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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Deutschland und der neue Krieg

allgemein und in allen Schichten und bei allen Nationalitäten: es ist eine
Schicksalsstunde für die Monarchie, für jeden Österreicher und Ungarn, in der
alle innerpolitischen Gegensätze zurücktreten müssen; sei es selbst um einen Zu¬
sammenstoß mit Nußland, sei es um den Weltkrieg -- jeder Angehörige der
Doppelmonarchie ganz persönlich kann nur gewinnen durch reinlichen Austrag,
durch Entscheidung der Waffen.

Und so stehen die Dinge auch für uns Deutsche im Reich I

Dieser Wassergang Österreich-Ungarns ist ein Zusammenstoß der deutschen
und ostslawischen Kulturen, wie der Mord in Serajewo ein Angriff dieser
Kultur auf die unserige bedeutete. Soviel Edles in den Slawen steckt, soviel
edle Anlagen ihnen die Natur gegeben, sie sind überall da entartet, wo das
Joch der Tataren auf ihnen durch Jahrhunderte gelastet hat und mongolisches
Blut sich in ihnen festsetzte. Russen und Serben fühlen sich einander gerade
dadurch am meisten verwandt. Serbien konnte darum, aus der Gemeinsamkeit
des Blutes heraus, das gefügigste Werkzeug der russischen Pcmslawistm mongo¬
lischer Abstammung werden. Mit diesen Entarteten kann es keine Gemeinschaft
der Polen und Tschechen und Slowenen geben, die ihre Ureigenheiten einst so
tapfer gegen die Türken verteidigt hatten, und dann befruchtet von der römisch¬
germanischen Kulturgemeinschaft entfalten konnten. Der Mord von Serajewo
hat die Linie grell beleuchtet, wo sich die europäische Kultur von der asiatischen
scheidet. Von diesen in der Geschichte der Jahrhunderte wurzelnden Gesichts¬
punkten aus gehören wir Deutsche heute, auch ohne das vorhandene formelle
Bündnis, an die Seite der Völker der Habsburgischen Doppelmonarchie. Im
wohlverstandenen Interesse unserer eigenen nationalen Zukunft und unseres
Ansehens in der Welt können wir heute nicht abseits stehen, wenn der große
Kulturkampf zwischen Europa und Halbasien beginnt.

Ob dieser Kulturkampf tatsächlich beginnt oder schon begonnen hat, steht
freilich noch dahin. Es liegt in Rußlands Hand, ob es das Einzelereignis in
die Kette des ganzen Kampfes spannen will, indem es den Serben gegen
Österreich-Ungarn beispringt oder nicht. Die Regierung der Habsburgischen
Monarchie betrachtet den Feldzug gegen Serbien zunächst nur unter dem engen
Gesichtspunkt einer privaten Angelegenheit der beiden zunächst beteiligten
Staaten. Es ist darum auch schon der Ausdruck "Strafexpedition" gefallen,
und heute versichert ein halbamtliches Kommunique^ an die Presse, Österreich-
Ungarn beabsichtige nichts weiter als die Desinfizierung eines Brandherdes,
die Ausrottung der großserbischen Propaganda. Die Frage ist, ob Rußland


Deutschland und der neue Krieg

allgemein und in allen Schichten und bei allen Nationalitäten: es ist eine
Schicksalsstunde für die Monarchie, für jeden Österreicher und Ungarn, in der
alle innerpolitischen Gegensätze zurücktreten müssen; sei es selbst um einen Zu¬
sammenstoß mit Nußland, sei es um den Weltkrieg — jeder Angehörige der
Doppelmonarchie ganz persönlich kann nur gewinnen durch reinlichen Austrag,
durch Entscheidung der Waffen.

Und so stehen die Dinge auch für uns Deutsche im Reich I

Dieser Wassergang Österreich-Ungarns ist ein Zusammenstoß der deutschen
und ostslawischen Kulturen, wie der Mord in Serajewo ein Angriff dieser
Kultur auf die unserige bedeutete. Soviel Edles in den Slawen steckt, soviel
edle Anlagen ihnen die Natur gegeben, sie sind überall da entartet, wo das
Joch der Tataren auf ihnen durch Jahrhunderte gelastet hat und mongolisches
Blut sich in ihnen festsetzte. Russen und Serben fühlen sich einander gerade
dadurch am meisten verwandt. Serbien konnte darum, aus der Gemeinsamkeit
des Blutes heraus, das gefügigste Werkzeug der russischen Pcmslawistm mongo¬
lischer Abstammung werden. Mit diesen Entarteten kann es keine Gemeinschaft
der Polen und Tschechen und Slowenen geben, die ihre Ureigenheiten einst so
tapfer gegen die Türken verteidigt hatten, und dann befruchtet von der römisch¬
germanischen Kulturgemeinschaft entfalten konnten. Der Mord von Serajewo
hat die Linie grell beleuchtet, wo sich die europäische Kultur von der asiatischen
scheidet. Von diesen in der Geschichte der Jahrhunderte wurzelnden Gesichts¬
punkten aus gehören wir Deutsche heute, auch ohne das vorhandene formelle
Bündnis, an die Seite der Völker der Habsburgischen Doppelmonarchie. Im
wohlverstandenen Interesse unserer eigenen nationalen Zukunft und unseres
Ansehens in der Welt können wir heute nicht abseits stehen, wenn der große
Kulturkampf zwischen Europa und Halbasien beginnt.

