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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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(im weitesten Sinn) in der Besetzung solcher führenden Stellungen, diese beiden
Umstände bewirken, daß die Wege noch nach Betätigung für schaffende Persönlich¬
keiten langwierig, langweilig und eng werden. Wo aber innerer Reichtum ist,
da ist der Drang nach Betätigung oberstes Bedürfnis, das Anschlußbedürfnis
aber an eine Volksmenge, auch wenn es das eigene Volk ist, ist bei innerem
Reichtum geringer; ein reiches Gemüt -- wobei unter Reichtum des Gemüts
nicht immer ausschließlich edelste, sondern vor allem positive Seelenregungen
zu verstehen sind -- bleibt auch außerhalb solchen Anschlusses innerlich lebens¬
fähig. Das mehr oder minder klare Gefühl für die Notwendigkeit des eigenen
Volkstums aber trifft mit dem Drang nach schaffender Betätigung nur zufällig
und nur in Ausnahmezeiten in höherem Maße zusammen, während die negative
Volkstreue, die Treue aus allgemeiner innerer Armut eine sicherer wirkende,
auf das ganze Volk sich erstreckende sein wird.

Die inneren und äußeren Hindernisse nun, die sich bei so vielen Deutschen
der Betätigung des inneren Reichtums auf deutschem Volksgebiet in den Weg
stellen, fallen außerhalb desselben vielfach weg. Daher sahen wir Deutsche
abströmen dahin, wo die Welt ihnen ein weiteres Feld offen läßt, als es im
eigenen Volkstum möglich war. Wozu der einzelne innerhalb seines Volkes
keine, oder wenigstens keine leichte Möglichkeit ersah, das findet er draußen;
jetzt sieht er erst, was er leisten kann, und leicht schleicht sich ein Gefühl in
seine Brust, er sei innerhalb des eigenen Volkes verkannt, nicht gewürdigt
worden, ein Gefühl der Bitterkeit bemächtigt sich seiner, und wenn der Mensch
in ihm nicht edel ist, schlägt das Gefühl der Bitterkeit leicht in grollenden
(nicht neidischen!) Haß um. Auch die Deutschen aber sind als Einzelpersonen
genommen in ihrer Mehrheit nicht edel, mögen sie es auch als Volk sein.
Persönlich edle Naturen sind allenthalben bloß Ausnahmen. Aber ganz abgesehen
von diesem psychologisch leicht erklärlichen Groll geht er in der fremden
Umgebung gewisse Verpflichtungen ein, die er nun mit jener Treue wahrt, die
ein besonderes Kennzeichen des Deutschtums ist. Die Verpflichtungen können
ausgesprochen sein (fremder Staatsdienst), sie können auch für ein treues Gemüt
rein aus der Sache sich ergeben. Treue aber war von jeher bei den Deutschen
nicht eine völkische Sache, dies nur dann, wenn er seinem Volk, Kaiser, Vater¬
land usw. Treue gelobt hat, sondern eine rein persönliche Angelegenheit, jeder
der Sache treu, der er sich aus irgendeinem Grund ergeben hatte.

Wir finden es nun vielleicht erklärlich, warum das Renegatentum seiner
Häufigkeit und seinem Wesen nach eine deutsche Erscheinung ist, eine Schatten¬
seite, wo viel Licht ist; um die Erscheinung aber noch besser zu verstehen, sollen
zwei jener Ausnahmefälle angeführt werden, wo es sich um Nichtdeutsche handelt,
wo wir also leidenschaftslos an die Erscheinungen herantreten können. Ein
Beispiel der besten Art bildet wohl Prinz Eugen, der aus seinem Reichtum
heraus einen Wirkungskreis außerhalb seines Volkstums suchen mußte und aus
Treue zur Sache, aber ohne Erbitterung auch gegen sein eigenes Volkstum


Remienkcunpf- Loriola»

(im weitesten Sinn) in der Besetzung solcher führenden Stellungen, diese beiden
Umstände bewirken, daß die Wege noch nach Betätigung für schaffende Persönlich¬
keiten langwierig, langweilig und eng werden. Wo aber innerer Reichtum ist,
da ist der Drang nach Betätigung oberstes Bedürfnis, das Anschlußbedürfnis
aber an eine Volksmenge, auch wenn es das eigene Volk ist, ist bei innerem
Reichtum geringer; ein reiches Gemüt — wobei unter Reichtum des Gemüts
nicht immer ausschließlich edelste, sondern vor allem positive Seelenregungen
zu verstehen sind — bleibt auch außerhalb solchen Anschlusses innerlich lebens¬
fähig. Das mehr oder minder klare Gefühl für die Notwendigkeit des eigenen
Volkstums aber trifft mit dem Drang nach schaffender Betätigung nur zufällig
und nur in Ausnahmezeiten in höherem Maße zusammen, während die negative
Volkstreue, die Treue aus allgemeiner innerer Armut eine sicherer wirkende,
auf das ganze Volk sich erstreckende sein wird.

