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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Die russische Armee als Gegner

Die vortrefflichen Eigenschaften des russischen Soldaten: Genügsamkeit,
Ausdauer, zähe Tapferkeit, Anhänglichkeit an seinen Vorgesetzten, haben sich
dessen ungeachtet in den Kriegen gegen Napoleon in vollstem Lichte gezeigt.
Unsere Führer aus der Zeit, da Preußen und Russen gemeinsam gegen
Napoleon fochten, sind des Lobes voll über die russischen Truppen. Bonen
äußert sich aus dem Jahre 1807 sehr günstig über die Kosaken. Von solchen,
die ihm als Bedeckung oder Ordonnanzen zugeteilt waren, habe er sich immer
nur ungern getrennt. Gneisenau schreibt aus Anlaß des Gefechtes des russischen
Korps Langeron bei Zobten am 19. August 1813: "Es ist nicht möglich, mit
mehr Unerschrockenheit zu fechten, als die Truppen dieser kriegerischen Nation,
die Russen, es tun."

Die Leistungen der russischen Armee im Ertragen von Mühseligkeiten treten
ganz besonders 1807, während des Winterfeldzuges in Ostpreußen hervor. Sie
widersteht dem ungünstigen Eindruck, den die kampflose Räumung der Stellung
von Jonkendorf angesichts des Feindes hervorrufen mußte, nicht minder, wie
dem zersetzenden Einfluß von vier aufeinander folgenden Nachtmärschen bei
schlechten verschneiten Wegen, Biwaks bei schneidender Kälte und kärglichster
Verpflegung und wehrt am Schluß dieser Leidenstage bei Preußisch-Enlau den
Angriff eines noch nie besiegten Feindes unter dem ersten Feldherrn des Jahr¬
hunderts ab. Das Lob, das ihnen der dem Stäbe Bennigsens, des russischen
Oberbefehlshabers, zugeteilte preußische Oberstleutnant v. d. Knesebeck kurz vorher
gespendet hatte: "brav, gefühllos, tapfer, ausharrend bei Mühseligkeiten und
Strapazen sind diese Menschen ans unglaubliche Weise, und bei guter An¬
führung ist viel mit ihnen auszurichten," dieses Lob verdienen die russischen
Soldaten von damals durchaus.

Die ungewöhnliche Zähigkeit in der Abwehr und im Ertragen massenhafter
Verluste zeigte sich wiederum 1812 bei Borodino. Hier betrug der Verlust der
Russen nicht weniger als 52000 Mann von 130000 Mann. Ihr Grund ist
ähnlich wie bei Eylau in einer sehr gedrängten und diesen Aufstellung zu suchen,
in der die Hinteren Treffen durch das feindliche Geschützfeuer ebensoviel ver¬
loren, wie das vorderste. Mehr als passive Abwehr wurde auch hier nicht
erstrebt.

Der große Umschwung des Jahres 1812 hat dann in den russischen Truppen
den Angriffstrieb entfacht, und sie haben den minderwertigen französischen Neu¬
bildungen gegenüber an ihm in den Befreiungskriegen festgehalten. Sie haben
in diesen eine Reihe von Glanzleistungen aufzuweisen. Es sei nur daran
erinnert, daß die Katzbachschlacht durch das Eingreifen des Korps Sacken ent¬
schieden worden ist, daß bei Priester-Kulm der heldenmütige Widerstand des
Prinzen Eugen von Württemberg und der russischen Garden die verbündete
Hauptarmee aus schwerster Gesahr rettete, daß bei Wachau das zweite russische
Jnfanteriekorps (Division) bis auf achthundert Mann zusammenschmolz, ohne
darüber gesechtsunfähig zu werden.


Die russische Armee als Gegner

Die vortrefflichen Eigenschaften des russischen Soldaten: Genügsamkeit,
Ausdauer, zähe Tapferkeit, Anhänglichkeit an seinen Vorgesetzten, haben sich
dessen ungeachtet in den Kriegen gegen Napoleon in vollstem Lichte gezeigt.
Unsere Führer aus der Zeit, da Preußen und Russen gemeinsam gegen
Napoleon fochten, sind des Lobes voll über die russischen Truppen. Bonen
äußert sich aus dem Jahre 1807 sehr günstig über die Kosaken. Von solchen,
die ihm als Bedeckung oder Ordonnanzen zugeteilt waren, habe er sich immer
nur ungern getrennt. Gneisenau schreibt aus Anlaß des Gefechtes des russischen
Korps Langeron bei Zobten am 19. August 1813: „Es ist nicht möglich, mit
mehr Unerschrockenheit zu fechten, als die Truppen dieser kriegerischen Nation,
die Russen, es tun."

Die Leistungen der russischen Armee im Ertragen von Mühseligkeiten treten
ganz besonders 1807, während des Winterfeldzuges in Ostpreußen hervor. Sie
widersteht dem ungünstigen Eindruck, den die kampflose Räumung der Stellung
von Jonkendorf angesichts des Feindes hervorrufen mußte, nicht minder, wie
dem zersetzenden Einfluß von vier aufeinander folgenden Nachtmärschen bei
schlechten verschneiten Wegen, Biwaks bei schneidender Kälte und kärglichster
Verpflegung und wehrt am Schluß dieser Leidenstage bei Preußisch-Enlau den
Angriff eines noch nie besiegten Feindes unter dem ersten Feldherrn des Jahr¬
hunderts ab. Das Lob, das ihnen der dem Stäbe Bennigsens, des russischen
Oberbefehlshabers, zugeteilte preußische Oberstleutnant v. d. Knesebeck kurz vorher
gespendet hatte: „brav, gefühllos, tapfer, ausharrend bei Mühseligkeiten und
Strapazen sind diese Menschen ans unglaubliche Weise, und bei guter An¬
führung ist viel mit ihnen auszurichten," dieses Lob verdienen die russischen
Soldaten von damals durchaus.

Die ungewöhnliche Zähigkeit in der Abwehr und im Ertragen massenhafter
Verluste zeigte sich wiederum 1812 bei Borodino. Hier betrug der Verlust der
Russen nicht weniger als 52000 Mann von 130000 Mann. Ihr Grund ist
ähnlich wie bei Eylau in einer sehr gedrängten und diesen Aufstellung zu suchen,
in der die Hinteren Treffen durch das feindliche Geschützfeuer ebensoviel ver¬
loren, wie das vorderste. Mehr als passive Abwehr wurde auch hier nicht
erstrebt.

Der große Umschwung des Jahres 1812 hat dann in den russischen Truppen
den Angriffstrieb entfacht, und sie haben den minderwertigen französischen Neu¬
bildungen gegenüber an ihm in den Befreiungskriegen festgehalten. Sie haben
in diesen eine Reihe von Glanzleistungen aufzuweisen. Es sei nur daran
erinnert, daß die Katzbachschlacht durch das Eingreifen des Korps Sacken ent¬
schieden worden ist, daß bei Priester-Kulm der heldenmütige Widerstand des
Prinzen Eugen von Württemberg und der russischen Garden die verbündete
Hauptarmee aus schwerster Gesahr rettete, daß bei Wachau das zweite russische
Jnfanteriekorps (Division) bis auf achthundert Mann zusammenschmolz, ohne
darüber gesechtsunfähig zu werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/262>, abgerufen am 01.09.2024.