Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] Worten, ist es Zeit, daß es für ein Paar Ein jedes Volk hat seine eigene Aufgabe Es gibt auf der Welt keinen Raum für ein Attila oder ein Tamerlan schnitt den Feigheit und ein Verbrechen, sich darum zu Nehmen wir z. B. Ägypten I Im Jahr So weit Conan Doyle. Was für ein Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] Worten, ist es Zeit, daß es für ein Paar Ein jedes Volk hat seine eigene Aufgabe Es gibt auf der Welt keinen Raum für ein Attila oder ein Tamerlan schnitt den Feigheit und ein Verbrechen, sich darum zu Nehmen wir z. B. Ägypten I Im Jahr So weit Conan Doyle. Was für ein <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0455" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329189"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_1520" prev="#ID_1519"> Worten, ist es Zeit, daß es für ein Paar<lb/> Jahrhunderte ins Krankenhaus kommt, Wie<lb/> Spanien und Griechenland — es hat seine<lb/> Tugend verloren. Ein Mann oder ein Volk<lb/> ist nicht auf diese Erde gestellt, um nur das<lb/> Angenehme und Nützliche zu tun. Ein Volk<lb/> wird auch oft aufgerufen, das durchzuführen,<lb/> was weder Vergnügen noch Nutzen verspricht;<lb/> aber wenn es offenbar im Recht ist, darf es<lb/> sich nicht darum drücken, die Arbeit auf sich<lb/> zu nehmen.</p> <p xml:id="ID_1521"> Ein jedes Volk hat seine eigene Aufgabe<lb/> Deutschland herrscht in der Welt des abstrakten<lb/> Gedankens, Frankreich in der Literatur, Kunst<lb/> und Anmut. Aber wir haben unter unseren<lb/> besten Männern eine höhere Auffassung sitt¬<lb/> lichen Gefühls und öffentlicher Pflicht, als<lb/> sich bei.irgend einem anderen Volk findet.<lb/> Nun sind diese beiden Eigenschaften erforder¬<lb/> lich, um eine schwächere Nasse zu regieren.<lb/> Man kann ihr nicht mit abstrakten Gedanken,<lb/> noch mit anmutiger Kunst helfen, sondern<lb/> nur mit jenem sittlichen Gefühl, welches die<lb/> Schalen der Gerechtigkeit gleichmäßig wägt<lb/> und sich selbst von jedem Flecken der Bestech¬<lb/> lichkeit frei hält. So beherrschen wir Indien.<lb/> Wir kamen dorthin auf Grund eines Natur¬<lb/> gesetzes, wie Luft in einen leeren Raum<lb/> eindringt, über die ganze Welt hin werden<lb/> wir gegen unsere unmittelbaren Interessen<lb/> und wohlerwogenen Absichten dazu gebracht,<lb/> dasselbe zu tun. . . .</p> <p xml:id="ID_1522"> Es gibt auf der Welt keinen Raum für<lb/> unehrliche, Pflichtvergessene, tyrannische, unver¬<lb/> antwortliche Regierungen. Solange sie bestehen,<lb/> werden sie immer eine Quelle der Verwirrung<lb/> und der Gefahr bedeuten. Aber es gibt viele<lb/> Rassen, die so unfähig erscheinen, sich zu<lb/> bessern, daß wir niemals hoffen dürfen, aus<lb/> ihnen eine gute Regierung zu bilden. Was<lb/> sollen wir dann tun? In einem solchen Fall<lb/> benutzte die Vorsehung früher das Mittel, sie<lb/> durch einen männlicheren Stamm auszurotten</p> <p xml:id="ID_1523" next="#ID_1524"> ein Attila oder ein Tamerlan schnitt den<lb/> schwächeren Zweig aus. Jetzt geht es gnädiger<lb/> ab, indem die Regierenden oder auch nur<lb/> die Ratgeber von einer fortgeschrittneren<lb/> Rasse gestellt werden. Dies ist der Fall mit<lb/> den innerasiatischen Khanaten und den Schutz¬<lb/> staaten Indiens. Wenn die Arbeit getan<lb/> werden muß, wäre es, wie ich denke, eine</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_1524" prev="#ID_1523"> Feigheit und ein Verbrechen, sich darum zu<lb/> drücken. . . .