Die inneren und äußeren Hindernisse nun, die sich bei so vielen Deutschen
der Betätigung des inneren Reichtums auf deutschem Volksgebiet in den Weg
stellen, fallen außerhalb desselben vielfach weg. Daher sahen wir Deutsche
abströmen dahin, wo die Welt ihnen ein weiteres Feld offen läßt, als es im
eigenen Volkstum möglich war. Wozu der einzelne innerhalb seines Volkes
keine, oder wenigstens keine leichte Möglichkeit ersah, das findet er draußen;
jetzt sieht er erst, was er leisten kann, und leicht schleicht sich ein Gefühl in
seine Brust, er sei innerhalb des eigenen Volkes verkannt, nicht gewürdigt
worden, ein Gefühl der Bitterkeit bemächtigt sich seiner, und wenn der Mensch
in ihm nicht edel ist, schlägt das Gefühl der Bitterkeit leicht in grollenden
(nicht neidischen!) Haß um. Auch die Deutschen aber sind als Einzelpersonen
genommen in ihrer Mehrheit nicht edel, mögen sie es auch als Volk sein.
Persönlich edle Naturen sind allenthalben bloß Ausnahmen. Aber ganz abgesehen
von diesem psychologisch leicht erklärlichen Groll geht er in der fremden
Umgebung gewisse Verpflichtungen ein, die er nun mit jener Treue wahrt, die
ein besonderes Kennzeichen des Deutschtums ist. Die Verpflichtungen können
ausgesprochen sein (fremder Staatsdienst), sie können auch für ein treues Gemüt
rein aus der Sache sich ergeben. Treue aber war von jeher bei den Deutschen
nicht eine völkische Sache, dies nur dann, wenn er seinem Volk, Kaiser, Vater¬
land usw. Treue gelobt hat, sondern eine rein persönliche Angelegenheit, jeder
der Sache treu, der er sich aus irgendeinem Grund ergeben hatte.

Wir finden es nun vielleicht erklärlich, warum das Renegatentum seiner
Häufigkeit und seinem Wesen nach eine deutsche Erscheinung ist, eine Schatten¬
seite, wo viel Licht ist; um die Erscheinung aber noch besser zu verstehen, sollen
zwei jener Ausnahmefälle angeführt werden, wo es sich um Nichtdeutsche handelt,
wo wir also leidenschaftslos an die Erscheinungen herantreten können. Ein
Beispiel der besten Art bildet wohl Prinz Eugen, der aus seinem Reichtum
heraus einen Wirkungskreis außerhalb seines Volkstums suchen mußte und aus
Treue zur Sache, aber ohne Erbitterung auch gegen sein eigenes Volkstum


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[0136] Remienkcunpf- Loriola» (im weitesten Sinn) in der Besetzung solcher führenden Stellungen, diese beiden Umstände bewirken, daß die Wege noch nach Betätigung für schaffende Persönlich¬ keiten langwierig, langweilig und eng werden. Wo aber innerer Reichtum ist, da ist der Drang nach Betätigung oberstes Bedürfnis, das Anschlußbedürfnis aber an eine Volksmenge, auch wenn es das eigene Volk ist, ist bei innerem Reichtum geringer; ein reiches Gemüt — wobei unter Reichtum des Gemüts nicht immer ausschließlich edelste, sondern vor allem positive Seelenregungen zu verstehen sind — bleibt auch außerhalb solchen Anschlusses innerlich lebens¬ fähig. Das mehr oder minder klare Gefühl für die Notwendigkeit des eigenen Volkstums aber trifft mit dem Drang nach schaffender Betätigung nur zufällig und nur in Ausnahmezeiten in höherem Maße zusammen, während die negative Volkstreue, die Treue aus allgemeiner innerer Armut eine sicherer wirkende, auf das ganze Volk sich erstreckende sein wird. Die inneren und äußeren Hindernisse nun, die sich bei so vielen Deutschen der Betätigung des inneren Reichtums auf deutschem Volksgebiet in den Weg stellen, fallen außerhalb desselben vielfach weg. Daher sahen wir Deutsche abströmen dahin, wo die Welt ihnen ein weiteres Feld offen läßt, als es im eigenen Volkstum möglich war. Wozu der einzelne innerhalb seines Volkes keine, oder wenigstens keine leichte Möglichkeit ersah, das findet er draußen; jetzt sieht er erst, was er leisten kann, und leicht schleicht sich ein Gefühl in seine Brust, er sei innerhalb des eigenen Volkes verkannt, nicht gewürdigt worden, ein Gefühl der Bitterkeit bemächtigt sich seiner, und wenn der Mensch in ihm nicht edel ist, schlägt das Gefühl der Bitterkeit leicht in grollenden (nicht neidischen!) Haß um. Auch die Deutschen aber sind als Einzelpersonen genommen in ihrer Mehrheit nicht edel, mögen sie es auch als Volk sein. Persönlich edle Naturen sind allenthalben bloß Ausnahmen. Aber ganz abgesehen von diesem psychologisch leicht erklärlichen Groll geht er in der fremden Umgebung gewisse Verpflichtungen ein, die er nun mit jener Treue wahrt, die ein besonderes Kennzeichen des Deutschtums ist. Die Verpflichtungen können ausgesprochen sein (fremder Staatsdienst), sie können auch für ein treues Gemüt rein aus der Sache sich ergeben. Treue aber war von jeher bei den Deutschen nicht eine völkische Sache, dies nur dann, wenn er seinem Volk, Kaiser, Vater¬ land usw. Treue gelobt hat, sondern eine rein persönliche Angelegenheit, jeder der Sache treu, der er sich aus irgendeinem Grund ergeben hatte. Wir finden es nun vielleicht erklärlich, warum das Renegatentum seiner Häufigkeit und seinem Wesen nach eine deutsche Erscheinung ist, eine Schatten¬ seite, wo viel Licht ist; um die Erscheinung aber noch besser zu verstehen, sollen zwei jener Ausnahmefälle angeführt werden, wo es sich um Nichtdeutsche handelt, wo wir also leidenschaftslos an die Erscheinungen herantreten können. Ein Beispiel der besten Art bildet wohl Prinz Eugen, der aus seinem Reichtum heraus einen Wirkungskreis außerhalb seines Volkstums suchen mußte und aus Treue zur Sache, aber ohne Erbitterung auch gegen sein eigenes Volkstum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/136>, abgerufen am 30.06.2024.