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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Deutsche Fürsten auf fremden und Ausländer auf deutschen Thronen

Indem Königin Viktoria, die Erbtochter des Welfenstammes, sich mit dem
Prinzen Albert von Sachsen-Koburg-Gotha vermählte, wurde ein frisches deutsches
Reis auf dem seit Menschenaltern bereits in England ansässigen, im übrigen
rein deutschen, englischen Königsstamm gepflanzt. Noch vor fünfzig Jahren
war die Familiensprache am englischen Hofe deutsch. Und die englische Königin
aus dem Hause Teck stammt aus einer vom württembergischen Königshause
als unebenbürtig ausgeschiedenen Nebenlinie. Wenn die Engländer mit ihrer
Verfolgung des Deutschtums fortfahren und auch die in England naturalisierten
Deutschen in Konzentrationslagern einsperren, so können sie mit ihrem ganzen
Königshause anfangen.

In Rußland hat man noch vor kurzem preisend mit viel schönen Reden
die dreihundertjährige Jubelfeier der Dynastie Romanow begangen. Die Russen
mußten es glauben, daß sie von echt russischen Romanows regiert wurden,
anderswo hatte man dafür nur ein Kopfschütteln. Mit demselben Rechte
könnten die Hohenzollern sich Welsen nennen, weil einmal von weiblicher Seite
im achtzehnten Jahrhundert welfisches Blut in ihre Adern gekommen ist. War
wirklich Kaiser Paul ein Sohn Peters des Dritten und der Kaiserin Katharina
der Zweiten, so gehört das russische Kaiserhaus zum großen Gesamthause Olden¬
burg und insbesondere zu dessen Linie Holstein-Gottorp. Echte Slawen vom
Mannesstamme her wären sie nur, wenn nicht Peter der Dritte, sondern
Katharinas Günstling Soltikow der Vater Pauls des Ersten war. Also die russischen
Romanows scheiden ganz aus. Entweder sind der russische Kaiser und seine
Großfürsten Deutsche oder, wenn sie Slawen sind, haben sie kein Recht auf
den russischen Thron.

Auf Grund Jahrhunderte langer Erfahrungen kann man in Deutschland
wirklich keinen Wert darauf legen, daß deutsche Dynastien fremde Throne
besitzen. Denn dieser Teil des hohen Adels deutscher Nation geht eben dem
Deutschtum verloren.

Aber ebenso wenig find deutsche Throne für ausländische Fürsten da.

Vom Untergange des heiligen römischen Reiches deutscher Nation bis zur
Begründung des deutschen Bundes, erschien Deutschland geradezu als die große
Masse, aus der man Entschädigungen an Land und Leuten für fremde Fürsten
herausschnitt. Im Reichsdeputationshauptschlusse von 1303 wurden Toskana
und Modena für ihre verlorenen italienischen Länder mit Salzburg und dem
Breisgau entschädigt, die Oranier mit Fulda - Corvey. Die napoleonischen
Vasallenstaaten Westfalen und Berg für Jerome und Murat folgten. Aber
noch nach der vernichtenden Niederlage Frankreichs hofften auf dem Wiener
Kongresse von 1815 Jerome und seine Gattin, eine württembergische Prinzessin,
auf ein "Etablissement in Deutschland" mit Land und Leuten. Diese Zeiten
sind glücklicher Weise für immer vorüber.

Aber noch nicht ausgeschlossen ist die Möglichkeit, daß Linien deutscher
Dynastien, die einen ausländischen Thron inne haben und dem Deutschtum


Deutsche Fürsten auf fremden und Ausländer auf deutschen Thronen

Indem Königin Viktoria, die Erbtochter des Welfenstammes, sich mit dem
Prinzen Albert von Sachsen-Koburg-Gotha vermählte, wurde ein frisches deutsches
Reis auf dem seit Menschenaltern bereits in England ansässigen, im übrigen
rein deutschen, englischen Königsstamm gepflanzt. Noch vor fünfzig Jahren
war die Familiensprache am englischen Hofe deutsch. Und die englische Königin
aus dem Hause Teck stammt aus einer vom württembergischen Königshause
als unebenbürtig ausgeschiedenen Nebenlinie. Wenn die Engländer mit ihrer
Verfolgung des Deutschtums fortfahren und auch die in England naturalisierten
Deutschen in Konzentrationslagern einsperren, so können sie mit ihrem ganzen
Königshause anfangen.

In Rußland hat man noch vor kurzem preisend mit viel schönen Reden
die dreihundertjährige Jubelfeier der Dynastie Romanow begangen. Die Russen
mußten es glauben, daß sie von echt russischen Romanows regiert wurden,
anderswo hatte man dafür nur ein Kopfschütteln. Mit demselben Rechte
könnten die Hohenzollern sich Welsen nennen, weil einmal von weiblicher Seite
im achtzehnten Jahrhundert welfisches Blut in ihre Adern gekommen ist. War
wirklich Kaiser Paul ein Sohn Peters des Dritten und der Kaiserin Katharina
der Zweiten, so gehört das russische Kaiserhaus zum großen Gesamthause Olden¬
burg und insbesondere zu dessen Linie Holstein-Gottorp. Echte Slawen vom
Mannesstamme her wären sie nur, wenn nicht Peter der Dritte, sondern
Katharinas Günstling Soltikow der Vater Pauls des Ersten war. Also die russischen
Romanows scheiden ganz aus. Entweder sind der russische Kaiser und seine
Großfürsten Deutsche oder, wenn sie Slawen sind, haben sie kein Recht auf
den russischen Thron.

