Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Geschichte der Entwicklung der Arbeitgeberorganisationen

Gleich wie in verschiedenen anderen Ländern ist in Frankreich trotz der
gesetzlichen "Maßregeln" zur Erhaltung des sozialen Friedens in den letzten
Jahren der Gegensatz zwischen Arbeiter und Unternehmer immer mehr verschärft
worden. I^äst not Iea8t haben auch hier die eifrigen Bemühungen der gesetz¬
gebenden Kreise, sich bei den Arbeitern beliebt zu machen, ihr möglichstes getan
(vgl. das Gesetz über die eingeschriebenen Seeleute beispielsweise). Es war
wohl daher ganz in der Ordnung, daß die Arbeitgeber den Vereinigungen der
Arbeiter auch ihrerseits Vereinigungen entgegensetzten. Nach den vorliegenden
Berichten stieg die Zahl der Arbeitgeberfachvereine und ihrer Mitglieder von
2609 Vereinen und 185099 Mitgliedern im Jahre 1902 auf 361-2 Vereine
und 315271 Mitglieder im Jahre 1907.

Über die inneren Einrichtungen der französischen Arbeitgeberverbände
berichtet das Bulletin as iDttiee ein Iravail, Septemberheft 1903 u. a., daß
von insgesamt 911 ermittelten Vereinen 204 Stellenvermittlungsbureaus unter¬
hielten, außerdem 193 Fachbibliotheken, 96 Unterstützungskassen auf Gegenseitigkeit,
26 sonstige Unterstützungskassen, 70 Unterrichtskurse bzw. Fachschulen, 19 Pen¬
sionskassen, 8 Darlehnskassen auf Gegenseitigkeit. 9 Vereinigungen zur Ver¬
sicherung gegen Unfälle, 5 Konsumvereine, 182 Fachorgane usw. Eine der
wichtigsten Einrichtungen ist auch hier die Versicherung der Entschädigung im
Streikfalle. Schon 1903 bestanden in Frankreich fünf solcher Streikunterstützungs¬
kassen. Nach einer Abhandlung, die G. Blondel im Januar 1909 in der
Kevue kZLonomique Internationale veröffentlichte, entstanden die ersten fran¬
zösischen Arbeitgeberversicherungen, wie leicht begreiflich, im industriereichen
Norden des Landes.

Einen gewissen Abschluß erreichte diese Bewegung in der Errichtung
der "Lai8se mutuelle inäustriellL et Lommereiale" mit dem Sitze in Paris.
Der Zweck dieser Zentrale ist, die Arbeitgeber gegen die finanziellen Verluste,
die ihnen aus Arbeitseinstellungen oder sonstigem Bruch des Arbeitsverhältnisses
durch die Arbeiter erwachsen, zu versichern, sofern sie in den entstandenen
Konflikt gemäß den Bestimmungen der Versicherungspolice und in Über¬
einstimmung mit den Weiterungen der darin bezeichneten Personen ver¬
fahren sind.

Die älteren Unternehmerorganisationen in Italien waren durchweg wirt¬
schaftlicher Natur und befaßten sich nicht mit der Frage der Regelung des
Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeiter und Unternehmer. Erst seit 1901 trat
infolge der heftigen und vielfach tumultarischen Streikbewegungen eine Wendung
ein. Es erfolgte die Gründung meist lokaler Verbände in der Form von
reinen Branchenverbänden oder gemischten Vereinigungen. Nach den vor¬
liegenden Berichten reichen die Verbände in der Baumwoll- und Seidenindustrie
am weitesten zurück. Im Jahre 1893 bzw. schon im Jahre 1872 entstanden
die ,,^880Lia?i.one nickt' mein8tnÄ äelle 8ete in Italia" mit dem Sitz in
Mailand und die "/^880Li^lone fraZIi Juan8trau eotomeri" ebenfalls mit


