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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Den (ZZuertreibern

Mehr so hoch hätte steigen können, wenn deutsche Geistesarbeit ihr nicht mit den
Weg empor gebahnt hätte. . . . Wer dieses Volk niederwerfen und für alle
Zeiten ohnmächtig machen will, trachtet danach, alle menschlichen Zukunftshoff¬
nungen zu vernichten."

Gewiß bleibt Quessel seiner politischen Gesinnung nach Sozialdemokrat,-
aber welche Hoffnungen dürfen sich an die Zukunft unserer Volksgesamtheit
knüpfen, wenn uns gerade aus dieser Partei solche Worte, solche Anschauungen
entgegenhalten, die jeder von uns in diesen Tagen selbst gedacht und vor- und
nachempfunden hat.

Das ist eine große Gewähr, auf die wir uns nach dem Kriege stützen
können, und wie wir uns für den Krieg selbst durch unser ausgezeichnetes Heer,
durch unsere glänzend bewährte staatliche Organisation gerüstet haben, so
müssen wir uns rüsten, dem Ansturm entsprechen zu können, der nach dem
Kriege vom Auslande her einsetzen wird, um die Erfolge unserer Stärke nach
Möglichkeit zu schmälern. Auch da wird nur Einigkeit uns stark machen. In
dem Zusammenstehen der Deutschen und Westslawen, der Deutschen, der Polen,
Tschechen, Slowenen und Ungarn, erblicke ich eine Gewähr dafür, daß man
nach dem Kriege toleranter sein wird in nationalen Fragen wie man noch vor
wenigen Monaten war, und daß sich höhere Gesichtspunkte staatlicher und
allgemein menschlicher Natur durchsetzen werden, um den durch die Katastrophe
bewirkten Zusammenschluß der Völker Mitteleuropas auch weiterhin auszubauen
und zu festigen.

Auch im Innern wird es unmöglich sein, die Bande ohne weiteres zu
zerreißen, die sich schon während der Mobilmachungstage zwischen den ver¬
schiedenen Schichten des Volkes geknüpft haben und die sich während der blutigen
Kämpfe noch weiter festigen. Der Fabrikdirektor und der Eisendreher, die
auch nur einen Tag zusammen im Schützengraben gelegen haben, die auch nur
eine Patrouille zusammen in Feindes Land ritten, umschlingt ein Band, das
auch die gehässigsten Hetzer, die jetzt kühlen Herzens unberührt von der Größe
des Augenblicks Zeitungsartikel schreiben können, niemals zerreißen können. Es
ist schon heute manche Schranke gefallen zwischen den Ständen, es ist mancher
Kastengeist zerstäubt vor der Größe des Augenblicks. Keine verständige Re¬
gierung wird ihre Hand dazu bieten, diese Schranken wieder aufzurichten, die
so vielen Millionen Deutschen bittere Stunden bereitet haben.

Das sei der Postredaktion gesagt: die Folgen des Krieges für das
Deutschtum und für Deutschland, vielleicht für das ganze große mitteleuropäische
Gebiet, das heute die glorreichen Adler der Hohenzollern und Habsburger mit
ihren Schwingen umfassen, kann nur eine Ära sein, die nach Möglichkeit den
Bedürfnissen aller derer gerecht wird, die heute Gut und Blut einsetzen für die
hohe Kultur, die so eng mit dem deutschen Namen verknüpft ist.


George Lleinow


Den (ZZuertreibern

Mehr so hoch hätte steigen können, wenn deutsche Geistesarbeit ihr nicht mit den
Weg empor gebahnt hätte. . . . Wer dieses Volk niederwerfen und für alle
Zeiten ohnmächtig machen will, trachtet danach, alle menschlichen Zukunftshoff¬
nungen zu vernichten."

Gewiß bleibt Quessel seiner politischen Gesinnung nach Sozialdemokrat,-
aber welche Hoffnungen dürfen sich an die Zukunft unserer Volksgesamtheit
knüpfen, wenn uns gerade aus dieser Partei solche Worte, solche Anschauungen
entgegenhalten, die jeder von uns in diesen Tagen selbst gedacht und vor- und
nachempfunden hat.

Das ist eine große Gewähr, auf die wir uns nach dem Kriege stützen
können, und wie wir uns für den Krieg selbst durch unser ausgezeichnetes Heer,
durch unsere glänzend bewährte staatliche Organisation gerüstet haben, so
müssen wir uns rüsten, dem Ansturm entsprechen zu können, der nach dem
Kriege vom Auslande her einsetzen wird, um die Erfolge unserer Stärke nach
Möglichkeit zu schmälern. Auch da wird nur Einigkeit uns stark machen. In
dem Zusammenstehen der Deutschen und Westslawen, der Deutschen, der Polen,
Tschechen, Slowenen und Ungarn, erblicke ich eine Gewähr dafür, daß man
nach dem Kriege toleranter sein wird in nationalen Fragen wie man noch vor
wenigen Monaten war, und daß sich höhere Gesichtspunkte staatlicher und
allgemein menschlicher Natur durchsetzen werden, um den durch die Katastrophe
bewirkten Zusammenschluß der Völker Mitteleuropas auch weiterhin auszubauen
und zu festigen.

Auch im Innern wird es unmöglich sein, die Bande ohne weiteres zu
zerreißen, die sich schon während der Mobilmachungstage zwischen den ver¬
schiedenen Schichten des Volkes geknüpft haben und die sich während der blutigen
Kämpfe noch weiter festigen. Der Fabrikdirektor und der Eisendreher, die
auch nur einen Tag zusammen im Schützengraben gelegen haben, die auch nur
eine Patrouille zusammen in Feindes Land ritten, umschlingt ein Band, das
auch die gehässigsten Hetzer, die jetzt kühlen Herzens unberührt von der Größe
des Augenblicks Zeitungsartikel schreiben können, niemals zerreißen können. Es
ist schon heute manche Schranke gefallen zwischen den Ständen, es ist mancher
Kastengeist zerstäubt vor der Größe des Augenblicks. Keine verständige Re¬
gierung wird ihre Hand dazu bieten, diese Schranken wieder aufzurichten, die
so vielen Millionen Deutschen bittere Stunden bereitet haben.

Das sei der Postredaktion gesagt: die Folgen des Krieges für das
Deutschtum und für Deutschland, vielleicht für das ganze große mitteleuropäische
Gebiet, das heute die glorreichen Adler der Hohenzollern und Habsburger mit
ihren Schwingen umfassen, kann nur eine Ära sein, die nach Möglichkeit den
Bedürfnissen aller derer gerecht wird, die heute Gut und Blut einsetzen für die
hohe Kultur, die so eng mit dem deutschen Namen verknüpft ist.


George Lleinow


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/281>, abgerufen am 27.07.2024.