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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Die Dominien des Pazifik und die britische Reichsverteidigung

Für die "Senior Cadets", die in einhundertundzwanzig Köpfe zählende
Kompagnien formiert sind und im Dienst Uniform tragen, ist die jährliche
Dienstzeit folgendermaßen geregelt: vier ganztägige Übungen (ärilk), d, h. von
nicht unter vier Stunden Dauer, zwölf halbtägige, nicht unter zwei Stunden,
vierundzwanzig Abenddrills, nicht unter einer Stunde. Die letzteren beiden
können durch feldmäßige Übungen von mindestens achtundvierzigstündiger Dauer
ersetzt werden. Außerdem gibt es Paraden und Appells, an denen aber die
Teilnahme freiwillig ist. Die ganze Ausbildung trägt mehr den Charakter
des Sports als den eines wirklichen militärischen Dienstbctriebes.

Im Jahre 1912 erhielten achtundachtzigtausend, im Jahre 1913 zweiund-
ueunzigtaufend "Senior Cadets" eine militärische Ausbildung und man kann
annehmen, daß in wenigen Jahren die Zahl einhunderttausend erreicht wird.

Mit dem Beginn des achtzehnten Lebensjahres treten die "Senior Cadets"
in das Bürgerheer über, dem sie bis zum vollendeten sechsundzwanzigsten
Lebensjahre (drei Jahre aktiv, dann in der Reserve) angehören.

Zur Ausbildung des Bürgerheeres besteht die sogenannte permanente
Miliz, die die regulären Truppen darstellt (Stärke 1912/13: zwcihundertein-
undsiebzig Offiziere, zweitausendoierhundertachtundvierzig Mann).

Die Ausbildung der aktiven Miliz beträgt jährlich für die Artillerie und
Pioniere fünfundzwanzig Tage, hiervon siebzehn hintereinander im Lager, für
die übrigen Waffen sechzehn Tage, davon acht hintereinander im Lager. Die
Äbungstage, soweit sie nicht zu den Lagerübungen gehören, werden in halb¬
tägigen oder abendlichen Drills erledigt. Dafür werden den Mannschaften
hohe Entschädigungen gewährt: im ersten Rekrutenjahr drei Schilling, in den
folgenden Jahren vier Schilling für jeden vollen Übungstag. Die Verheirateten
oder Leute mit eigenem Haushalt bekommen außerdem für die Lagerzeit noch
eine besondere Entschädigung, die sich für die Artillerie und Pioniere auf
zwanzig, für die übrigen Waffen auf zehn Schilling beläuft.

Nach einem Ende 1913 veröffentlichten Jahresbericht der Generalinspektion
des australischen Heeres über das Etatsjahr 1912 und 1913 war das Bürger¬
heer rund dreiunddreißigtausend Offiziere und Mannschaften stark. Nach Ab¬
schluß der Neuorganisation im Jahre 1919 rechnet man auf acht ausgebildete
Jahrgänge, die rund hundertachtundzwanzigtausend Mann Feldtruppen ergeben.
Hinter diesen stehen als Reserve die "Junior Cadets" sowie alle nicht zum Bürger¬
heer gehörenden männlichen Einwohner vom 18. bis zum 60. Lebensjahr.

Wenn man bedenkt wie minderwertig trotz allen Eifers die Ausbildung
des Bürgerheeres sein muß, wie schwer sich ein solches Heer mobil machen läßt,
und wie ungeübt die einzelnen Teile sind, im großen Verbände zu fechten,
zeigt sich deutlich wie wehrlos das Land einem regulären Heere, wie z. B. dem
Japans gegenüber sein muß.

Dasselbe trifft auch für Neuseeland zu, dessen Wehrverfassung ganz der
des Commonwealth entspricht. Während in letzterem das neue Wehrgesctz auch


Die Dominien des Pazifik und die britische Reichsverteidigung

Für die „Senior Cadets", die in einhundertundzwanzig Köpfe zählende
Kompagnien formiert sind und im Dienst Uniform tragen, ist die jährliche
Dienstzeit folgendermaßen geregelt: vier ganztägige Übungen (ärilk), d, h. von
nicht unter vier Stunden Dauer, zwölf halbtägige, nicht unter zwei Stunden,
vierundzwanzig Abenddrills, nicht unter einer Stunde. Die letzteren beiden
können durch feldmäßige Übungen von mindestens achtundvierzigstündiger Dauer
ersetzt werden. Außerdem gibt es Paraden und Appells, an denen aber die
Teilnahme freiwillig ist. Die ganze Ausbildung trägt mehr den Charakter
des Sports als den eines wirklichen militärischen Dienstbctriebes.

Im Jahre 1912 erhielten achtundachtzigtausend, im Jahre 1913 zweiund-
ueunzigtaufend „Senior Cadets" eine militärische Ausbildung und man kann
annehmen, daß in wenigen Jahren die Zahl einhunderttausend erreicht wird.

Mit dem Beginn des achtzehnten Lebensjahres treten die „Senior Cadets"
in das Bürgerheer über, dem sie bis zum vollendeten sechsundzwanzigsten
Lebensjahre (drei Jahre aktiv, dann in der Reserve) angehören.

Zur Ausbildung des Bürgerheeres besteht die sogenannte permanente
Miliz, die die regulären Truppen darstellt (Stärke 1912/13: zwcihundertein-
undsiebzig Offiziere, zweitausendoierhundertachtundvierzig Mann).

