Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Remienkamxf - "Loriolcm

Eine andere Volkstreue ist die Treue aus der mehr oder weniger klaren
Erkenntnis von der organischen Notwendigkeit eines Volkstums, keine egoistische
sondem eine beinahe künstlerische Erkenntnis, allerdings selten klar bewußt und
in Begriffe gebracht; ferner Volkstreue aus der Liebe zu dem einzigartigen
Großen heraus, das nur durch unser Volk in die Welt kam. kommen konnte
und weiter kommen soll. Das ist eine Volkstreue aus dem Reichtum heraus,
sie wird sich immer frei halten von Haß und Neid, sie zeigt Verständnis für
fremde Art und Mitleid dort, wo das eigene -- nicht nur aus eng egoistischen
Gründen höherstehende -- Wohl Rücksichtslosigkeit gegen andere verlangt.
Gewiß sind wir alle, die wir volkstreu sind, es auch aus dem Bedürfnis nach
Anschluß an verwandte Gemüter, also bis zu einem gewissen Grade auch aus
der Armut heraus, aber eben immer nur bis zu einem gewissen Grade, der
kaum zu Haß und Neid gesteigert werden kann; immer aber wo deutsche Volks¬
treue in der Geschichte tatsächlich wirksam geworden ist, ist sie aus dem Reichtum
des Gemüts heraus gewachsen. '

Nun ist natürlich gar kein Zweifel, daß Volkstreue aus Armut sozusagen
rein automatisch, also sicherer wirken wird, als solche aus innerem Reichtum.
Der innere Reichtum findet viele Gebiete, denen er sich zuwenden und wo er
sich betätigen kann. Fehler in der Erziehung, in der Volksorganisation und
in der Staatsverfassung können bewirken, daß gerade das eigene Volkstum nicht
in den Nahmen der inneren Betätigung fällt. Daher werden wir Volkstreue
bei den Deutschen an und für sich seltener finden, sie tritt nicht als unbedingte
Selbstverständlichkeit in unserer Geschichte auf; als Erscheinung beim einzelnen und
damit schließlich auch bei der Gesamtheit haftet ihr etwas sozusagen Zufälliges an;
wo sie aber in Erscheinung tritt, da übertrifft sie an Hoheit, an Adel und Wirkung
alles, was andere Völker aufweisen können, da sie aus dem Reichtum kommt.

Reichtum, Weite des Gemüts, das ist von jeher das Merkmal des Deutsch¬
tums. Innerer Reichtum aber verlangt nach schaffender Arbeit, die Weite nach
etwas, was sie ausfüllt. Nur innerlich arme Völker, nach der Art der heutigen
Franzosen, finden die Erfüllung ihres Lebens in eitler Selbstgenügsamkeit,
Revanche oder rein verneinender Kritik.

Wann aber hätten je in der Geschichte alle Deutschen innerhalb ihrer
Volksgrenzen Feld und Raum genug gefunden, das, was in ihnen nach
Betätigung strebte, zu befriedigen? Das Staatsleben allein schon bringt
Schranken mit sich, notwendige Beschränkungen, die in ihren Einzelheiten oft
verbesserungsfähig sein mögen, in ihrem Wesen aber unvermeidlich sind. Auf
deutschen Staatsgebieten war äußerlich und innerlich nie so viel Raum, daß
alle nach schaffender Betätigung verlangenden Kräfte sich hätten ausleben können.
Führende Stellen in der Staatsverwaltung, beim Militär, im Handel, in der
Industrie, im Landbesitz und in rein geistiger Arbeit, kann es in Deutschland
immer nur in einer begrenzten Zahl geben, der Reichtum an strebenden Kräften
und ein so naturgemäßer und bis zu einen: gewissen Grade berechtigter Erbgang