Zur Geschichte der Entwicklung der Arbeitgeberorganisationen

Gleich wie in verschiedenen anderen Ländern ist in Frankreich trotz der
gesetzlichen „Maßregeln" zur Erhaltung des sozialen Friedens in den letzten
Jahren der Gegensatz zwischen Arbeiter und Unternehmer immer mehr verschärft
worden. I^äst not Iea8t haben auch hier die eifrigen Bemühungen der gesetz¬
gebenden Kreise, sich bei den Arbeitern beliebt zu machen, ihr möglichstes getan
(vgl. das Gesetz über die eingeschriebenen Seeleute beispielsweise). Es war
wohl daher ganz in der Ordnung, daß die Arbeitgeber den Vereinigungen der
Arbeiter auch ihrerseits Vereinigungen entgegensetzten. Nach den vorliegenden
Berichten stieg die Zahl der Arbeitgeberfachvereine und ihrer Mitglieder von
2609 Vereinen und 185099 Mitgliedern im Jahre 1902 auf 361-2 Vereine
und 315271 Mitglieder im Jahre 1907.

Über die inneren Einrichtungen der französischen Arbeitgeberverbände
berichtet das Bulletin as iDttiee ein Iravail, Septemberheft 1903 u. a., daß
von insgesamt 911 ermittelten Vereinen 204 Stellenvermittlungsbureaus unter¬
hielten, außerdem 193 Fachbibliotheken, 96 Unterstützungskassen auf Gegenseitigkeit,
26 sonstige Unterstützungskassen, 70 Unterrichtskurse bzw. Fachschulen, 19 Pen¬
sionskassen, 8 Darlehnskassen auf Gegenseitigkeit. 9 Vereinigungen zur Ver¬
sicherung gegen Unfälle, 5 Konsumvereine, 182 Fachorgane usw. Eine der
wichtigsten Einrichtungen ist auch hier die Versicherung der Entschädigung im
Streikfalle. Schon 1903 bestanden in Frankreich fünf solcher Streikunterstützungs¬
kassen. Nach einer Abhandlung, die G. Blondel im Januar 1909 in der
Kevue kZLonomique Internationale veröffentlichte, entstanden die ersten fran¬
zösischen Arbeitgeberversicherungen, wie leicht begreiflich, im industriereichen
Norden des Landes.

Einen gewissen Abschluß erreichte diese Bewegung in der Errichtung
der „Lai8se mutuelle inäustriellL et Lommereiale" mit dem Sitze in Paris.
Der Zweck dieser Zentrale ist, die Arbeitgeber gegen die finanziellen Verluste,
die ihnen aus Arbeitseinstellungen oder sonstigem Bruch des Arbeitsverhältnisses
durch die Arbeiter erwachsen, zu versichern, sofern sie in den entstandenen
Konflikt gemäß den Bestimmungen der Versicherungspolice und in Über¬
einstimmung mit den Weiterungen der darin bezeichneten Personen ver¬
fahren sind.

Die älteren Unternehmerorganisationen in Italien waren durchweg wirt¬
schaftlicher Natur und befaßten sich nicht mit der Frage der Regelung des
Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeiter und Unternehmer. Erst seit 1901 trat
infolge der heftigen und vielfach tumultarischen Streikbewegungen eine Wendung
ein. Es erfolgte die Gründung meist lokaler Verbände in der Form von
reinen Branchenverbänden oder gemischten Vereinigungen. Nach den vor¬
liegenden Berichten reichen die Verbände in der Baumwoll- und Seidenindustrie
am weitesten zurück. Im Jahre 1893 bzw. schon im Jahre 1872 entstanden
die ,,^880Lia?i.one nickt' mein8tnÄ äelle 8ete in Italia" mit dem Sitz in
Mailand und die „/^880Li^lone fraZIi Juan8trau eotomeri" ebenfalls mit


