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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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reich die Rede war, und davon, daß es dort seit Ludwigs des Sechzehnten
bis in die neue Zeit ständig gährte und brodelte. -- die Erinnerung der Eltern
umfaßte nämlich die ganze Zeit seit Napoleons des Ersten Aufstieg, die der
Großeltern reichte zurück bis zu Ludwig dem Sechzehnten. Jene anderen Worte
lauteten: "Dem französischen Volke kann es niemals wohl ergehen; niemals
wird ihm Ruhe und Frieden oeschieden sein; auf ihm lastet dauernd der Fluch
der Tat von Varennes mit ihren nächsten Folgen, nicht zu vergessen der nieder¬
trächtigen Rede des öffentlichen Anklägers Hebert gegen die Königin."

Wenn darum am 3. September 1870 der Gaulois auf Varennes hinwies,
so war dies ebenso ominös wie der Hinweis des soir vom 9. August auf die
Fingerzeige Gottes in den für das Leben der Völker entscheidenden feierlichen
Stunden. Die Weltgeschichte ist das Weltgericht. Die Franzosen selbst haben
sich in jenen Worten ihr Urteil gesprochen -- mögen sie das er- und bekennen.

Nun noch nach diesem ernsten Aufblick ein paar Zeilen kläglichster französischer
Todesangst, die das Journal de Paris zwei Wochen nach der Katastrophe von
Sedan brachte, und die zugleich an Albernheit wohl alles sonstige übertreffe".
Sie handeln von den preußischen Ulanen. Obwohl zu jener Zeit neunzehn
Ulanenregimenter bestanden, die den Franzosen bereits genügend bekannt geworden
sein mußten, behauptet jenes Blatt, daß es Ulanenregimenter überhaupt nicht gibt.
"Es sind vielmehr", so heißt es weiter, "mit einem Patent versehene Freibeuter,
welche keinem General und keiner Disziplin folgen, sich auf eigene Kosten an¬
werben, ausrüsten und unterhalten, den Krieg auf eigene Rechnung führen,
nur für Gewinn kämpfen und von Rechtswegen behalten, was ihnen Fortuna
sendet. Die Ulanen sind mit einem Worte Korsaren zu Lande. Ihr Patent
ist ein Kaperbrief. Die zivilisierten Völker haben mit Recht das Kaperwesen
als organisierten Seeraub betrachtet und unterdrückt. Die Ulanen hat man
dabei vergessen, und Preußen weiß dies zu benutzen. Niemals findet man
unter den Ulanen einen Menschen von guter Erziehung oder einen Offizier,
der irgendwelche Zukunft hat, niemals Großherzigkeit oder einen Schatten von
Patriotismus/) Sie rauben bei uns, sie werden in ihrer Heimat rauben.
Raub ist Bedingung ihrer Existenz. Deshalb eben löst man sie jedesmal gleich
nach Beendigung des Krieges auf. Gelegentlich mag es unter ihnen einen
Tapferen geben, im allgemeinen haben sie nichts als Räuberkühnheit."

Hieran wird deutlich, was eine französische Presse leisten, zugleich aber
erkennt man auch an ihren schmachvollen Leistungen der letzten vierzig Jahre,
was sie schaden kann. Wohl der grötzte Teil des jetzt über Europa herein¬
gebrochenen Unglücks ist ihr und ihren ebenbürtigen Organen in Rußland und
England zu danken.

Daß auch der Nimbus von Englands Größe schon lange im Schwinden
begriffen ist, haben seine Frauenrechtlerinnen sehr schlagend bewiesen, und seine



*) Vgl. den Generalfeldmarschall Grafen von Häseler, Chef und einstigen Kommandeur
des Ulanenregiments Ur. 111
I^s AsÄN^e Nation

reich die Rede war, und davon, daß es dort seit Ludwigs des Sechzehnten
bis in die neue Zeit ständig gährte und brodelte. — die Erinnerung der Eltern
umfaßte nämlich die ganze Zeit seit Napoleons des Ersten Aufstieg, die der
Großeltern reichte zurück bis zu Ludwig dem Sechzehnten. Jene anderen Worte
lauteten: „Dem französischen Volke kann es niemals wohl ergehen; niemals
wird ihm Ruhe und Frieden oeschieden sein; auf ihm lastet dauernd der Fluch
der Tat von Varennes mit ihren nächsten Folgen, nicht zu vergessen der nieder¬
trächtigen Rede des öffentlichen Anklägers Hebert gegen die Königin."

Wenn darum am 3. September 1870 der Gaulois auf Varennes hinwies,
so war dies ebenso ominös wie der Hinweis des soir vom 9. August auf die
Fingerzeige Gottes in den für das Leben der Völker entscheidenden feierlichen
Stunden. Die Weltgeschichte ist das Weltgericht. Die Franzosen selbst haben
sich in jenen Worten ihr Urteil gesprochen — mögen sie das er- und bekennen.

Nun noch nach diesem ernsten Aufblick ein paar Zeilen kläglichster französischer
Todesangst, die das Journal de Paris zwei Wochen nach der Katastrophe von
Sedan brachte, und die zugleich an Albernheit wohl alles sonstige übertreffe».
Sie handeln von den preußischen Ulanen. Obwohl zu jener Zeit neunzehn
Ulanenregimenter bestanden, die den Franzosen bereits genügend bekannt geworden
sein mußten, behauptet jenes Blatt, daß es Ulanenregimenter überhaupt nicht gibt.
„Es sind vielmehr", so heißt es weiter, „mit einem Patent versehene Freibeuter,
welche keinem General und keiner Disziplin folgen, sich auf eigene Kosten an¬
werben, ausrüsten und unterhalten, den Krieg auf eigene Rechnung führen,
nur für Gewinn kämpfen und von Rechtswegen behalten, was ihnen Fortuna
sendet. Die Ulanen sind mit einem Worte Korsaren zu Lande. Ihr Patent
ist ein Kaperbrief. Die zivilisierten Völker haben mit Recht das Kaperwesen
als organisierten Seeraub betrachtet und unterdrückt. Die Ulanen hat man
dabei vergessen, und Preußen weiß dies zu benutzen. Niemals findet man
unter den Ulanen einen Menschen von guter Erziehung oder einen Offizier,
der irgendwelche Zukunft hat, niemals Großherzigkeit oder einen Schatten von
Patriotismus/) Sie rauben bei uns, sie werden in ihrer Heimat rauben.
Raub ist Bedingung ihrer Existenz. Deshalb eben löst man sie jedesmal gleich
nach Beendigung des Krieges auf. Gelegentlich mag es unter ihnen einen
Tapferen geben, im allgemeinen haben sie nichts als Räuberkühnheit."

Hieran wird deutlich, was eine französische Presse leisten, zugleich aber
erkennt man auch an ihren schmachvollen Leistungen der letzten vierzig Jahre,
was sie schaden kann. Wohl der grötzte Teil des jetzt über Europa herein¬
gebrochenen Unglücks ist ihr und ihren ebenbürtigen Organen in Rußland und
England zu danken.

Daß auch der Nimbus von Englands Größe schon lange im Schwinden
begriffen ist, haben seine Frauenrechtlerinnen sehr schlagend bewiesen, und seine



*) Vgl. den Generalfeldmarschall Grafen von Häseler, Chef und einstigen Kommandeur
des Ulanenregiments Ur. 111
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/369>, abgerufen am 01.09.2024.