</p> <p xml:id="ID_1525"> Nehmen wir z. B. Ägypten I Im Jahr<lb/> 1831 lag unserem Volke in der Welt nichts<lb/> ferner, als sich irgendwie in Ägypten einzu¬<lb/> mischen; und dennoch waren wir 1882 im<lb/> Besitz des Landes. Es gab aber keine Wahl<lb/> in der Kette der Ereignisse. Ein Gemetzel<lb/> in den Straßen AlexandriaS und das Auf¬<lb/> fahren von Geschützen, um unsere Flotte hin¬<lb/> auszutreiben, welche dort lag, wie Sie wissen,<lb/> um feierlich vertragsmäßig übernommene<lb/> Pflichten zu erfüllen, führten zu der Beschießung<lb/> Aker.cmdrias. Die Beschießung führte zu<lb/> einer Landung, um die Stadt vor der Zer¬<lb/> störung zu retten. Die Landung veranlaßte<lb/> uns, unsere militärischen Operationen auszu¬<lb/> dehnen — und da sitzen wir nun mit dem<lb/> Land auf dem Halse. Während der Unruhen<lb/> baten und beschworen wir die Franzosen oder<lb/> irgendjemand anders, uns zu helfen, Ordnung<lb/> zu schaffen; aber sie alle ließen uns im Stich,<lb/> als es Arbeit zu tun gab, obgleich sie<lb/> bereit genug sind, jetzt auf uns zu schelten<lb/> und uns Steine in den Weg zu legen. Als<lb/> wir versuchten, wieder aus Ägypten heraus¬<lb/> zukommen, entstand jene wilde Bewegung<lb/> unter den Derwischen, und wir mußten fester<lb/> denn je sitzen bleiben. Wir haben uns nie<lb/> nach der Aufgabe gedrängt, aber wo sie jetzt<lb/> da ist, müssen wir geschickt bis zu Ende<lb/> durchhalten. ..."</p> <p xml:id="ID_1526" next="#ID_1527"> So weit Conan Doyle. Was für ein<lb/> Musterstück tiefer, unparteiischer Geschichts¬<lb/> wissenschaft sind doch die Ausführungen über<lb/> die Besitzergreifung Indiens, die Verge¬<lb/> waltigung Ägyptens! Und welch köstliches<lb/> Bild für den unbefangenen Zuschauer der<lb/> biedere John Bull, der tränenden Auges,<lb/> ganz Wider seinen Willen gezwungen ist,<lb/> einen fetten Bissen nach dem anderen in den<lb/> weitgeöffneten, unersättlichen Schlund zu<lb/> schieben. Zugleich aber auch welch Beispiel<lb/> unerhörter Anmaßung und widerlicher<lb/> Heucheleil Das aber hat ja England immer<lb/> meisterhaft verstanden, nicht nur den eigenen<lb/> selbstsüchtigen Absichten irgendein Mäntelchen<lb/> der Humanität, Kultur oder Zivilisation<lb/> umzuhängen, sondern auch die anderen Völker<lb/> durch die englische Brille schauen zu lassen,<lb/> ihnen vorzuschreiben, was sie für gut und</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0455]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Worten, ist es Zeit, daß es für ein Paar
Jahrhunderte ins Krankenhaus kommt, Wie
Spanien und Griechenland — es hat seine
Tugend verloren. Ein Mann oder ein Volk
ist nicht auf diese Erde gestellt, um nur das
Angenehme und Nützliche zu tun. Ein Volk
wird auch oft aufgerufen, das durchzuführen,
was weder Vergnügen noch Nutzen verspricht;
aber wenn es offenbar im Recht ist, darf es
sich nicht darum drücken, die Arbeit auf sich
zu nehmen.
Ein jedes Volk hat seine eigene Aufgabe
Deutschland herrscht in der Welt des abstrakten
Gedankens, Frankreich in der Literatur, Kunst
und Anmut. Aber wir haben unter unseren
besten Männern eine höhere Auffassung sitt¬
lichen Gefühls und öffentlicher Pflicht, als
sich bei.irgend einem anderen Volk findet.
Nun sind diese beiden Eigenschaften erforder¬
lich, um eine schwächere Nasse zu regieren.