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0174" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328908"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur Geschichte der Entwicklung der Arbeitgeberorganisationen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_537"> Gleich wie in verschiedenen anderen Ländern ist in Frankreich trotz der<lb/>
gesetzlichen &#x201E;Maßregeln" zur Erhaltung des sozialen Friedens in den letzten<lb/>
Jahren der Gegensatz zwischen Arbeiter und Unternehmer immer mehr verschärft<lb/>
worden. I^äst not Iea8t haben auch hier die eifrigen Bemühungen der gesetz¬<lb/>
gebenden Kreise, sich bei den Arbeitern beliebt zu machen, ihr möglichstes getan<lb/>
(vgl. das Gesetz über die eingeschriebenen Seeleute beispielsweise). Es war<lb/>
wohl daher ganz in der Ordnung, daß die Arbeitgeber den Vereinigungen der<lb/>
Arbeiter auch ihrerseits Vereinigungen entgegensetzten. Nach den vorliegenden<lb/>
Berichten stieg die Zahl der Arbeitgeberfachvereine und ihrer Mitglieder von<lb/>
2609 Vereinen und 185099 Mitgliedern im Jahre 1902 auf 361-2 Vereine<lb/>
und 315271 Mitglieder im Jahre 1907.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_538"> Über die inneren Einrichtungen der französischen Arbeitgeberverbände<lb/>
berichtet das Bulletin as iDttiee ein Iravail, Septemberheft 1903 u. a., daß<lb/>
von insgesamt 911 ermittelten Vereinen 204 Stellenvermittlungsbureaus unter¬<lb/>
hielten, außerdem 193 Fachbibliotheken, 96 Unterstützungskassen auf Gegenseitigkeit,<lb/>
26 sonstige Unterstützungskassen, 70 Unterrichtskurse bzw. Fachschulen, 19 Pen¬<lb/>
sionskassen, 8 Darlehnskassen auf Gegenseitigkeit. 9 Vereinigungen zur Ver¬<lb/>
sicherung gegen Unfälle, 5 Konsumvereine, 182 Fachorgane usw. Eine der<lb/>
wichtigsten Einrichtungen ist auch hier die Versicherung der Entschädigung im<lb/>
Streikfalle. Schon 1903 bestanden in Frankreich fünf solcher Streikunterstützungs¬<lb/>
kassen. Nach einer Abhandlung, die G. Blondel im Januar 1909 in der<lb/>
Kevue kZLonomique Internationale veröffentlichte, entstanden die ersten fran¬<lb/>
zösischen Arbeitgeberversicherungen, wie leicht begreiflich, im industriereichen<lb/>
Norden des Landes.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_539"> Einen gewissen Abschluß erreichte diese Bewegung in der Errichtung<lb/>
der &#x201E;Lai8se mutuelle inäustriellL et Lommereiale" mit dem Sitze in Paris.<lb/>
Der Zweck dieser Zentrale ist, die Arbeitgeber gegen die finanziellen Verluste,<lb/>
die ihnen aus Arbeitseinstellungen oder sonstigem Bruch des Arbeitsverhältnisses<lb/>
durch die Arbeiter erwachsen, zu versichern, sofern sie in den entstandenen<lb/>
Konflikt gemäß den Bestimmungen der Versicherungspolice und in Über¬<lb/>
einstimmung mit den Weiterungen der darin bezeichneten Personen ver¬<lb/>
fahren sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_540" next="#ID_541"> Die älteren Unternehmerorganisationen in Italien waren durchweg wirt¬<lb/>
schaftlicher Natur und befaßten sich nicht mit der Frage der Regelung des<lb/>
Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeiter und Unternehmer. Erst seit 1901 trat<lb/>
infolge der heftigen und vielfach tumultarischen Streikbewegungen eine Wendung<lb/>
ein. Es erfolgte die Gründung meist lokaler Verbände in der Form von<lb/>
reinen Branchenverbänden oder gemischten Vereinigungen. Nach den vor¬<lb/>
liegenden Berichten reichen die Verbände in der Baumwoll- und Seidenindustrie<lb/>
