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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Die Dominien des Pazifik und die britische Reichsverteidigung

gegebenen Gegenerklärungen, war daher auch nichts weniger als imperialistisch
und weist deutlich auf eine der englischen Regierung recht unangenehme Ent¬
wicklung der Beziehungen des Mutterlandes zu diesen Kolonien hin.

Die Dominien mögen von ihrem Standpunkte aus nicht Unrecht haben,
denn gerade die Kolonisation der australischen Inselwelt beweist, wie inkonsequent
die englische Kolonialpolüik des neunzehnten Jahrhunderts gewesen ist. Nur
widerwillig entschloß sich England zur Einweihung eines Teiles Neuguineas in
seinen Kolonialbesitz, und nur dem unermüdlichen Streben des neuseeländischen
Premierministers Seddon ist es zu verdanken, daß die Cook- Gruppe und andere
Inseln von England annektiert wurden. Anderseits hat England es verstanden,
die Hilflosigkeit der Dominien in: Pazifik für sich auszunutzen. Australien und
Neuseeland zahlen bereits seit 1887 Geldbeiträge für die englische Flotte, wofür
England den Schutz in den australischen Gewässern übernehmen sollte.

Im Jahre 1902, nachdem das Vordringen Frankreichs, Deutschlands sowie
der Vereinigten Staaten in Polynesien und das Erstarken Japans die
australischen Einzelstaaten zu einem Staatenbund zusammengeführt hatte, suchte
die englische Regierung die Frage der finanziellen Beteiligung an den Flotten¬
ausgaben des Mutterlandes neu zu regeln. Mit Ausnahme von Kanada
(vgl. hierzu den Aufsatz von Navalis in Heft 32 u. 33 von 1913), dem die vom
Mutterlande in Aussicht gestellten Gegenleistungen nicht genügten, ließen sich
alle anderen Dominien zur Zahlung fester Beträge bestimmen und zwar ver¬
pflichtete sich

Australien . . zu 4,1 Millionen Mark
Neuseeland . . " 0,8 "
Kapkolonie . . " 1,0 "
Natal . . . " 0.7
Neufundland . ., 0,6

Der Commonwealth steht also trotz seiner schlechten Finanzlage an erster
Stelle. Seine imperialistischen Empfindungen erfuhren aber eine starke Ab¬
kühlung, als das Mutterland mit dem gefürchteten Japan, dem man in
Australien und Neuseeland während des Krieges mit Nußland einstimmig eine
Niederlage gewünscht hatte, ein Bündnis einging, das das Prestige der weißen
Rasse im Osten herabsetzte und dessen weitere Folgen eine Verringerung der
Seestreitkräste zugunsten einer Vereinigung der englischen Flotte in der Nordsee
waren.

Die Mißstimmung über das Verhalten des Mutterlandes führte schließlich
im Commonwealth, wo die Macht der Arbeiterpartei immer mehr zunahm, zu
dem Entschluß, eine eigene Flotte zu gründen, was die englische Regierung
auf der Kolonialkonferenz 1907 noch bekämpft hatte, 1909 aber doch zu¬
geben mußte.


Die Dominien des Pazifik und die britische Reichsverteidigung

gegebenen Gegenerklärungen, war daher auch nichts weniger als imperialistisch
und weist deutlich auf eine der englischen Regierung recht unangenehme Ent¬
wicklung der Beziehungen des Mutterlandes zu diesen Kolonien hin.

Die Dominien mögen von ihrem Standpunkte aus nicht Unrecht haben,
denn gerade die Kolonisation der australischen Inselwelt beweist, wie inkonsequent
die englische Kolonialpolüik des neunzehnten Jahrhunderts gewesen ist. Nur
widerwillig entschloß sich England zur Einweihung eines Teiles Neuguineas in
seinen Kolonialbesitz, und nur dem unermüdlichen Streben des neuseeländischen
Premierministers Seddon ist es zu verdanken, daß die Cook- Gruppe und andere
Inseln von England annektiert wurden. Anderseits hat England es verstanden,
die Hilflosigkeit der Dominien in: Pazifik für sich auszunutzen. Australien und
Neuseeland zahlen bereits seit 1887 Geldbeiträge für die englische Flotte, wofür
England den Schutz in den australischen Gewässern übernehmen sollte.

