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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Herbert George Wells

kleineren Umfangs die geforderten Uhrwerkfunktionen unmöglich machen. Solche
Entgegnungen liefen als Antwort auf die "/me!Lipativn8" wie ein Klein¬
gewehrfeuer durch die englischen Zeitschriften und Zeitungen: es gab eine Fülle
des Kommentars, wie sie die Bücherwelt da drüben in Jahrzehnten nicht erlebt
hatte und Mr. Wells schrieb in all dem Lärm geruhsam seine Entgegnungen,
verteidigte sich nach besten Kräften, wehrte Mißverständnisse ab und -- lernte.
.ManKinä in edle ^KiliA-", das ein Jahr später erschien, brachte, in größerem
Umfang angelegt, den Ausbau des früheren Buches nebst einigen Modifikationen.
Auch hierbei sah sich Wells sogleich von Eifernden umgeben, die auf zahlreiche
Unmöglichkeiten hindeuteten. Der Schauplatz des dritten Buches also ward
wieder in das Reich des Unwirklichen verlegt: "Das moderne Utopien" ist
ein Schwesterstern unserer Erde, ihr an Antlitz und Leben wundersam gleich,
nur daß ihre Bewohner von uns ausgibig gelernt haben, wie man es nicht
machen muß. Hier finden sich die ersten deutlicheren Spuren von des Dichters
Neigung zum Sozialismus, einem Sozialismus freilich, der mit unserem deutschen
kaum mehr als den Namen gemein hat und von Wells auch ganz absichtlich
als "80LmIism" von "Sozialismus" unterschieden wird. Die Bewohner
Utopiens also haben eine dezentralisierte Regierungsform, eine Art Republik
als Vorbedingung alles Fortschrittes anerkannt. Sie haben die Scheidung von
Aristokratie und niederen Massen zwar nicht abgeschafft, aber sie haben alle
Herrschaft von Goldes Gnaden beseitigt. Sie haben die Aufnahme in die
Reihen der Herrschenden -- von Wells nach japanischem Vorbilde Samurai
genannt -- zur Angelegenheit der persönlichen Entscheidung gemacht, abhängig
von der Unterwerfung unter einen scharf umrissenen ethischen und sozialen Kodex
und von einem bestimmten Grade körperlicher Tauglichkeit.

Das hohe Maß von Selbstverantwortlichkeit, das dieser Reformgedanke der
herrschenden Kaste auferlegte, begegnete überraschendem Beifall. Nach der konkreteren
Ausgestaltung seines vordem nur flüchtig umrissenen Ideals fand sich Wells von einer
Schar begeisterter Jünger umgeben, die bereit waren, die Samuraiidee sogleich in
das Praktische umzusetzen, wobei natürlich äußerliche NeNnsachen eine bedeutende
Rolle spielten. Er sah nicht ohne Verlegenheit, wie er später bekennt, "die
Ideale, die er in die Ferne des Universums jenseits des Sirius projiziert
hatte, in Gestalt von jungen Mädchen und jungen Männern auf sich zukommen."
"Er sah aus nächster Nähe individualisiertes menschliches Sehnen, menschliche
Ungeduld, menschliche Eitelkeit und menschliches Kameradschaftsbedürfnis".
Wiederum wie vordem mußte er auf den Unterschied zwischen dem Buchstaben
und dem Geiste hinweisen und erklären, daß die Samurai ebenso wie die
"neuen Republikaner" der früheren Werke nur Anregungen zum Nachdenken
und zu Entwürfen neuer Erziehungsformen, nicht aber Vorbilder fein sollten,
denen man nachleben könne.

Wie das auf Wells gewirkt hat und wie er es nutzt, zeigt sich sehr bald.
Sein nächstes Werk bringt die Auseinandersetzung mit dem Sozialismus und


Herbert George Wells

kleineren Umfangs die geforderten Uhrwerkfunktionen unmöglich machen. Solche
Entgegnungen liefen als Antwort auf die „/me!Lipativn8" wie ein Klein¬
gewehrfeuer durch die englischen Zeitschriften und Zeitungen: es gab eine Fülle
des Kommentars, wie sie die Bücherwelt da drüben in Jahrzehnten nicht erlebt
hatte und Mr. Wells schrieb in all dem Lärm geruhsam seine Entgegnungen,
verteidigte sich nach besten Kräften, wehrte Mißverständnisse ab und — lernte.
.ManKinä in edle ^KiliA-", das ein Jahr später erschien, brachte, in größerem
Umfang angelegt, den Ausbau des früheren Buches nebst einigen Modifikationen.
Auch hierbei sah sich Wells sogleich von Eifernden umgeben, die auf zahlreiche
Unmöglichkeiten hindeuteten. Der Schauplatz des dritten Buches also ward
wieder in das Reich des Unwirklichen verlegt: „Das moderne Utopien" ist
ein Schwesterstern unserer Erde, ihr an Antlitz und Leben wundersam gleich,
nur daß ihre Bewohner von uns ausgibig gelernt haben, wie man es nicht
machen muß. Hier finden sich die ersten deutlicheren Spuren von des Dichters
Neigung zum Sozialismus, einem Sozialismus freilich, der mit unserem deutschen
kaum mehr als den Namen gemein hat und von Wells auch ganz absichtlich
als „80LmIism" von „Sozialismus" unterschieden wird. Die Bewohner
Utopiens also haben eine dezentralisierte Regierungsform, eine Art Republik
als Vorbedingung alles Fortschrittes anerkannt. Sie haben die Scheidung von
Aristokratie und niederen Massen zwar nicht abgeschafft, aber sie haben alle
Herrschaft von Goldes Gnaden beseitigt. Sie haben die Aufnahme in die
Reihen der Herrschenden — von Wells nach japanischem Vorbilde Samurai
genannt — zur Angelegenheit der persönlichen Entscheidung gemacht, abhängig
von der Unterwerfung unter einen scharf umrissenen ethischen und sozialen Kodex
und von einem bestimmten Grade körperlicher Tauglichkeit.

Das hohe Maß von Selbstverantwortlichkeit, das dieser Reformgedanke der
herrschenden Kaste auferlegte, begegnete überraschendem Beifall. Nach der konkreteren
Ausgestaltung seines vordem nur flüchtig umrissenen Ideals fand sich Wells von einer
Schar begeisterter Jünger umgeben, die bereit waren, die Samuraiidee sogleich in
das Praktische umzusetzen, wobei natürlich äußerliche NeNnsachen eine bedeutende
Rolle spielten. Er sah nicht ohne Verlegenheit, wie er später bekennt, „die
Ideale, die er in die Ferne des Universums jenseits des Sirius projiziert
hatte, in Gestalt von jungen Mädchen und jungen Männern auf sich zukommen."
„Er sah aus nächster Nähe individualisiertes menschliches Sehnen, menschliche
Ungeduld, menschliche Eitelkeit und menschliches Kameradschaftsbedürfnis".
Wiederum wie vordem mußte er auf den Unterschied zwischen dem Buchstaben
und dem Geiste hinweisen und erklären, daß die Samurai ebenso wie die
„neuen Republikaner" der früheren Werke nur Anregungen zum Nachdenken
und zu Entwürfen neuer Erziehungsformen, nicht aber Vorbilder fein sollten,
denen man nachleben könne.

Wie das auf Wells gewirkt hat und wie er es nutzt, zeigt sich sehr bald.
Sein nächstes Werk bringt die Auseinandersetzung mit dem Sozialismus und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/186>, abgerufen am 22.12.2024.