Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.Englische Politik kommen ist Diese wenigstens einigermaßen kennen zu lernen ist nnr in dieser Will man einen Gegner in seiner Stärke richtig einschätzen, so wird Englische Politik kommen ist Diese wenigstens einigermaßen kennen zu lernen ist nnr in dieser Will man einen Gegner in seiner Stärke richtig einschätzen, so wird <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0364" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329098"/> <fw type="header" place="top"> Englische Politik</fw><lb/> <p xml:id="ID_1227" prev="#ID_1226"> kommen ist Diese wenigstens einigermaßen kennen zu lernen ist nnr in dieser<lb/> Epoche möglich, der letzten bis auf unsere Tage, die England in einem Existenz¬<lb/> kampf sah. Allerdings eine genaue Kenntnis kann man auch heute noch nicht<lb/> erhalten, da die entscheidenden Akten z, B, bezüglich Englands Stellung zu den<lb/> Koalitionskriegen, vor allem zum Bruch des Friedens von Amiens noch wohl<lb/> verwahrt in den Londoner Archiven ruhen. Sicher nicht, weil man sich in<lb/> England durch deren Veröffentlichung bloßgestellt fühlt, sondern weil man die<lb/> Welt nicht in das politische Gedankenarsenal hineinsehen lassen will, damit nicht<lb/> etwa ein politischer Gegner Vorteil daraus zu ziehen in der Lage wäre. Es<lb/> soll die Rüstkammer der englischen Staatsmänner bleiben, die sich aus diesem<lb/> alte Waffen zum neuen Gebrauch oder die Anregung zur Erfindung neuer, den<lb/> veränderten Zeitverhältnissen besser entsprechenden holen sollen. Denn der Geist,<lb/> der damals die Gemüter beherrschte, lebt auch heute noch: nur heißt nicht mehr<lb/> Frankreich, sondern Deutschland der Gegner, der bekämpft werden soll, genau<lb/> so erbarmungslos und skrupellos. Über den Überfall von Kopenhagen 1307<lb/> schreibt Wen. Laird Clowes in seinem Werk: ^Ke Kopai I^app 1899: „Der<lb/> Angriff auf Kopenhagen war zweifellos eine weise und in der Tat notwendige<lb/> Maßnahme. In Zeiten allgemeinen Krieges sind schwache Mächte, die ihre<lb/> Neutralität nicht wahren können, und die von einer der großen Parteien als<lb/> Werkzeug im Kampf gebraucht werden könnten, für die andere Partei Gefahrs¬<lb/> quellen; und es ist nur klug von der anderen Partei, die erste mögliche Ge¬<lb/> legenheit zu ergreifen, sie der Waffen zu berauben, die, obwohl verhältnismäßig<lb/> harmlos in den Händen kleiner Staaten ohne Ehrgeiz, unter der Führung<lb/> großer und aggressiver Mächte furchtbar werden können." (Zitiert nach A. von<lb/> Janson: DerÜberfall über See als Feldzugsemleitung.) Wer der eigentliche Urheber<lb/> des japanischen Ultimatums ist, dürfte demnach keinem Zweifel mehr unterliegen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1228" next="#ID_1229"> Will man einen Gegner in seiner Stärke richtig einschätzen, so wird<lb/> man seine Maßnahmen kühlen Blutes betrachten und wägen müssen. Und<lb/> da wird man zugestehen müssen, daß die gegen uns zusammengeschweißte<lb/> Vereinigung von Mächten ein Meisterstück englischer Staatskunst darstellt.<lb/> England selbst hat sich ausgesöhnt mit Rußland, einer Macht, die es<lb/> jahrzehntelang als seinen gegebenen Gegner ansah. Es hat ferner Rußland<lb/> und Japan in demselben Bund vereinigt, obwohl ihre Gegensätze unvereinbar<lb/> schienen. Und das alles scheinbar ohne erhebliche Opfer. Denn es hieße die<lb/> britische Staatskunst zu niedrig einschätzen, wenn der Preis für dies Bündnis<lb/> etwa die Preisgabe des fernen Ostens und der Weltherrschaftspläne in diesem<lb/> Erdenwinkel wäre, wie die deutsche Presse allgemein vermutet. Auch von<lb/> einem Rassenkampf der gelben gegen die weiße Rasse wird man wohl kaum<lb/> reden können. England hat sich vielmehr, wie es scheint, mit Japan und<lb/> Rußland über die Interessensphären in China verständigt und sicher so, daß es<lb/> selbst nicht zu kurz kommt. Damit ist Japan für längere Zeit beschäftigt und<lb/> Deutschland ein Bundesgenosse oder wenigstens freundlicher Zuschauer entwunden.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0364]
