Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.Deutschlands Telegraphcnisolierung während des Krieges blick besonnen, die deutschen Kabel auf hoher See zu zerstören, und die Be¬ Das zweite deutsche Kabelnetz, das in der Südsee und an der ostasiatischen Somit ist Deutschland durch die Zerstörung der deutschen und die gleich¬ Grenzboten III 1914 ^
Deutschlands Telegraphcnisolierung während des Krieges blick besonnen, die deutschen Kabel auf hoher See zu zerstören, und die Be¬ Das zweite deutsche Kabelnetz, das in der Südsee und an der ostasiatischen Somit ist Deutschland durch die Zerstörung der deutschen und die gleich¬ Grenzboten III 1914 ^
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0373" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329107"/> <fw type="header" place="top"> Deutschlands Telegraphcnisolierung während des Krieges</fw><lb/> <p xml:id="ID_1254" prev="#ID_1253"> blick besonnen, die deutschen Kabel auf hoher See zu zerstören, und die Be¬<lb/> rechtigung ist nicht einmal ohne weiteres zu leugnen denn die Zerstörung<lb/> privater Kabel auf offener See ist völkerrechtlich noch umstritten und wird vielfach<lb/> für zulässig erklärt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1255"> Das zweite deutsche Kabelnetz, das in der Südsee und an der ostasiatischen<lb/> Küste zu finden ist. dürfen wir als gegen feindliche Angriffe gesichert betrachten,<lb/> zumal da es nicht einer ausschließlich deutschen, sondern einer gemischten „Deutsch-<lb/> Niederländischen Telegraphen-Gesellschaft" gehört. Eine Zerstörung dieser<lb/> Kabel, die von der deutschen Insel Jay nach Schanghai. Celebes und dem<lb/> amerikanischen Guam ausstrahlen, würde an sich zwar keineswegs schwierig,<lb/> aber vollständig Sinn- und zwecklos sein, da sie für den Gang der kriegerischen<lb/> Ereignisse unter allen Umständen ohne die geringste Bedeutung sein müssen und<lb/> der Benutzung durch das deutsche Mutterland in jedem Falle gänzlich entzogen<lb/> sind. Bei der Anlage des Kabelnetzes im fernen Osten leitete uns der<lb/> Gedanke, uns von dem unerträglichen britischen Kabelmonopol dadurch frei<lb/> zu machen, daß wir unsere wichtigsten Interessensphären im Osten mit See¬<lb/> kabeln möglichst verschiedener Nationen in Verbindung brachten, mit britischen,<lb/> russischen und amerikanischen. Die jetzige üble Konstellation, die uns die<lb/> Benutzung der britischen Seekadet und der russischen Linien (über Sibirien)<lb/> gleichzeitig unterbindet, ließ sich bei der alten traditionellen Feindschaft zwischen<lb/> Rußland und England in Asien kaum vorhersehen, und der Anschluß an das<lb/> amerikanische Pacific-Kabel in Guam ist für die Verbindung mit dem Mutter¬<lb/> land deshalb ohne Weit, weil wir bei der gleichzeitigen Sperrung der deutschen,<lb/> englischen und französischen transatlantischen Kabel keine Möglichkeit haben,<lb/> den anschließenden Telegraphenverkehr zwischen Deutschland und den Vereinigten<lb/> Staaten aufrecht zu erhalten. Die Dinge lägen mit einem Schlage völlig anders, wenn<lb/> ein einziges amerikanisches Kabel über den Atlantischen Ozean direkt nach Deutsch¬<lb/> land liefe. Dieses Kabel einer neutralen Nation wäre außerhalb der deutschen<lb/> Gewässer unbedingt unverletzlich. Leider laufen aber gerade die transatlantischen<lb/> Kabel der Vereinigten Staaten durchweg nach England und sind daher der<lb/> deutschen Benutzung entzogen. Nach Wiederkehr friedlicher Zeiten wird es eine<lb/> der wichtigsten Aufgaben sein, die Amerikaner zu veranlassen, daß sie ein ameri¬<lb/> kanisches Kabel, vielleicht unter Benutzung der Mröer oder der Azoren als<lb/> Zwischenstation, direkt nach Deutschland führen. Es liegt dies ebenso im<lb/> amerikanischen wie im deutschen Interesse — das haben die letzten Wochen zur<lb/> Genüge bewiesen!</p><lb/> <p xml:id="ID_1256" next="#ID_1257"> Somit ist Deutschland durch die Zerstörung der deutschen und die gleich¬<lb/> zeitige Entziehung, der englischen, französischen, amerikanischen und russischen<lb/> Telegraphenlinien, d. h. durch das plötzliche Versagen aller außereuropäischen<lb/> Kabelstrünge des Erdballs, in einen Zustand der Telegraphenisolierung geraten,<lb/> den man noch vor wenigen Wochen für fast unmöglich gehalten haben würde.<lb/> Nun. Deutschlands überseeischer Handel und Wandel stockt während dieses</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1914 ^</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0373]
Deutschlands Telegraphcnisolierung während des Krieges
blick besonnen, die deutschen Kabel auf hoher See zu zerstören, und die Be¬
rechtigung ist nicht einmal ohne weiteres zu leugnen denn die Zerstörung
privater Kabel auf offener See ist völkerrechtlich noch umstritten und wird vielfach
für zulässig erklärt.
