Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Der große Arieg
Rückblicke
von George Lleinow 2.

n dem Entstehen und der Entwicklung des serbisch-österreichischen
Zwiespaltes bis zu einem freilich mehrere Jahre zurückliegenden
Zeitpunkte haben eine Reihe Faktoren mitgewirkt. Auch das
besondere Eingreifen Rußlands in den Konflikt findet eine Er¬
klärung, die sich in dem Hinweis auf den Panslawismus nicht
erschöpft: die russische Diplomatie hat sich eigentlich (natürlich im Rahmen
ihrer großen zur Adria weihenden Aufgabe) von vornherein nur einen leicht
angelöteten Punkt in den Beziehungen der direkten und indirekten Balkan¬
intercssenten zunutze gemacht, den gewisse wirtschaftliche Maßnahmen an der
Südgrenze Ungarns hatten entstehen lassen. Erst die Mittel, die die Russen
in den letzten Jahren zur Durchsetzung ihrer Ziele anwendeten, haben dem
Konflikt jenen allgemein kulturellen, also auch für uns Deutsche nationalen
Inhalt gegeben, um den wir kämpfen. Nußland war diejenige Kraft, die von
1906/7 ab, schematisch zum Friedensbruch auf den, Balkan trieb, um dann im
Trüben fischen zu können. Es ist ganz lehrreich und über den Krieg hinaus
interessant, sich einmal zu vergegenwärtigen, wie eine skrupellose Diplomatie
die alltäglichen wirtschaftlichen Vorgänge ausnutzen kann, wenn sie sich durch
die einfachsten Grundsätze von Treu und Glauben nicht beschwert fühlt.

Der jüngste serbisch-österreichische Konflikt ist als ein Lokalkonflikt akut
geworden im Jahre 1906. Er ist nicht so sehr aus nationalistischen Gründen
entstanden, als aus wirtschaftlichen, und in seinem Mittelpunkt stehen weniger
die bekannten Hammeldiebe als die in Norddeutschland erst in den allerletzten
Jahren bekannter gewordenen serbischen Ochsen. Bis zum Jahre 1906 durste


Geboten III 1914 22


Der große Arieg
Rückblicke
von George Lleinow 2.

n dem Entstehen und der Entwicklung des serbisch-österreichischen
Zwiespaltes bis zu einem freilich mehrere Jahre zurückliegenden
Zeitpunkte haben eine Reihe Faktoren mitgewirkt. Auch das
besondere Eingreifen Rußlands in den Konflikt findet eine Er¬
klärung, die sich in dem Hinweis auf den Panslawismus nicht
erschöpft: die russische Diplomatie hat sich eigentlich (natürlich im Rahmen
ihrer großen zur Adria weihenden Aufgabe) von vornherein nur einen leicht
angelöteten Punkt in den Beziehungen der direkten und indirekten Balkan¬
intercssenten zunutze gemacht, den gewisse wirtschaftliche Maßnahmen an der
Südgrenze Ungarns hatten entstehen lassen. Erst die Mittel, die die Russen
in den letzten Jahren zur Durchsetzung ihrer Ziele anwendeten, haben dem
Konflikt jenen allgemein kulturellen, also auch für uns Deutsche nationalen
Inhalt gegeben, um den wir kämpfen. Nußland war diejenige Kraft, die von
1906/7 ab, schematisch zum Friedensbruch auf den, Balkan trieb, um dann im
Trüben fischen zu können. Es ist ganz lehrreich und über den Krieg hinaus
interessant, sich einmal zu vergegenwärtigen, wie eine skrupellose Diplomatie
die alltäglichen wirtschaftlichen Vorgänge ausnutzen kann, wenn sie sich durch
die einfachsten Grundsätze von Treu und Glauben nicht beschwert fühlt.

Der jüngste serbisch-österreichische Konflikt ist als ein Lokalkonflikt akut
geworden im Jahre 1906. Er ist nicht so sehr aus nationalistischen Gründen
entstanden, als aus wirtschaftlichen, und in seinem Mittelpunkt stehen weniger
die bekannten Hammeldiebe als die in Norddeutschland erst in den allerletzten
Jahren bekannter gewordenen serbischen Ochsen. Bis zum Jahre 1906 durste