Englische Politik
kommen ist Diese wenigstens einigermaßen kennen zu lernen ist nnr in dieser
Epoche möglich, der letzten bis auf unsere Tage, die England in einem Existenz¬
kampf sah. Allerdings eine genaue Kenntnis kann man auch heute noch nicht
erhalten, da die entscheidenden Akten z, B, bezüglich Englands Stellung zu den
Koalitionskriegen, vor allem zum Bruch des Friedens von Amiens noch wohl
verwahrt in den Londoner Archiven ruhen. Sicher nicht, weil man sich in
England durch deren Veröffentlichung bloßgestellt fühlt, sondern weil man die
Welt nicht in das politische Gedankenarsenal hineinsehen lassen will, damit nicht
etwa ein politischer Gegner Vorteil daraus zu ziehen in der Lage wäre. Es
soll die Rüstkammer der englischen Staatsmänner bleiben, die sich aus diesem
alte Waffen zum neuen Gebrauch oder die Anregung zur Erfindung neuer, den
veränderten Zeitverhältnissen besser entsprechenden holen sollen. Denn der Geist,
der damals die Gemüter beherrschte, lebt auch heute noch: nur heißt nicht mehr
Frankreich, sondern Deutschland der Gegner, der bekämpft werden soll, genau
so erbarmungslos und skrupellos. Über den Überfall von Kopenhagen 1307
schreibt Wen. Laird Clowes in seinem Werk: ^Ke Kopai I^app 1899: „Der
Angriff auf Kopenhagen war zweifellos eine weise und in der Tat notwendige
Maßnahme. In Zeiten allgemeinen Krieges sind schwache Mächte, die ihre
Neutralität nicht wahren können, und die von einer der großen Parteien als
Werkzeug im Kampf gebraucht werden könnten, für die andere Partei Gefahrs¬
quellen; und es ist nur klug von der anderen Partei, die erste mögliche Ge¬
legenheit zu ergreifen, sie der Waffen zu berauben, die, obwohl verhältnismäßig
harmlos in den Händen kleiner Staaten ohne Ehrgeiz, unter der Führung
großer und aggressiver Mächte furchtbar werden können." (Zitiert nach A. von
Janson: DerÜberfall über See als Feldzugsemleitung.) Wer der eigentliche Urheber
des japanischen Ultimatums ist, dürfte demnach keinem Zweifel mehr unterliegen.
Will man einen Gegner in seiner Stärke richtig einschätzen, so wird
man seine Maßnahmen kühlen Blutes betrachten und wägen müssen. Und
da wird man zugestehen müssen, daß die gegen uns zusammengeschweißte
Vereinigung von Mächten ein Meisterstück englischer Staatskunst darstellt.
England selbst hat sich ausgesöhnt mit Rußland, einer Macht, die es
jahrzehntelang als seinen gegebenen Gegner ansah. Es hat ferner Rußland
und Japan in demselben Bund vereinigt, obwohl ihre Gegensätze unvereinbar
schienen. Und das alles scheinbar ohne erhebliche Opfer. Denn es hieße die
britische Staatskunst zu niedrig einschätzen, wenn der Preis für dies Bündnis
etwa die Preisgabe des fernen Ostens und der Weltherrschaftspläne in diesem
Erdenwinkel wäre, wie die deutsche Presse allgemein vermutet. Auch von
einem Rassenkampf der gelben gegen die weiße Rasse wird man wohl kaum
reden können. England hat sich vielmehr, wie es scheint, mit Japan und
Rußland über die Interessensphären in China verständigt und sicher so, daß es
selbst nicht zu kurz kommt. Damit ist Japan für längere Zeit beschäftigt und
Deutschland ein Bundesgenosse oder wenigstens freundlicher Zuschauer entwunden.
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