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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Bemerkungen zur osteuropäischen Frage

Die nachfolgenden, sehr beachtenswerten Ausführungen entnehmen
wir mit Genehmigung des Herrn Verfassers sowie des Herrn Rechts¬
Die Schriftleitung anwalts Claß den Altdeutschen Blättern.

i^Mi^ussische Volkswirte haben es ziffernmäßig erwiesen, daß die russische
Weltpolitik vom Gelde der fremdstämmigen Reichsteile unterhalten
wird. Die großrussischen Provinzen kosten dem Staate mehr,
als sie einbringen. Ausgenommen sind nur Moskau und Wladimir
mit ihrer Großindustrie. Dagegen liefern die Ostseeprovinzen
Estland. Livland, Kurland einen guten Überschuß. Polen mit seiner blühenden
Landwirtschaft, seiner Großindustrie, dem Minendistrilt, ist für den russischen
Staat eine Goldgrube. Kleinrußland mit seinem Schwarzerdedistrikt, seiner
Hüttenindustrie und den Minen desDonezbeckens liefert ebenfalls einen beträchtlichen
Überschuß für die Staatskasse. Dasselbe gilt von Kaukasien. das so reich an
Petroleum und Erzen ist. Würden die Großrussen diese Gebiete verlieren, so
wären sie nicht imstande, mit ihren eigenen schwachen Kräften die Lasten ihrer
Welteroberungspolitik zu tragen, unter der nicht bloß die der Verrussung und
Ausbeutung unterworfenen fremdstämmischen, sondern in hohem Grade auch die
großrussischen Gebiete leiden. Der Russenstaat hat für die Förderung der gro߬
russischen Provinzen kein Geld verfügbar. Oka und Wolga versanden und
versumpfen, Geld, sie zu regulieren, ist nicht da. Für den Wege- und Schulbau
fehlen die Mittel, die reichlich fließen, wenn es sich darum handelt, neue Gebiete
zu erobern und Rußlands Grenzen ins Endlose auszudehnen. Darum gibt es
w Großrußland viele angesehene und patriotische, cchtrussische Männer, die es
offen aussprechen, daß Großrußland aus seinem Elend nicht eher erlöst werden
könne, als bis die petrinische Politik der Welteroberung zusammengebrochen sei.
Für Nußland sei der Verlust der fremdstämmigen Grenzgebiete das giößte Glück,
denn dann würde die Negierung endlich gezwungen sein, auf eine wahnsinnige


IV ttUt 16


Bemerkungen zur osteuropäischen Frage

Die nachfolgenden, sehr beachtenswerten Ausführungen entnehmen
wir mit Genehmigung des Herrn Verfassers sowie des Herrn Rechts¬
Die Schriftleitung anwalts Claß den Altdeutschen Blättern.

i^Mi^ussische Volkswirte haben es ziffernmäßig erwiesen, daß die russische
Weltpolitik vom Gelde der fremdstämmigen Reichsteile unterhalten
wird. Die großrussischen Provinzen kosten dem Staate mehr,
als sie einbringen. Ausgenommen sind nur Moskau und Wladimir
mit ihrer Großindustrie. Dagegen liefern die Ostseeprovinzen
Estland. Livland, Kurland einen guten Überschuß. Polen mit seiner blühenden
Landwirtschaft, seiner Großindustrie, dem Minendistrilt, ist für den russischen
Staat eine Goldgrube. Kleinrußland mit seinem Schwarzerdedistrikt, seiner
Hüttenindustrie und den Minen desDonezbeckens liefert ebenfalls einen beträchtlichen
Überschuß für die Staatskasse. Dasselbe gilt von Kaukasien. das so reich an
Petroleum und Erzen ist. Würden die Großrussen diese Gebiete verlieren, so
wären sie nicht imstande, mit ihren eigenen schwachen Kräften die Lasten ihrer
Welteroberungspolitik zu tragen, unter der nicht bloß die der Verrussung und
Ausbeutung unterworfenen fremdstämmischen, sondern in hohem Grade auch die
großrussischen Gebiete leiden. Der Russenstaat hat für die Förderung der gro߬
russischen Provinzen kein Geld verfügbar. Oka und Wolga versanden und
versumpfen, Geld, sie zu regulieren, ist nicht da. Für den Wege- und Schulbau
fehlen die Mittel, die reichlich fließen, wenn es sich darum handelt, neue Gebiete
zu erobern und Rußlands Grenzen ins Endlose auszudehnen. Darum gibt es
w Großrußland viele angesehene und patriotische, cchtrussische Männer, die es
offen aussprechen, daß Großrußland aus seinem Elend nicht eher erlöst werden
könne, als bis die petrinische Politik der Welteroberung zusammengebrochen sei.
Für Nußland sei der Verlust der fremdstämmigen Grenzgebiete das giößte Glück,
denn dann würde die Negierung endlich gezwungen sein, auf eine wahnsinnige


IV ttUt 16
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[0237] [Abbildung] Bemerkungen zur osteuropäischen Frage Die nachfolgenden, sehr beachtenswerten Ausführungen entnehmen wir mit Genehmigung des Herrn Verfassers sowie des Herrn Rechts¬ Die Schriftleitung anwalts Claß den Altdeutschen Blättern. i^Mi^ussische Volkswirte haben es ziffernmäßig erwiesen, daß die russische Weltpolitik vom Gelde der fremdstämmigen Reichsteile unterhalten wird. Die großrussischen Provinzen kosten dem Staate mehr, als sie einbringen. Ausgenommen sind nur Moskau und Wladimir mit ihrer Großindustrie. Dagegen liefern die Ostseeprovinzen Estland. Livland, Kurland einen guten Überschuß. Polen mit seiner blühenden Landwirtschaft, seiner Großindustrie, dem Minendistrilt, ist für den russischen Staat eine Goldgrube. Kleinrußland mit seinem Schwarzerdedistrikt, seiner Hüttenindustrie und den Minen desDonezbeckens liefert ebenfalls einen beträchtlichen Überschuß für die Staatskasse. Dasselbe gilt von Kaukasien. das so reich an Petroleum und Erzen ist. Würden die Großrussen diese Gebiete verlieren, so wären sie nicht imstande, mit ihren eigenen schwachen Kräften die Lasten ihrer Welteroberungspolitik zu tragen, unter der nicht bloß die der Verrussung und Ausbeutung unterworfenen fremdstämmischen, sondern in hohem Grade auch die großrussischen Gebiete leiden. Der Russenstaat hat für die Förderung der gro߬ russischen Provinzen kein Geld verfügbar. Oka und Wolga versanden und versumpfen, Geld, sie zu regulieren, ist nicht da. Für den Wege- und Schulbau fehlen die Mittel, die reichlich fließen, wenn es sich darum handelt, neue Gebiete zu erobern und Rußlands Grenzen ins Endlose auszudehnen. Darum gibt es w Großrußland viele angesehene und patriotische, cchtrussische Männer, die es offen aussprechen, daß Großrußland aus seinem Elend nicht eher erlöst werden könne, als bis die petrinische Politik der Welteroberung zusammengebrochen sei. Für Nußland sei der Verlust der fremdstämmigen Grenzgebiete das giößte Glück, denn dann würde die Negierung endlich gezwungen sein, auf eine wahnsinnige IV ttUt 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/237>, abgerufen am 02.07.2024.