Das zweite deutsche Kabelnetz, das in der Südsee und an der ostasiatischen
Küste zu finden ist. dürfen wir als gegen feindliche Angriffe gesichert betrachten,
zumal da es nicht einer ausschließlich deutschen, sondern einer gemischten „Deutsch-
Niederländischen Telegraphen-Gesellschaft" gehört. Eine Zerstörung dieser
Kabel, die von der deutschen Insel Jay nach Schanghai. Celebes und dem
amerikanischen Guam ausstrahlen, würde an sich zwar keineswegs schwierig,
aber vollständig Sinn- und zwecklos sein, da sie für den Gang der kriegerischen
Ereignisse unter allen Umständen ohne die geringste Bedeutung sein müssen und
der Benutzung durch das deutsche Mutterland in jedem Falle gänzlich entzogen
sind. Bei der Anlage des Kabelnetzes im fernen Osten leitete uns der
Gedanke, uns von dem unerträglichen britischen Kabelmonopol dadurch frei
zu machen, daß wir unsere wichtigsten Interessensphären im Osten mit See¬
kabeln möglichst verschiedener Nationen in Verbindung brachten, mit britischen,
russischen und amerikanischen. Die jetzige üble Konstellation, die uns die
Benutzung der britischen Seekadet und der russischen Linien (über Sibirien)
gleichzeitig unterbindet, ließ sich bei der alten traditionellen Feindschaft zwischen
Rußland und England in Asien kaum vorhersehen, und der Anschluß an das
amerikanische Pacific-Kabel in Guam ist für die Verbindung mit dem Mutter¬
land deshalb ohne Weit, weil wir bei der gleichzeitigen Sperrung der deutschen,
englischen und französischen transatlantischen Kabel keine Möglichkeit haben,
den anschließenden Telegraphenverkehr zwischen Deutschland und den Vereinigten
Staaten aufrecht zu erhalten. Die Dinge lägen mit einem Schlage völlig anders, wenn
ein einziges amerikanisches Kabel über den Atlantischen Ozean direkt nach Deutsch¬
land liefe. Dieses Kabel einer neutralen Nation wäre außerhalb der deutschen
Gewässer unbedingt unverletzlich. Leider laufen aber gerade die transatlantischen
Kabel der Vereinigten Staaten durchweg nach England und sind daher der
deutschen Benutzung entzogen. Nach Wiederkehr friedlicher Zeiten wird es eine
der wichtigsten Aufgaben sein, die Amerikaner zu veranlassen, daß sie ein ameri¬
kanisches Kabel, vielleicht unter Benutzung der Mröer oder der Azoren als
Zwischenstation, direkt nach Deutschland führen. Es liegt dies ebenso im
amerikanischen wie im deutschen Interesse — das haben die letzten Wochen zur
Genüge bewiesen!
Somit ist Deutschland durch die Zerstörung der deutschen und die gleich¬
zeitige Entziehung, der englischen, französischen, amerikanischen und russischen
Telegraphenlinien, d. h. durch das plötzliche Versagen aller außereuropäischen
Kabelstrünge des Erdballs, in einen Zustand der Telegraphenisolierung geraten,
den man noch vor wenigen Wochen für fast unmöglich gehalten haben würde.
Nun. Deutschlands überseeischer Handel und Wandel stockt während dieses
Grenzboten III 1914 ^
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