Ob dieser Kulturkampf tatsächlich beginnt oder schon begonnen hat, steht
freilich noch dahin. Es liegt in Rußlands Hand, ob es das Einzelereignis in
die Kette des ganzen Kampfes spannen will, indem es den Serben gegen
Österreich-Ungarn beispringt oder nicht. Die Regierung der Habsburgischen
Monarchie betrachtet den Feldzug gegen Serbien zunächst nur unter dem engen
Gesichtspunkt einer privaten Angelegenheit der beiden zunächst beteiligten
Staaten. Es ist darum auch schon der Ausdruck „Strafexpedition" gefallen,
und heute versichert ein halbamtliches Kommunique^ an die Presse, Österreich-
Ungarn beabsichtige nichts weiter als die Desinfizierung eines Brandherdes,
die Ausrottung der großserbischen Propaganda. Die Frage ist, ob Rußland


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[0206] Deutschland und der neue Krieg allgemein und in allen Schichten und bei allen Nationalitäten: es ist eine Schicksalsstunde für die Monarchie, für jeden Österreicher und Ungarn, in der alle innerpolitischen Gegensätze zurücktreten müssen; sei es selbst um einen Zu¬ sammenstoß mit Nußland, sei es um den Weltkrieg — jeder Angehörige der Doppelmonarchie ganz persönlich kann nur gewinnen durch reinlichen Austrag, durch Entscheidung der Waffen. Und so stehen die Dinge auch für uns Deutsche im Reich I Dieser Wassergang Österreich-Ungarns ist ein Zusammenstoß der deutschen und ostslawischen Kulturen, wie der Mord in Serajewo ein Angriff dieser Kultur auf die unserige bedeutete. Soviel Edles in den Slawen steckt, soviel edle Anlagen ihnen die Natur gegeben, sie sind überall da entartet, wo das Joch der Tataren auf ihnen durch Jahrhunderte gelastet hat und mongolisches Blut sich in ihnen festsetzte. Russen und Serben fühlen sich einander gerade dadurch am meisten verwandt. Serbien konnte darum, aus der Gemeinsamkeit des Blutes heraus, das gefügigste Werkzeug der russischen Pcmslawistm mongo¬ lischer Abstammung werden. Mit diesen Entarteten kann es keine Gemeinschaft der Polen und Tschechen und Slowenen geben, die ihre Ureigenheiten einst so tapfer gegen die Türken verteidigt hatten, und dann befruchtet von der römisch¬ germanischen Kulturgemeinschaft entfalten konnten. Der Mord von Serajewo hat die Linie grell beleuchtet, wo sich die europäische Kultur von der asiatischen scheidet. Von diesen in der Geschichte der Jahrhunderte wurzelnden Gesichts¬ punkten aus gehören wir Deutsche heute, auch ohne das vorhandene formelle Bündnis, an die Seite der Völker der Habsburgischen Doppelmonarchie. Im wohlverstandenen Interesse unserer eigenen nationalen Zukunft und unseres Ansehens in der Welt können wir heute nicht abseits stehen, wenn der große Kulturkampf zwischen Europa und Halbasien beginnt. Ob dieser Kulturkampf tatsächlich beginnt oder schon begonnen hat, steht freilich noch dahin. Es liegt in Rußlands Hand, ob es das Einzelereignis in die Kette des ganzen Kampfes spannen will, indem es den Serben gegen Österreich-Ungarn beispringt oder nicht. Die Regierung der Habsburgischen Monarchie betrachtet den Feldzug gegen Serbien zunächst nur unter dem engen Gesichtspunkt einer privaten Angelegenheit der beiden zunächst beteiligten Staaten. Es ist darum auch schon der Ausdruck „Strafexpedition" gefallen, und heute versichert ein halbamtliches Kommunique^ an die Presse, Österreich- Ungarn beabsichtige nichts weiter als die Desinfizierung eines Brandherdes, die Ausrottung der großserbischen Propaganda. Die Frage ist, ob Rußland

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/206>, abgerufen am 22.12.2024.