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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Die Ausstellung des Deutschen Werkbundes in Köln

Durchbildung soll aber auch die Formen der Darbietung der Erzeugnisse im
Handel adeln, so daß auch sie den Anforderungen eines geläuterten Geschmacks
gerecht werden.

Aus diesen Leitgedanken ist nun auch die erste selbständige Ausstellung
hervorgewachsen, die der Deutsche Werkbund unter Mitwirkung der Stadt Köln
in diesem Sommer veranstaltet. Eine volle Anschauung der künstlerischen Kräfte,
die heute schon das Schaffen des Handwerks, der Gewerbe und der Industrie
in Deutschland mitbestimmen, soll durch das hier Dargebotene vermittelt werden,
aber darüber hinaus will auch die Ausstellung selbst durch die Einheitlichkeit
und Harmonie ihrer Gesamterscheinung und die organische Schönheit ihrer
Durchgestaltung bis ins kleinste eine vorbildliche Lösung einer umfassenden
Bauaufgabe darstellen.

Es war ein glücklicher Gedanke, der Ausstellung gerade in Köln ihre Stätte
zu bereiten. Das Rheinland und Westfalen mit ihrer reichen industriellen Ent¬
wicklung werden dadurch das nächste und unmittelbarste Gebiet ihrer Wirkung.
Dem Wohlstand in den Kreisen der Großindustrie kann man es anheimgeben,
die gebotenen Anregungen aufzunehmen: so möchte man sie vor allem dafür
gewinnen, daß sie den künstlerischen Kräften des Werkbundes die Ausgestaltung
ihres gesamten äußeren Lebensbereiches anvertraut. Und mehr als dies: die
Industrie und der Handel dieser rege schaffenden Welt der Kohle und des Eisens
bieten eine Fülle von Möglichkeiten zur Verwirklichung der Werkbundgedanken
in der Arbeit des Alltags.

Man wird aber auch wohl kaum in einer anderen deutschen Landschaft so
aus dem Grunde begreifen, welche drängenden inneren Notwendigkeiten die
Bestrebungen des Werkbundes hervorgetrieben haben, als gerade hier im Rhein¬
land Ruhrgebiet. Man braucht von Köln nicht gar weit stromabwärts zu
fahren, und es tut sich vor dem Auge eine Welt auf, deren sichtbare Erscheinung
von nichts anderem bestimmt und beherrscht ist, als von der Absicht wirtschaft¬
licher Ausbeutung der Bodenschätze oder der Maschinenkräste. In ödem, totem
Land die unförmlichen Massen kahler Fabrikgebäude, roh aufgeführte Arbeits¬
scheunen und nackte Schlote, schwarze Schlacken walte um sie her. Und nahe
dabei die Wohnbezirke arbeitender Menschen, elende Dutzendhäuser, aus den¬
selben einförmigen Backsteinen lieblos zusammengemauert, ohne einen lebendigen
Formgedanken, ohne einen freundlichen Reiz in ihrer äußeren Gestaltung in
trostlos graue Reihen gestellt -- und über dem allem tagaus tagein ein schwerer
Himmel von Dunst und Rauch, der sich lähmend und erstickend über alles legt,
was im Lichte leben möchte.

Kein Wunder, daß man auf einem solchen Boden schon viel eher als
anderswo die Gefahr einer nicht mehr menschenwürdigen Verödung der äußeren
Wirklichkeit, der Verarmung und Verkümmerung des Lebens in einer Welt von
Häßlichkeit erkannt und sich mit allem ernsten Willen für eine Abwehr und
Besserung eingesetzt hat.


Grenzboten III 1914 ^
Die Ausstellung des Deutschen Werkbundes in Köln

Durchbildung soll aber auch die Formen der Darbietung der Erzeugnisse im
Handel adeln, so daß auch sie den Anforderungen eines geläuterten Geschmacks
gerecht werden.

Aus diesen Leitgedanken ist nun auch die erste selbständige Ausstellung
hervorgewachsen, die der Deutsche Werkbund unter Mitwirkung der Stadt Köln
in diesem Sommer veranstaltet. Eine volle Anschauung der künstlerischen Kräfte,
die heute schon das Schaffen des Handwerks, der Gewerbe und der Industrie
in Deutschland mitbestimmen, soll durch das hier Dargebotene vermittelt werden,
aber darüber hinaus will auch die Ausstellung selbst durch die Einheitlichkeit
und Harmonie ihrer Gesamterscheinung und die organische Schönheit ihrer
Durchgestaltung bis ins kleinste eine vorbildliche Lösung einer umfassenden
Bauaufgabe darstellen.

Es war ein glücklicher Gedanke, der Ausstellung gerade in Köln ihre Stätte
zu bereiten. Das Rheinland und Westfalen mit ihrer reichen industriellen Ent¬
wicklung werden dadurch das nächste und unmittelbarste Gebiet ihrer Wirkung.
Dem Wohlstand in den Kreisen der Großindustrie kann man es anheimgeben,
die gebotenen Anregungen aufzunehmen: so möchte man sie vor allem dafür
gewinnen, daß sie den künstlerischen Kräften des Werkbundes die Ausgestaltung
ihres gesamten äußeren Lebensbereiches anvertraut. Und mehr als dies: die
Industrie und der Handel dieser rege schaffenden Welt der Kohle und des Eisens
bieten eine Fülle von Möglichkeiten zur Verwirklichung der Werkbundgedanken
in der Arbeit des Alltags.