Im Jahre 1902, nachdem das Vordringen Frankreichs, Deutschlands sowie
der Vereinigten Staaten in Polynesien und das Erstarken Japans die
australischen Einzelstaaten zu einem Staatenbund zusammengeführt hatte, suchte
die englische Regierung die Frage der finanziellen Beteiligung an den Flotten¬
ausgaben des Mutterlandes neu zu regeln. Mit Ausnahme von Kanada
(vgl. hierzu den Aufsatz von Navalis in Heft 32 u. 33 von 1913), dem die vom
Mutterlande in Aussicht gestellten Gegenleistungen nicht genügten, ließen sich
alle anderen Dominien zur Zahlung fester Beträge bestimmen und zwar ver¬
pflichtete sich

Australien . . zu 4,1 Millionen Mark
Neuseeland . . „ 0,8 „
Kapkolonie . . „ 1,0 „
Natal . . . „ 0.7
Neufundland . ., 0,6

Der Commonwealth steht also trotz seiner schlechten Finanzlage an erster
Stelle. Seine imperialistischen Empfindungen erfuhren aber eine starke Ab¬
kühlung, als das Mutterland mit dem gefürchteten Japan, dem man in
Australien und Neuseeland während des Krieges mit Nußland einstimmig eine
Niederlage gewünscht hatte, ein Bündnis einging, das das Prestige der weißen
Rasse im Osten herabsetzte und dessen weitere Folgen eine Verringerung der
Seestreitkräste zugunsten einer Vereinigung der englischen Flotte in der Nordsee
waren.

Die Mißstimmung über das Verhalten des Mutterlandes führte schließlich
im Commonwealth, wo die Macht der Arbeiterpartei immer mehr zunahm, zu
dem Entschluß, eine eigene Flotte zu gründen, was die englische Regierung
auf der Kolonialkonferenz 1907 noch bekämpft hatte, 1909 aber doch zu¬
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[0213] Die Dominien des Pazifik und die britische Reichsverteidigung gegebenen Gegenerklärungen, war daher auch nichts weniger als imperialistisch und weist deutlich auf eine der englischen Regierung recht unangenehme Ent¬ wicklung der Beziehungen des Mutterlandes zu diesen Kolonien hin. Die Dominien mögen von ihrem Standpunkte aus nicht Unrecht haben, denn gerade die Kolonisation der australischen Inselwelt beweist, wie inkonsequent die englische Kolonialpolüik des neunzehnten Jahrhunderts gewesen ist. Nur widerwillig entschloß sich England zur Einweihung eines Teiles Neuguineas in seinen Kolonialbesitz, und nur dem unermüdlichen Streben des neuseeländischen Premierministers Seddon ist es zu verdanken, daß die Cook- Gruppe und andere Inseln von England annektiert wurden. Anderseits hat England es verstanden, die Hilflosigkeit der Dominien in: Pazifik für sich auszunutzen. Australien und Neuseeland zahlen bereits seit 1887 Geldbeiträge für die englische Flotte, wofür England den Schutz in den australischen Gewässern übernehmen sollte. Im Jahre 1902, nachdem das Vordringen Frankreichs, Deutschlands sowie der Vereinigten Staaten in Polynesien und das Erstarken Japans die australischen Einzelstaaten zu einem Staatenbund zusammengeführt hatte, suchte die englische Regierung die Frage der finanziellen Beteiligung an den Flotten¬ ausgaben des Mutterlandes neu zu regeln. Mit Ausnahme von Kanada (vgl. hierzu den Aufsatz von Navalis in Heft 32 u. 33 von 1913), dem die vom Mutterlande in Aussicht gestellten Gegenleistungen nicht genügten, ließen sich alle anderen Dominien zur Zahlung fester Beträge bestimmen und zwar ver¬ pflichtete sich Australien . . zu 4,1 Millionen Mark Neuseeland . . „ 0,8 „ Kapkolonie . . „ 1,0 „ Natal . . . „ 0.7 Neufundland . ., 0,6 Der Commonwealth steht also trotz seiner schlechten Finanzlage an erster Stelle. Seine imperialistischen Empfindungen erfuhren aber eine starke Ab¬ kühlung, als das Mutterland mit dem gefürchteten Japan, dem man in Australien und Neuseeland während des Krieges mit Nußland einstimmig eine Niederlage gewünscht hatte, ein Bündnis einging, das das Prestige der weißen Rasse im Osten herabsetzte und dessen weitere Folgen eine Verringerung der Seestreitkräste zugunsten einer Vereinigung der englischen Flotte in der Nordsee waren. Die Mißstimmung über das Verhalten des Mutterlandes führte schließlich im Commonwealth, wo die Macht der Arbeiterpartei immer mehr zunahm, zu dem Entschluß, eine eigene Flotte zu gründen, was die englische Regierung auf der Kolonialkonferenz 1907 noch bekämpft hatte, 1909 aber doch zu¬ geben mußte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/213>, abgerufen am 01.09.2024.