Man kann ihr nicht mit abstrakten Gedanken,
noch mit anmutiger Kunst helfen, sondern
nur mit jenem sittlichen Gefühl, welches die
Schalen der Gerechtigkeit gleichmäßig wägt
und sich selbst von jedem Flecken der Bestech¬
lichkeit frei hält. So beherrschen wir Indien.
Wir kamen dorthin auf Grund eines Natur¬
gesetzes, wie Luft in einen leeren Raum
eindringt, über die ganze Welt hin werden
wir gegen unsere unmittelbaren Interessen
und wohlerwogenen Absichten dazu gebracht,
dasselbe zu tun. . . .
Es gibt auf der Welt keinen Raum für
unehrliche, Pflichtvergessene, tyrannische, unver¬
antwortliche Regierungen. Solange sie bestehen,
werden sie immer eine Quelle der Verwirrung
und der Gefahr bedeuten. Aber es gibt viele
Rassen, die so unfähig erscheinen, sich zu
bessern, daß wir niemals hoffen dürfen, aus
ihnen eine gute Regierung zu bilden. Was
sollen wir dann tun? In einem solchen Fall
benutzte die Vorsehung früher das Mittel, sie
durch einen männlicheren Stamm auszurotten
ein Attila oder ein Tamerlan schnitt den
schwächeren Zweig aus. Jetzt geht es gnädiger
ab, indem die Regierenden oder auch nur
die Ratgeber von einer fortgeschrittneren
Rasse gestellt werden. Dies ist der Fall mit
den innerasiatischen Khanaten und den Schutz¬
staaten Indiens. Wenn die Arbeit getan
werden muß, wäre es, wie ich denke, eine
Feigheit und ein Verbrechen, sich darum zu
drücken. . . .
Nehmen wir z. B. Ägypten I Im Jahr
1831 lag unserem Volke in der Welt nichts
ferner, als sich irgendwie in Ägypten einzu¬
mischen; und dennoch waren wir 1882 im
Besitz des Landes. Es gab aber keine Wahl
in der Kette der Ereignisse. Ein Gemetzel
in den Straßen AlexandriaS und das Auf¬
fahren von Geschützen, um unsere Flotte hin¬
auszutreiben, welche dort lag, wie Sie wissen,
um feierlich vertragsmäßig übernommene
Pflichten zu erfüllen, führten zu der Beschießung
Aker.cmdrias. Die Beschießung führte zu
einer Landung, um die Stadt vor der Zer¬
störung zu retten. Die Landung veranlaßte
uns, unsere militärischen Operationen auszu¬
dehnen — und da sitzen wir nun mit dem
Land auf dem Halse. Während der Unruhen
baten und beschworen wir die Franzosen oder
irgendjemand anders, uns zu helfen, Ordnung
zu schaffen; aber sie alle ließen uns im Stich,
als es Arbeit zu tun gab, obgleich sie
bereit genug sind, jetzt auf uns zu schelten
und uns Steine in den Weg zu legen. Als
wir versuchten, wieder aus Ägypten heraus¬
zukommen, entstand jene wilde Bewegung
unter den Derwischen, und wir mußten fester
denn je sitzen bleiben. Wir haben uns nie
nach der Aufgabe gedrängt, aber wo sie jetzt
da ist, müssen wir geschickt bis zu Ende
durchhalten. ..."
So weit Conan Doyle. Was für ein
Musterstück tiefer, unparteiischer Geschichts¬
wissenschaft sind doch die Ausführungen über
die Besitzergreifung Indiens, die Verge¬
waltigung Ägyptens! Und welch köstliches
Bild für den unbefangenen Zuschauer der
biedere John Bull, der tränenden Auges,
ganz Wider seinen Willen gezwungen ist,
einen fetten Bissen nach dem anderen in den
weitgeöffneten, unersättlichen Schlund zu
schieben. Zugleich aber auch welch Beispiel
unerhörter Anmaßung und widerlicher
Heucheleil Das aber hat ja England immer
meisterhaft verstanden, nicht nur den eigenen
selbstsüchtigen Absichten irgendein Mäntelchen
der Humanität, Kultur oder Zivilisation
umzuhängen, sondern auch die anderen Völker
durch die englische Brille schauen zu lassen,
ihnen vorzuschreiben, was sie für gut und
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