Man wird aber auch wohl kaum in einer anderen deutschen Landschaft so
aus dem Grunde begreifen, welche drängenden inneren Notwendigkeiten die
Bestrebungen des Werkbundes hervorgetrieben haben, als gerade hier im Rhein¬
land Ruhrgebiet. Man braucht von Köln nicht gar weit stromabwärts zu
fahren, und es tut sich vor dem Auge eine Welt auf, deren sichtbare Erscheinung
von nichts anderem bestimmt und beherrscht ist, als von der Absicht wirtschaft¬
licher Ausbeutung der Bodenschätze oder der Maschinenkräste. In ödem, totem
Land die unförmlichen Massen kahler Fabrikgebäude, roh aufgeführte Arbeits¬
scheunen und nackte Schlote, schwarze Schlacken walte um sie her. Und nahe
dabei die Wohnbezirke arbeitender Menschen, elende Dutzendhäuser, aus den¬
selben einförmigen Backsteinen lieblos zusammengemauert, ohne einen lebendigen
Formgedanken, ohne einen freundlichen Reiz in ihrer äußeren Gestaltung in
trostlos graue Reihen gestellt — und über dem allem tagaus tagein ein schwerer
Himmel von Dunst und Rauch, der sich lähmend und erstickend über alles legt,
was im Lichte leben möchte.

Kein Wunder, daß man auf einem solchen Boden schon viel eher als
anderswo die Gefahr einer nicht mehr menschenwürdigen Verödung der äußeren
Wirklichkeit, der Verarmung und Verkümmerung des Lebens in einer Welt von
Häßlichkeit erkannt und sich mit allem ernsten Willen für eine Abwehr und
Besserung eingesetzt hat.


Grenzboten III 1914 ^
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[0221] Die Ausstellung des Deutschen Werkbundes in Köln Durchbildung soll aber auch die Formen der Darbietung der Erzeugnisse im Handel adeln, so daß auch sie den Anforderungen eines geläuterten Geschmacks gerecht werden. Aus diesen Leitgedanken ist nun auch die erste selbständige Ausstellung hervorgewachsen, die der Deutsche Werkbund unter Mitwirkung der Stadt Köln in diesem Sommer veranstaltet. Eine volle Anschauung der künstlerischen Kräfte, die heute schon das Schaffen des Handwerks, der Gewerbe und der Industrie in Deutschland mitbestimmen, soll durch das hier Dargebotene vermittelt werden, aber darüber hinaus will auch die Ausstellung selbst durch die Einheitlichkeit und Harmonie ihrer Gesamterscheinung und die organische Schönheit ihrer Durchgestaltung bis ins kleinste eine vorbildliche Lösung einer umfassenden Bauaufgabe darstellen. Es war ein glücklicher Gedanke, der Ausstellung gerade in Köln ihre Stätte zu bereiten. Das Rheinland und Westfalen mit ihrer reichen industriellen Ent¬ wicklung werden dadurch das nächste und unmittelbarste Gebiet ihrer Wirkung. Dem Wohlstand in den Kreisen der Großindustrie kann man es anheimgeben, die gebotenen Anregungen aufzunehmen: so möchte man sie vor allem dafür gewinnen, daß sie den künstlerischen Kräften des Werkbundes die Ausgestaltung ihres gesamten äußeren Lebensbereiches anvertraut. Und mehr als dies: die Industrie und der Handel dieser rege schaffenden Welt der Kohle und des Eisens bieten eine Fülle von Möglichkeiten zur Verwirklichung der Werkbundgedanken in der Arbeit des Alltags. Man wird aber auch wohl kaum in einer anderen deutschen Landschaft so aus dem Grunde begreifen, welche drängenden inneren Notwendigkeiten die Bestrebungen des Werkbundes hervorgetrieben haben, als gerade hier im Rhein¬ land Ruhrgebiet. Man braucht von Köln nicht gar weit stromabwärts zu fahren, und es tut sich vor dem Auge eine Welt auf, deren sichtbare Erscheinung von nichts anderem bestimmt und beherrscht ist, als von der Absicht wirtschaft¬ licher Ausbeutung der Bodenschätze oder der Maschinenkräste. In ödem, totem Land die unförmlichen Massen kahler Fabrikgebäude, roh aufgeführte Arbeits¬ scheunen und nackte Schlote, schwarze Schlacken walte um sie her. Und nahe dabei die Wohnbezirke arbeitender Menschen, elende Dutzendhäuser, aus den¬ selben einförmigen Backsteinen lieblos zusammengemauert, ohne einen lebendigen Formgedanken, ohne einen freundlichen Reiz in ihrer äußeren Gestaltung in trostlos graue Reihen gestellt — und über dem allem tagaus tagein ein schwerer Himmel von Dunst und Rauch, der sich lähmend und erstickend über alles legt, was im Lichte leben möchte. Kein Wunder, daß man auf einem solchen Boden schon viel eher als anderswo die Gefahr einer nicht mehr menschenwürdigen Verödung der äußeren Wirklichkeit, der Verarmung und Verkümmerung des Lebens in einer Welt von Häßlichkeit erkannt und sich mit allem ernsten Willen für eine Abwehr und Besserung eingesetzt hat. Grenzboten III 1914 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/221>, abgerufen am 22.12.2024.