Remienkamxf - «Loriolcm

Eine andere Volkstreue ist die Treue aus der mehr oder weniger klaren
Erkenntnis von der organischen Notwendigkeit eines Volkstums, keine egoistische
sondem eine beinahe künstlerische Erkenntnis, allerdings selten klar bewußt und
in Begriffe gebracht; ferner Volkstreue aus der Liebe zu dem einzigartigen
Großen heraus, das nur durch unser Volk in die Welt kam. kommen konnte
und weiter kommen soll. Das ist eine Volkstreue aus dem Reichtum heraus,
sie wird sich immer frei halten von Haß und Neid, sie zeigt Verständnis für
fremde Art und Mitleid dort, wo das eigene — nicht nur aus eng egoistischen
Gründen höherstehende — Wohl Rücksichtslosigkeit gegen andere verlangt.
Gewiß sind wir alle, die wir volkstreu sind, es auch aus dem Bedürfnis nach
Anschluß an verwandte Gemüter, also bis zu einem gewissen Grade auch aus
der Armut heraus, aber eben immer nur bis zu einem gewissen Grade, der
kaum zu Haß und Neid gesteigert werden kann; immer aber wo deutsche Volks¬
treue in der Geschichte tatsächlich wirksam geworden ist, ist sie aus dem Reichtum
des Gemüts heraus gewachsen. '

Nun ist natürlich gar kein Zweifel, daß Volkstreue aus Armut sozusagen
rein automatisch, also sicherer wirken wird, als solche aus innerem Reichtum.
Der innere Reichtum findet viele Gebiete, denen er sich zuwenden und wo er
sich betätigen kann. Fehler in der Erziehung, in der Volksorganisation und
in der Staatsverfassung können bewirken, daß gerade das eigene Volkstum nicht
in den Nahmen der inneren Betätigung fällt. Daher werden wir Volkstreue
bei den Deutschen an und für sich seltener finden, sie tritt nicht als unbedingte
Selbstverständlichkeit in unserer Geschichte auf; als Erscheinung beim einzelnen und
damit schließlich auch bei der Gesamtheit haftet ihr etwas sozusagen Zufälliges an;
wo sie aber in Erscheinung tritt, da übertrifft sie an Hoheit, an Adel und Wirkung
alles, was andere Völker aufweisen können, da sie aus dem Reichtum kommt.

Reichtum, Weite des Gemüts, das ist von jeher das Merkmal des Deutsch¬
tums. Innerer Reichtum aber verlangt nach schaffender Arbeit, die Weite nach
etwas, was sie ausfüllt. Nur innerlich arme Völker, nach der Art der heutigen
Franzosen, finden die Erfüllung ihres Lebens in eitler Selbstgenügsamkeit,
Revanche oder rein verneinender Kritik.

Wann aber hätten je in der Geschichte alle Deutschen innerhalb ihrer
Volksgrenzen Feld und Raum genug gefunden, das, was in ihnen nach
Betätigung strebte, zu befriedigen? Das Staatsleben allein schon bringt
Schranken mit sich, notwendige Beschränkungen, die in ihren Einzelheiten oft
verbesserungsfähig sein mögen, in ihrem Wesen aber unvermeidlich sind. Auf
deutschen Staatsgebieten war äußerlich und innerlich nie so viel Raum, daß
alle nach schaffender Betätigung verlangenden Kräfte sich hätten ausleben können.
Führende Stellen in der Staatsverwaltung, beim Militär, im Handel, in der
Industrie, im Landbesitz und in rein geistiger Arbeit, kann es in Deutschland
immer nur in einer begrenzten Zahl geben, der Reichtum an strebenden Kräften
und ein so naturgemäßer und bis zu einen: gewissen Grade berechtigter Erbgang