Die Ausbildung der aktiven Miliz beträgt jährlich für die Artillerie und
Pioniere fünfundzwanzig Tage, hiervon siebzehn hintereinander im Lager, für
die übrigen Waffen sechzehn Tage, davon acht hintereinander im Lager. Die
Äbungstage, soweit sie nicht zu den Lagerübungen gehören, werden in halb¬
tägigen oder abendlichen Drills erledigt. Dafür werden den Mannschaften
hohe Entschädigungen gewährt: im ersten Rekrutenjahr drei Schilling, in den
folgenden Jahren vier Schilling für jeden vollen Übungstag. Die Verheirateten
oder Leute mit eigenem Haushalt bekommen außerdem für die Lagerzeit noch
eine besondere Entschädigung, die sich für die Artillerie und Pioniere auf
zwanzig, für die übrigen Waffen auf zehn Schilling beläuft.

Nach einem Ende 1913 veröffentlichten Jahresbericht der Generalinspektion
des australischen Heeres über das Etatsjahr 1912 und 1913 war das Bürger¬
heer rund dreiunddreißigtausend Offiziere und Mannschaften stark. Nach Ab¬
schluß der Neuorganisation im Jahre 1919 rechnet man auf acht ausgebildete
Jahrgänge, die rund hundertachtundzwanzigtausend Mann Feldtruppen ergeben.
Hinter diesen stehen als Reserve die „Junior Cadets" sowie alle nicht zum Bürger¬
heer gehörenden männlichen Einwohner vom 18. bis zum 60. Lebensjahr.

Wenn man bedenkt wie minderwertig trotz allen Eifers die Ausbildung
des Bürgerheeres sein muß, wie schwer sich ein solches Heer mobil machen läßt,
und wie ungeübt die einzelnen Teile sind, im großen Verbände zu fechten,
zeigt sich deutlich wie wehrlos das Land einem regulären Heere, wie z. B. dem
Japans gegenüber sein muß.

Dasselbe trifft auch für Neuseeland zu, dessen Wehrverfassung ganz der
des Commonwealth entspricht. Während in letzterem das neue Wehrgesctz auch


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[0218] Die Dominien des Pazifik und die britische Reichsverteidigung Für die „Senior Cadets", die in einhundertundzwanzig Köpfe zählende Kompagnien formiert sind und im Dienst Uniform tragen, ist die jährliche Dienstzeit folgendermaßen geregelt: vier ganztägige Übungen (ärilk), d, h. von nicht unter vier Stunden Dauer, zwölf halbtägige, nicht unter zwei Stunden, vierundzwanzig Abenddrills, nicht unter einer Stunde. Die letzteren beiden können durch feldmäßige Übungen von mindestens achtundvierzigstündiger Dauer ersetzt werden. Außerdem gibt es Paraden und Appells, an denen aber die Teilnahme freiwillig ist. Die ganze Ausbildung trägt mehr den Charakter des Sports als den eines wirklichen militärischen Dienstbctriebes. Im Jahre 1912 erhielten achtundachtzigtausend, im Jahre 1913 zweiund- ueunzigtaufend „Senior Cadets" eine militärische Ausbildung und man kann annehmen, daß in wenigen Jahren die Zahl einhunderttausend erreicht wird. Mit dem Beginn des achtzehnten Lebensjahres treten die „Senior Cadets" in das Bürgerheer über, dem sie bis zum vollendeten sechsundzwanzigsten Lebensjahre (drei Jahre aktiv, dann in der Reserve) angehören. Zur Ausbildung des Bürgerheeres besteht die sogenannte permanente Miliz, die die regulären Truppen darstellt (Stärke 1912/13: zwcihundertein- undsiebzig Offiziere, zweitausendoierhundertachtundvierzig Mann). Die Ausbildung der aktiven Miliz beträgt jährlich für die Artillerie und Pioniere fünfundzwanzig Tage, hiervon siebzehn hintereinander im Lager, für die übrigen Waffen sechzehn Tage, davon acht hintereinander im Lager. Die Äbungstage, soweit sie nicht zu den Lagerübungen gehören, werden in halb¬ tägigen oder abendlichen Drills erledigt. Dafür werden den Mannschaften hohe Entschädigungen gewährt: im ersten Rekrutenjahr drei Schilling, in den folgenden Jahren vier Schilling für jeden vollen Übungstag. Die Verheirateten oder Leute mit eigenem Haushalt bekommen außerdem für die Lagerzeit noch eine besondere Entschädigung, die sich für die Artillerie und Pioniere auf zwanzig, für die übrigen Waffen auf zehn Schilling beläuft. Nach einem Ende 1913 veröffentlichten Jahresbericht der Generalinspektion des australischen Heeres über das Etatsjahr 1912 und 1913 war das Bürger¬ heer rund dreiunddreißigtausend Offiziere und Mannschaften stark. Nach Ab¬ schluß der Neuorganisation im Jahre 1919 rechnet man auf acht ausgebildete Jahrgänge, die rund hundertachtundzwanzigtausend Mann Feldtruppen ergeben. Hinter diesen stehen als Reserve die „Junior Cadets" sowie alle nicht zum Bürger¬ heer gehörenden männlichen Einwohner vom 18. bis zum 60. Lebensjahr. Wenn man bedenkt wie minderwertig trotz allen Eifers die Ausbildung des Bürgerheeres sein muß, wie schwer sich ein solches Heer mobil machen läßt, und wie ungeübt die einzelnen Teile sind, im großen Verbände zu fechten, zeigt sich deutlich wie wehrlos das Land einem regulären Heere, wie z. B. dem Japans gegenüber sein muß. Dasselbe trifft auch für Neuseeland zu, dessen Wehrverfassung ganz der des Commonwealth entspricht. Während in letzterem das neue Wehrgesctz auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/218>, abgerufen am 01.09.2024.