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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Englands Dichter und der Krieg

Völkern zu steigern. Und wir dürfen wohl nicht zu Unrecht vermuten, daß der
lange stumm gewesene "Generalinspektor des britischen Reichs" nunmehr wieder
als Rufer zum Streit die Stimme erheben wird. Sehen wir aber genauer zu,
so zeigt sich als letztes Motiv dieser fanatischen Hetzarbeit wieder jene Sorge
um die Zukunft des Jnselreichs. die er im Wohlleben seiner Bürger gefährdet
sieht. Hier ist der richtunggebende Gedanke aller jener flammenden Poesien
der Sammlung "l'ne I^ive Kations" und zwischen den Zeilen steht er auch in
den lustigen Flottenmanövergeschichten, wo z. B. Wachsamkeit und Wagemut
eines einzelnen, bei der Admiralität nicht gut angeschriebenen Offiziers zwei
große Schlachtschiffe mit dem Mal der Gefechtsunfähigkeit zeichnen kann, und
manches indiskrete Wort über die zweifelhafte Seetüchtigkeit einiger Kreuzer fällt,
die nur noch zur Beruhigung der Steuerzahler die numerische Flottenstärke ver¬
mehren helfen.

Die großen Gesichtspunkte der Eifersucht zwischen England und Deutsch¬
land sowie die Chancen eines Krieges zwischen ihnen finden wir jedoch sehr
eingehend und interessant von Herbert George Wells erörtert, dessen Werk erst
kürzlich in diesen Blättern eingehend gewürdigt worden ist*).

In seinen Romanen fällt so manches verurteilende Wort über Englands
südafrikanische Politik und über die Stellung zu Deutschland äußert er in den
"?Ä88ionate I^merle>8" folgendes: "Unsere beiden großen Nationen streiten sich
miteinander um die Führerschaft in der Welt und unterdessen fließt die Welt
an ihnen vorüber. Wir lassen uns in ein Stauwasser kleinlichen Gezänks treiben."
Leicht wiegt ihm diese Rivalität gegenüber der lebenbringenden Gärung, die
die ungeheuren Menschenmassen des fernen Ostens zu regsamer Energie auf¬
ruft, leicht auch gegenüber den unbegrenzten Entwicklungsmöglichkeiten Nord-
uud Südamerikas. Das Zusammenhalten der weißen Rasse gegen die gelbe
erscheint auch ihm als selbstverständliche internationale Pflicht Europas und er
hat vor Jahren schon, in seinem ,,^Ke War in tre /är", der bloßen Nicht¬
beachtung dieses Prinzips ein in Blut und Flammen getauchtes Menetekel an
die Wand gemalt. Hoffentlich hält dieses gesunde weitblickende Urteil den
Lügenmeldnngen der Londoner Sensationspresse, die Deutschland als schlimmsten
Feind aller Kultur zu kennzeichnen bemüht ist, stand.

Die Möglichkeiten des Weltkriegs und Englands Rolle darin erörtert
Wells indessen am eingehendsten in einigen Abschnitten einer im Frühsommer
vom Tauchnitzverlage herausgebrachten Essaysammlung LnAlisnman lookZ
at tus XVorlck". Uns interessiert in erster Linie die Kritik, die Wells an der
vielgerühmten Kriegsbereitschaft seines Landes übt. Der Bau einer Überzahl
von Dreadnoughts im Verhältnis von sechzehn zu zehn ist gegenwärtig die
einzige Verteidigungswaffe, mit der das Inselreich gerüstet ist -- eine Rüstung,
die gegenüber der wunderbaren technischen Fortschritte der übrigen Völker und



*) Vgl. Heft 30 d. I.
Englands Dichter und der Krieg

Völkern zu steigern. Und wir dürfen wohl nicht zu Unrecht vermuten, daß der
lange stumm gewesene „Generalinspektor des britischen Reichs" nunmehr wieder
als Rufer zum Streit die Stimme erheben wird. Sehen wir aber genauer zu,
so zeigt sich als letztes Motiv dieser fanatischen Hetzarbeit wieder jene Sorge
um die Zukunft des Jnselreichs. die er im Wohlleben seiner Bürger gefährdet
sieht. Hier ist der richtunggebende Gedanke aller jener flammenden Poesien
der Sammlung „l'ne I^ive Kations" und zwischen den Zeilen steht er auch in
den lustigen Flottenmanövergeschichten, wo z. B. Wachsamkeit und Wagemut
eines einzelnen, bei der Admiralität nicht gut angeschriebenen Offiziers zwei
große Schlachtschiffe mit dem Mal der Gefechtsunfähigkeit zeichnen kann, und
manches indiskrete Wort über die zweifelhafte Seetüchtigkeit einiger Kreuzer fällt,
die nur noch zur Beruhigung der Steuerzahler die numerische Flottenstärke ver¬
mehren helfen.

Die großen Gesichtspunkte der Eifersucht zwischen England und Deutsch¬
land sowie die Chancen eines Krieges zwischen ihnen finden wir jedoch sehr
eingehend und interessant von Herbert George Wells erörtert, dessen Werk erst
kürzlich in diesen Blättern eingehend gewürdigt worden ist*).