am weitesten zurück. Im Jahre 1893 bzw. schon im Jahre 1872 entstanden<lb/>
die ,,^880Lia?i.one nickt' mein8tnÄ äelle 8ete in Italia" mit dem Sitz in<lb/>
Mailand und die &#x201E;/^880Li^lone fraZIi Juan8trau eotomeri" ebenfalls mit</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0174] Zur Geschichte der Entwicklung der Arbeitgeberorganisationen Gleich wie in verschiedenen anderen Ländern ist in Frankreich trotz der gesetzlichen „Maßregeln" zur Erhaltung des sozialen Friedens in den letzten Jahren der Gegensatz zwischen Arbeiter und Unternehmer immer mehr verschärft worden. I^äst not Iea8t haben auch hier die eifrigen Bemühungen der gesetz¬ gebenden Kreise, sich bei den Arbeitern beliebt zu machen, ihr möglichstes getan (vgl. das Gesetz über die eingeschriebenen Seeleute beispielsweise). Es war wohl daher ganz in der Ordnung, daß die Arbeitgeber den Vereinigungen der Arbeiter auch ihrerseits Vereinigungen entgegensetzten. Nach den vorliegenden Berichten stieg die Zahl der Arbeitgeberfachvereine und ihrer Mitglieder von 2609 Vereinen und 185099 Mitgliedern im Jahre 1902 auf 361-2 Vereine und 315271 Mitglieder im Jahre 1907. Über die inneren Einrichtungen der französischen Arbeitgeberverbände berichtet das Bulletin as iDttiee ein Iravail, Septemberheft 1903 u. a., daß von insgesamt 911 ermittelten Vereinen 204 Stellenvermittlungsbureaus unter¬ hielten, außerdem 193 Fachbibliotheken, 96 Unterstützungskassen auf Gegenseitigkeit, 26 sonstige Unterstützungskassen, 70 Unterrichtskurse bzw. Fachschulen, 19 Pen¬ sionskassen, 8 Darlehnskassen auf Gegenseitigkeit. 9 Vereinigungen zur Ver¬ sicherung gegen Unfälle, 5 Konsumvereine, 182 Fachorgane usw. Eine der wichtigsten Einrichtungen ist auch hier die Versicherung der Entschädigung im Streikfalle. Schon 1903 bestanden in Frankreich fünf solcher Streikunterstützungs¬ kassen. Nach einer Abhandlung, die G. Blondel im Januar 1909 in der Kevue kZLonomique Internationale veröffentlichte, entstanden die ersten fran¬ zösischen Arbeitgeberversicherungen, wie leicht begreiflich, im industriereichen Norden des Landes. Einen gewissen Abschluß erreichte diese Bewegung in der Errichtung der „Lai8se mutuelle inäustriellL et Lommereiale" mit dem Sitze in Paris. Der Zweck dieser Zentrale ist, die Arbeitgeber gegen die finanziellen Verluste, die ihnen aus Arbeitseinstellungen oder sonstigem Bruch des Arbeitsverhältnisses durch die Arbeiter erwachsen, zu versichern, sofern sie in den entstandenen Konflikt gemäß den Bestimmungen der Versicherungspolice und in Über¬ einstimmung mit den Weiterungen der darin bezeichneten Personen ver¬ fahren sind. Die älteren Unternehmerorganisationen in Italien waren durchweg wirt¬ schaftlicher Natur und befaßten sich nicht mit der Frage der Regelung des Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeiter und Unternehmer. Erst seit 1901 trat infolge der heftigen und vielfach tumultarischen Streikbewegungen eine Wendung ein. Es erfolgte die Gründung meist lokaler Verbände in der Form von reinen Branchenverbänden oder gemischten Vereinigungen. Nach den vor¬ liegenden Berichten reichen die Verbände in der Baumwoll- und Seidenindustrie am weitesten zurück. Im Jahre 1893 bzw. schon im Jahre 1872 entstanden die ,,^880Lia?i.one nickt' mein8tnÄ äelle 8ete in Italia" mit dem Sitz in Mailand und die „/^880Li^lone fraZIi Juan8trau eotomeri" ebenfalls mit

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/174
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/174>, abgerufen am 01.09.2024.