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0135" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329363"/>
          <fw type="header" place="top"> Remienkamxf - «Loriolcm</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_372"> Eine andere Volkstreue ist die Treue aus der mehr oder weniger klaren<lb/>
Erkenntnis von der organischen Notwendigkeit eines Volkstums, keine egoistische<lb/>
sondem eine beinahe künstlerische Erkenntnis, allerdings selten klar bewußt und<lb/>
in Begriffe gebracht; ferner Volkstreue aus der Liebe zu dem einzigartigen<lb/>
Großen heraus, das nur durch unser Volk in die Welt kam. kommen konnte<lb/>
und weiter kommen soll. Das ist eine Volkstreue aus dem Reichtum heraus,<lb/>
sie wird sich immer frei halten von Haß und Neid, sie zeigt Verständnis für<lb/>
fremde Art und Mitleid dort, wo das eigene &#x2014; nicht nur aus eng egoistischen<lb/>
Gründen höherstehende &#x2014; Wohl Rücksichtslosigkeit gegen andere verlangt.<lb/>
Gewiß sind wir alle, die wir volkstreu sind, es auch aus dem Bedürfnis nach<lb/>
Anschluß an verwandte Gemüter, also bis zu einem gewissen Grade auch aus<lb/>
der Armut heraus, aber eben immer nur bis zu einem gewissen Grade, der<lb/>
kaum zu Haß und Neid gesteigert werden kann; immer aber wo deutsche Volks¬<lb/>
treue in der Geschichte tatsächlich wirksam geworden ist, ist sie aus dem Reichtum<lb/>
des Gemüts heraus gewachsen. '</p><lb/>
          <p xml:id="ID_373"> Nun ist natürlich gar kein Zweifel, daß Volkstreue aus Armut sozusagen<lb/>
rein automatisch, also sicherer wirken wird, als solche aus innerem Reichtum.<lb/>
Der innere Reichtum findet viele Gebiete, denen er sich zuwenden und wo er<lb/>
sich betätigen kann. Fehler in der Erziehung, in der Volksorganisation und<lb/>
in der Staatsverfassung können bewirken, daß gerade das eigene Volkstum nicht<lb/>
in den Nahmen der inneren Betätigung fällt. Daher werden wir Volkstreue<lb/>
bei den Deutschen an und für sich seltener finden, sie tritt nicht als unbedingte<lb/>
Selbstverständlichkeit in unserer Geschichte auf; als Erscheinung beim einzelnen und<lb/>
damit schließlich auch bei der Gesamtheit haftet ihr etwas sozusagen Zufälliges an;<lb/>
wo sie aber in Erscheinung tritt, da übertrifft sie an Hoheit, an Adel und Wirkung<lb/>
alles, was andere Völker aufweisen können, da sie aus dem Reichtum kommt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_374"> Reichtum, Weite des Gemüts, das ist von jeher das Merkmal des Deutsch¬<lb/>
tums. Innerer Reichtum aber verlangt nach schaffender Arbeit, die Weite nach<lb/>
etwas, was sie ausfüllt. Nur innerlich arme Völker, nach der Art der heutigen<lb/>
Franzosen, finden die Erfüllung ihres Lebens in eitler Selbstgenügsamkeit,<lb/>
Revanche oder rein verneinender Kritik.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_375" next="#ID_376"> Wann aber hätten je in der Geschichte alle Deutschen innerhalb ihrer<lb/>
Volksgrenzen Feld und Raum genug gefunden, das, was in ihnen nach<lb/>
Betätigung strebte, zu befriedigen? Das Staatsleben allein schon bringt<lb/>
Schranken mit sich, notwendige Beschränkungen, die in ihren Einzelheiten oft<lb/>
verbesserungsfähig sein mögen, in ihrem Wesen aber unvermeidlich sind. Auf<lb/>
deutschen Staatsgebieten war äußerlich und innerlich nie so viel Raum, daß<lb/>
alle nach schaffender Betätigung verlangenden Kräfte sich hätten ausleben können.<lb/>
Führende Stellen in der Staatsverwaltung, beim Militär, im Handel, in der<lb/>
Industrie, im Landbesitz und in rein geistiger Arbeit, kann es in Deutschland<lb/>