In seinen Romanen fällt so manches verurteilende Wort über Englands
südafrikanische Politik und über die Stellung zu Deutschland äußert er in den
„?Ä88ionate I^merle>8" folgendes: „Unsere beiden großen Nationen streiten sich
miteinander um die Führerschaft in der Welt und unterdessen fließt die Welt
an ihnen vorüber. Wir lassen uns in ein Stauwasser kleinlichen Gezänks treiben."
Leicht wiegt ihm diese Rivalität gegenüber der lebenbringenden Gärung, die
die ungeheuren Menschenmassen des fernen Ostens zu regsamer Energie auf¬
ruft, leicht auch gegenüber den unbegrenzten Entwicklungsmöglichkeiten Nord-
uud Südamerikas. Das Zusammenhalten der weißen Rasse gegen die gelbe
erscheint auch ihm als selbstverständliche internationale Pflicht Europas und er
hat vor Jahren schon, in seinem ,,^Ke War in tre /är", der bloßen Nicht¬
beachtung dieses Prinzips ein in Blut und Flammen getauchtes Menetekel an
die Wand gemalt. Hoffentlich hält dieses gesunde weitblickende Urteil den
Lügenmeldnngen der Londoner Sensationspresse, die Deutschland als schlimmsten
Feind aller Kultur zu kennzeichnen bemüht ist, stand.

Die Möglichkeiten des Weltkriegs und Englands Rolle darin erörtert
Wells indessen am eingehendsten in einigen Abschnitten einer im Frühsommer
vom Tauchnitzverlage herausgebrachten Essaysammlung LnAlisnman lookZ
at tus XVorlck". Uns interessiert in erster Linie die Kritik, die Wells an der
vielgerühmten Kriegsbereitschaft seines Landes übt. Der Bau einer Überzahl
von Dreadnoughts im Verhältnis von sechzehn zu zehn ist gegenwärtig die
einzige Verteidigungswaffe, mit der das Inselreich gerüstet ist — eine Rüstung,
die gegenüber der wunderbaren technischen Fortschritte der übrigen Völker und



*) Vgl. Heft 30 d. I.
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[0382] Englands Dichter und der Krieg Völkern zu steigern. Und wir dürfen wohl nicht zu Unrecht vermuten, daß der lange stumm gewesene „Generalinspektor des britischen Reichs" nunmehr wieder als Rufer zum Streit die Stimme erheben wird. Sehen wir aber genauer zu, so zeigt sich als letztes Motiv dieser fanatischen Hetzarbeit wieder jene Sorge um die Zukunft des Jnselreichs. die er im Wohlleben seiner Bürger gefährdet sieht. Hier ist der richtunggebende Gedanke aller jener flammenden Poesien der Sammlung „l'ne I^ive Kations" und zwischen den Zeilen steht er auch in den lustigen Flottenmanövergeschichten, wo z. B. Wachsamkeit und Wagemut eines einzelnen, bei der Admiralität nicht gut angeschriebenen Offiziers zwei große Schlachtschiffe mit dem Mal der Gefechtsunfähigkeit zeichnen kann, und manches indiskrete Wort über die zweifelhafte Seetüchtigkeit einiger Kreuzer fällt, die nur noch zur Beruhigung der Steuerzahler die numerische Flottenstärke ver¬ mehren helfen. Die großen Gesichtspunkte der Eifersucht zwischen England und Deutsch¬ land sowie die Chancen eines Krieges zwischen ihnen finden wir jedoch sehr eingehend und interessant von Herbert George Wells erörtert, dessen Werk erst kürzlich in diesen Blättern eingehend gewürdigt worden ist*). In seinen Romanen fällt so manches verurteilende Wort über Englands südafrikanische Politik und über die Stellung zu Deutschland äußert er in den „?Ä88ionate I^merle>8" folgendes: „Unsere beiden großen Nationen streiten sich miteinander um die Führerschaft in der Welt und unterdessen fließt die Welt an ihnen vorüber. Wir lassen uns in ein Stauwasser kleinlichen Gezänks treiben." Leicht wiegt ihm diese Rivalität gegenüber der lebenbringenden Gärung, die die ungeheuren Menschenmassen des fernen Ostens zu regsamer Energie auf¬ ruft, leicht auch gegenüber den unbegrenzten Entwicklungsmöglichkeiten Nord- uud Südamerikas. Das Zusammenhalten der weißen Rasse gegen die gelbe erscheint auch ihm als selbstverständliche internationale Pflicht Europas und er hat vor Jahren schon, in seinem ,,^Ke War in tre /är", der bloßen Nicht¬ beachtung dieses Prinzips ein in Blut und Flammen getauchtes Menetekel an die Wand gemalt. Hoffentlich hält dieses gesunde weitblickende Urteil den Lügenmeldnngen der Londoner Sensationspresse, die Deutschland als schlimmsten Feind aller Kultur zu kennzeichnen bemüht ist, stand. Die Möglichkeiten des Weltkriegs und Englands Rolle darin erörtert Wells indessen am eingehendsten in einigen Abschnitten einer im Frühsommer vom Tauchnitzverlage herausgebrachten Essaysammlung LnAlisnman lookZ at tus XVorlck". Uns interessiert in erster Linie die Kritik, die Wells an der vielgerühmten Kriegsbereitschaft seines Landes übt. Der Bau einer Überzahl von Dreadnoughts im Verhältnis von sechzehn zu zehn ist gegenwärtig die einzige Verteidigungswaffe, mit der das Inselreich gerüstet ist — eine Rüstung, die gegenüber der wunderbaren technischen Fortschritte der übrigen Völker und *) Vgl. Heft 30 d. I.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/382>, abgerufen am 01.09.2024.