Geboten III 1914 22
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0325" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329059"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341899_328733/figures/grenzboten_341899_328733_329059_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der große Arieg<lb/>
Rückblicke<lb/><note type="byline"> von George Lleinow</note> 2. </head><lb/>
          <p xml:id="ID_1115"> n dem Entstehen und der Entwicklung des serbisch-österreichischen<lb/>
Zwiespaltes bis zu einem freilich mehrere Jahre zurückliegenden<lb/>
Zeitpunkte haben eine Reihe Faktoren mitgewirkt. Auch das<lb/>
besondere Eingreifen Rußlands in den Konflikt findet eine Er¬<lb/>
klärung, die sich in dem Hinweis auf den Panslawismus nicht<lb/>
erschöpft: die russische Diplomatie hat sich eigentlich (natürlich im Rahmen<lb/>
ihrer großen zur Adria weihenden Aufgabe) von vornherein nur einen leicht<lb/>
angelöteten Punkt in den Beziehungen der direkten und indirekten Balkan¬<lb/>
intercssenten zunutze gemacht, den gewisse wirtschaftliche Maßnahmen an der<lb/>
Südgrenze Ungarns hatten entstehen lassen. Erst die Mittel, die die Russen<lb/>
in den letzten Jahren zur Durchsetzung ihrer Ziele anwendeten, haben dem<lb/>
Konflikt jenen allgemein kulturellen, also auch für uns Deutsche nationalen<lb/>
Inhalt gegeben, um den wir kämpfen. Nußland war diejenige Kraft, die von<lb/>
1906/7 ab, schematisch zum Friedensbruch auf den, Balkan trieb, um dann im<lb/>
Trüben fischen zu können. Es ist ganz lehrreich und über den Krieg hinaus<lb/>
interessant, sich einmal zu vergegenwärtigen, wie eine skrupellose Diplomatie<lb/>
die alltäglichen wirtschaftlichen Vorgänge ausnutzen kann, wenn sie sich durch<lb/>
die einfachsten Grundsätze von Treu und Glauben nicht beschwert fühlt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1116" next="#ID_1117"> Der jüngste serbisch-österreichische Konflikt ist als ein Lokalkonflikt akut<lb/>
geworden im Jahre 1906. Er ist nicht so sehr aus nationalistischen Gründen<lb/>
entstanden, als aus wirtschaftlichen, und in seinem Mittelpunkt stehen weniger<lb/>
die bekannten Hammeldiebe als die in Norddeutschland erst in den allerletzten<lb/>
Jahren bekannter gewordenen serbischen Ochsen. Bis zum Jahre 1906 durste</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Geboten III 1914 22</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0325] [Abbildung] Der große Arieg Rückblicke von George Lleinow 2. n dem Entstehen und der Entwicklung des serbisch-österreichischen Zwiespaltes bis zu einem freilich mehrere Jahre zurückliegenden Zeitpunkte haben eine Reihe Faktoren mitgewirkt. Auch das besondere Eingreifen Rußlands in den Konflikt findet eine Er¬ klärung, die sich in dem Hinweis auf den Panslawismus nicht erschöpft: die russische Diplomatie hat sich eigentlich (natürlich im Rahmen ihrer großen zur Adria weihenden Aufgabe) von vornherein nur einen leicht angelöteten Punkt in den Beziehungen der direkten und indirekten Balkan¬ intercssenten zunutze gemacht, den gewisse wirtschaftliche Maßnahmen an der Südgrenze Ungarns hatten entstehen lassen. Erst die Mittel, die die Russen in den letzten Jahren zur Durchsetzung ihrer Ziele anwendeten, haben dem Konflikt jenen allgemein kulturellen, also auch für uns Deutsche nationalen Inhalt gegeben, um den wir kämpfen. Nußland war diejenige Kraft, die von 1906/7 ab, schematisch zum Friedensbruch auf den, Balkan trieb, um dann im Trüben fischen zu können. Es ist ganz lehrreich und über den Krieg hinaus interessant, sich einmal zu vergegenwärtigen, wie eine skrupellose Diplomatie die alltäglichen wirtschaftlichen Vorgänge ausnutzen kann, wenn sie sich durch die einfachsten Grundsätze von Treu und Glauben nicht beschwert fühlt. Der jüngste serbisch-österreichische Konflikt ist als ein Lokalkonflikt akut geworden im Jahre 1906. Er ist nicht so sehr aus nationalistischen Gründen entstanden, als aus wirtschaftlichen, und in seinem Mittelpunkt stehen weniger die bekannten Hammeldiebe als die in Norddeutschland erst in den allerletzten Jahren bekannter gewordenen serbischen Ochsen. Bis zum Jahre 1906 durste Geboten III 1914 22

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/325
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/325>, abgerufen am 27.07.2024.