorzüge einer Auslese gegen eine Gesamtausgabe durchaus bewährt. Da begegnen wir kaum einem Brief, der nicht unser Interesse in Anspruch nimmt, der nicht eine Seite des mensch¬ lichen oder künstlerischen Charakters Wagners scharf beleuchtet. Ein näheres Besprechen des Inhalts hätte bei der weiten Verbreitung der Wagnerbriefe keinen Zweck. Nur eine einzige Stelle möchte ich herausgreifen. Am 30. Januar 1844 schreibt Wagner von Dresden aus an den Berliner Journalisten Carl Gaillard: „Zunächst kann mich kein Stoff anziehen als nur ein solcher, der sich mir nicht nur in seiner dichterischen, sondern auch in seiner musikalischen Bedeutung zugleich darstellt. Ehe ich daran gehe, einen Vers zu machen, ja eine Szene zu entwerfen, bin ich bereits in dem musikalischen Dufte meiner Schöpfung berauscht. Ich habe alle Töne, alle charakteristischen Motive im Kopf, so daß, wenn dann die Verse fertig und die Szenen geordnet sind, für mich die eigentliche Oper ebenfalls schon fertig ist und die detaillierte musikalische Behandlung mehr eine ruhige und besonnene Nacharbeit ist, der das Moment des eigentlichen Produzierens bereits vorangegangen ist." Genau wie Mozart gewinnt also auch Wagner seine hauptsächlichsten musikalischen Gedanken aus dem Gehalt der Dichtung, nicht aus ihrem besonderen sprachlichen Ausdruck. Diese Übereinstimmung der beiden großen Musikdramatiker ist wohl geeignet, uns das wahre Verhältnis zwischen Musik und Poesie in bezug auf ihr Zusammenwirken erkennen zu lassen. Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung nicht verbürgt werden kann. «achdrmk sSmrttcher Aufsitze nur «it äusdrüllttchrr Erlaubnis de» Verlags geft-edel. Ver«ut»»rtlich: der Herausgeber George Tleinow in Berlin-Schöneberg. — Wanustriptsendungen und vri»t» werden erbeten unter der Adresse: A» de» Herotsneber der Greuzbsten in Berlin-Fricdena«, Hcdwigstr. 1». S«us»r»es«r der Schriftleitun»: Amt Abt-ut ZSM, des V-rlagS: Amt Lützow Mit). Verlag: Verlag der «renzboten S. in, b. H, in Berlin SV 11. Drü-k: .»er Reichtdete" «. «, i. H. in Berlin 11, Dessau« Strich- SS/S7.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/300>, abgerufen am 30.06.2024.