immer nur in einer begrenzten Zahl geben, der Reichtum an strebenden Kräften<lb/>
und ein so naturgemäßer und bis zu einen: gewissen Grade berechtigter Erbgang</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0135] Remienkamxf - «Loriolcm Eine andere Volkstreue ist die Treue aus der mehr oder weniger klaren Erkenntnis von der organischen Notwendigkeit eines Volkstums, keine egoistische sondem eine beinahe künstlerische Erkenntnis, allerdings selten klar bewußt und in Begriffe gebracht; ferner Volkstreue aus der Liebe zu dem einzigartigen Großen heraus, das nur durch unser Volk in die Welt kam. kommen konnte und weiter kommen soll. Das ist eine Volkstreue aus dem Reichtum heraus, sie wird sich immer frei halten von Haß und Neid, sie zeigt Verständnis für fremde Art und Mitleid dort, wo das eigene — nicht nur aus eng egoistischen Gründen höherstehende — Wohl Rücksichtslosigkeit gegen andere verlangt. Gewiß sind wir alle, die wir volkstreu sind, es auch aus dem Bedürfnis nach Anschluß an verwandte Gemüter, also bis zu einem gewissen Grade auch aus der Armut heraus, aber eben immer nur bis zu einem gewissen Grade, der kaum zu Haß und Neid gesteigert werden kann; immer aber wo deutsche Volks¬ treue in der Geschichte tatsächlich wirksam geworden ist, ist sie aus dem Reichtum des Gemüts heraus gewachsen. ' Nun ist natürlich gar kein Zweifel, daß Volkstreue aus Armut sozusagen rein automatisch, also sicherer wirken wird, als solche aus innerem Reichtum. Der innere Reichtum findet viele Gebiete, denen er sich zuwenden und wo er sich betätigen kann. Fehler in der Erziehung, in der Volksorganisation und in der Staatsverfassung können bewirken, daß gerade das eigene Volkstum nicht in den Nahmen der inneren Betätigung fällt. Daher werden wir Volkstreue bei den Deutschen an und für sich seltener finden, sie tritt nicht als unbedingte Selbstverständlichkeit in unserer Geschichte auf; als Erscheinung beim einzelnen und damit schließlich auch bei der Gesamtheit haftet ihr etwas sozusagen Zufälliges an; wo sie aber in Erscheinung tritt, da übertrifft sie an Hoheit, an Adel und Wirkung alles, was andere Völker aufweisen können, da sie aus dem Reichtum kommt. Reichtum, Weite des Gemüts, das ist von jeher das Merkmal des Deutsch¬ tums. Innerer Reichtum aber verlangt nach schaffender Arbeit, die Weite nach etwas, was sie ausfüllt. Nur innerlich arme Völker, nach der Art der heutigen Franzosen, finden die Erfüllung ihres Lebens in eitler Selbstgenügsamkeit, Revanche oder rein verneinender Kritik. Wann aber hätten je in der Geschichte alle Deutschen innerhalb ihrer Volksgrenzen Feld und Raum genug gefunden, das, was in ihnen nach Betätigung strebte, zu befriedigen? Das Staatsleben allein schon bringt Schranken mit sich, notwendige Beschränkungen, die in ihren Einzelheiten oft verbesserungsfähig sein mögen, in ihrem Wesen aber unvermeidlich sind. Auf deutschen Staatsgebieten war äußerlich und innerlich nie so viel Raum, daß alle nach schaffender Betätigung verlangenden Kräfte sich hätten ausleben können. Führende Stellen in der Staatsverwaltung, beim Militär, im Handel, in der Industrie, im Landbesitz und in rein geistiger Arbeit, kann es in Deutschland immer nur in einer begrenzten Zahl geben, der Reichtum an strebenden Kräften und ein so naturgemäßer und bis zu einen: gewissen Grade berechtigter Erbgang

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/135
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/135>, abgerufen am 30.06.2024.