Auf Grund Jahrhunderte langer Erfahrungen kann man in Deutschland
wirklich keinen Wert darauf legen, daß deutsche Dynastien fremde Throne
besitzen. Denn dieser Teil des hohen Adels deutscher Nation geht eben dem
Deutschtum verloren.

Aber ebenso wenig find deutsche Throne für ausländische Fürsten da.

Vom Untergange des heiligen römischen Reiches deutscher Nation bis zur
Begründung des deutschen Bundes, erschien Deutschland geradezu als die große
Masse, aus der man Entschädigungen an Land und Leuten für fremde Fürsten
herausschnitt. Im Reichsdeputationshauptschlusse von 1303 wurden Toskana
und Modena für ihre verlorenen italienischen Länder mit Salzburg und dem
Breisgau entschädigt, die Oranier mit Fulda - Corvey. Die napoleonischen
Vasallenstaaten Westfalen und Berg für Jerome und Murat folgten. Aber
noch nach der vernichtenden Niederlage Frankreichs hofften auf dem Wiener
Kongresse von 1815 Jerome und seine Gattin, eine württembergische Prinzessin,
auf ein „Etablissement in Deutschland" mit Land und Leuten. Diese Zeiten
sind glücklicher Weise für immer vorüber.

Aber noch nicht ausgeschlossen ist die Möglichkeit, daß Linien deutscher
Dynastien, die einen ausländischen Thron inne haben und dem Deutschtum


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[0286] Deutsche Fürsten auf fremden und Ausländer auf deutschen Thronen Indem Königin Viktoria, die Erbtochter des Welfenstammes, sich mit dem Prinzen Albert von Sachsen-Koburg-Gotha vermählte, wurde ein frisches deutsches Reis auf dem seit Menschenaltern bereits in England ansässigen, im übrigen rein deutschen, englischen Königsstamm gepflanzt. Noch vor fünfzig Jahren war die Familiensprache am englischen Hofe deutsch. Und die englische Königin aus dem Hause Teck stammt aus einer vom württembergischen Königshause als unebenbürtig ausgeschiedenen Nebenlinie. Wenn die Engländer mit ihrer Verfolgung des Deutschtums fortfahren und auch die in England naturalisierten Deutschen in Konzentrationslagern einsperren, so können sie mit ihrem ganzen Königshause anfangen. In Rußland hat man noch vor kurzem preisend mit viel schönen Reden die dreihundertjährige Jubelfeier der Dynastie Romanow begangen. Die Russen mußten es glauben, daß sie von echt russischen Romanows regiert wurden, anderswo hatte man dafür nur ein Kopfschütteln. Mit demselben Rechte könnten die Hohenzollern sich Welsen nennen, weil einmal von weiblicher Seite im achtzehnten Jahrhundert welfisches Blut in ihre Adern gekommen ist. War wirklich Kaiser Paul ein Sohn Peters des Dritten und der Kaiserin Katharina der Zweiten, so gehört das russische Kaiserhaus zum großen Gesamthause Olden¬ burg und insbesondere zu dessen Linie Holstein-Gottorp. Echte Slawen vom Mannesstamme her wären sie nur, wenn nicht Peter der Dritte, sondern Katharinas Günstling Soltikow der Vater Pauls des Ersten war. Also die russischen Romanows scheiden ganz aus. Entweder sind der russische Kaiser und seine Großfürsten Deutsche oder, wenn sie Slawen sind, haben sie kein Recht auf den russischen Thron. Auf Grund Jahrhunderte langer Erfahrungen kann man in Deutschland wirklich keinen Wert darauf legen, daß deutsche Dynastien fremde Throne besitzen. Denn dieser Teil des hohen Adels deutscher Nation geht eben dem Deutschtum verloren. Aber ebenso wenig find deutsche Throne für ausländische Fürsten da. Vom Untergange des heiligen römischen Reiches deutscher Nation bis zur Begründung des deutschen Bundes, erschien Deutschland geradezu als die große Masse, aus der man Entschädigungen an Land und Leuten für fremde Fürsten herausschnitt. Im Reichsdeputationshauptschlusse von 1303 wurden Toskana und Modena für ihre verlorenen italienischen Länder mit Salzburg und dem Breisgau entschädigt, die Oranier mit Fulda - Corvey. Die napoleonischen Vasallenstaaten Westfalen und Berg für Jerome und Murat folgten. Aber noch nach der vernichtenden Niederlage Frankreichs hofften auf dem Wiener Kongresse von 1815 Jerome und seine Gattin, eine württembergische Prinzessin, auf ein „Etablissement in Deutschland" mit Land und Leuten. Diese Zeiten sind glücklicher Weise für immer vorüber. Aber noch nicht ausgeschlossen ist die Möglichkeit, daß Linien deutscher Dynastien, die einen ausländischen Thron inne haben und dem Deutschtum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/286>, abgerufen am 30.06.2024.