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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Peters und Pfeil

richtigen Mann -- eben Graf Pfeil -- in die Lücke eintreten zu lassen. Die
Ausführung des Ganzen aber bleibt ohne die Peterssche Energie ganz undenkbar.

Im Unterschied zu den früheren deutschen Kolonialgründungen war die
Peterssche eine ohne vorhandene Interessen aus dem Nichts geschaffene und nicht
nur ohne, sondern geradezu gegen den Willen des Reichskanzlers vorgehende
Privatunternehmung, für die die jugendlichen Erwerber Gut, Blut und Ehre
einzusetzen hatten. Zwar gewährte Bismarck durch seine Neichstagsaus-
sührungen vom 26. Juni 1884 allen denen Reichsschutz, die einwandfreie Land¬
erwerbungen in unabhängigen Gebieten vornehmen wollten; und dies war
sicherlich eine Stütze, ohne die das Unternehmen von vornherein ein jugend¬
liches, tollkühnes und aussichtsloses "Abenteuer" geblieben wäre, als das
es von der Mitwelt") angesehen wurde. Trotzdem bleibt es ein großer Ent¬
schluß, daß Peters als "Führer" auch gegen Bismarcks Willen die Sache
riskierte -- mag er auch erst auf Pfeils Ermutigung"") seine Bedenken gegen eine
der Negierung trotzbietende Handlungsweise aufgegeben haben, was er später ver¬
schweigt"""). Tatsächlich verweigerte ihm Bismarck Anfang September nicht
nur den für das Sambesiprojekt nachgesuchten Schutz, sondern entzog ihm auch
später sür den Fall der Ausführung eines anderen Kolonialprojektes ausdrücklich
jeden staatlichen Schutz. Natürlich hielt er auch, als er von dem heimlich
gefaßten und durchgeführten Plan der "Gesellschaft für deutsche Kolonisation"
Kenntnis erhalten hatte, an diesem seinen Entschluß fest. Die Expeditions¬
mitglieder erfuhren sogar offiziell aus einem Bismarckschen Telegramm an
O'Swald in Sansibar vom 8. November diese traurige Aussicht gerade in dem
Augenblick, als sie afrikanisches Festland betreten wolltenf). Aber schnelles und
rücksichtsloses Handeln tat not, wenn man der Absicht des Belgierkönigs, das
Gebiet zwischen der Sansibarküste und dem Seengebiet dem Kongostaate anzu¬
gliedern, zuvorkommen wollteff). Um nicht völlig von den Berliner "Velleitäten"
abhängig zu sein, beschloß Peters daher im schlimmsten Falle als letztes Ziel
in der Klimax seiner Pläne, dieses Gebiet wenigstens dem damals allgemein
für ein neutrales, internationales Kolonisationsunternehmen gehaltenen Kongo¬
staate als deutschen Flügel anzuschließen fff). Offiziell antwortete Peters auf das
Telegramm trotzig, daß er bitte, in Zukunft rin dem Abschlagen einer Sache
zu warten, bis er um etwas bitte"f): eine Form, mit der er sich und seine
Sache dem Auswärtigen Amte sicherlich mißliebig machte. Denn es ist kein
Zweifel, daß sie der Regierung Unrecht tat, da diese mit ihrer Haltung offenbar









") So auch von Fabri, Fünf Jahre deutscher Kolonialpolitik (Gotha 1889>, S. 7.
**) Erwerbung 72,
Gründung 64.
1) Peters, ebenda, Pfeil 67.
ff) Peters 66.
1-f1) Ebenda 90.
*"f) Ebenda 6ö.
Peters und Pfeil

richtigen Mann — eben Graf Pfeil — in die Lücke eintreten zu lassen. Die
Ausführung des Ganzen aber bleibt ohne die Peterssche Energie ganz undenkbar.

Im Unterschied zu den früheren deutschen Kolonialgründungen war die
Peterssche eine ohne vorhandene Interessen aus dem Nichts geschaffene und nicht
nur ohne, sondern geradezu gegen den Willen des Reichskanzlers vorgehende
Privatunternehmung, für die die jugendlichen Erwerber Gut, Blut und Ehre
einzusetzen hatten. Zwar gewährte Bismarck durch seine Neichstagsaus-
sührungen vom 26. Juni 1884 allen denen Reichsschutz, die einwandfreie Land¬
erwerbungen in unabhängigen Gebieten vornehmen wollten; und dies war
sicherlich eine Stütze, ohne die das Unternehmen von vornherein ein jugend¬
liches, tollkühnes und aussichtsloses „Abenteuer" geblieben wäre, als das
es von der Mitwelt") angesehen wurde. Trotzdem bleibt es ein großer Ent¬
schluß, daß Peters als „Führer" auch gegen Bismarcks Willen die Sache
riskierte — mag er auch erst auf Pfeils Ermutigung"") seine Bedenken gegen eine
der Negierung trotzbietende Handlungsweise aufgegeben haben, was er später ver¬
schweigt"""). Tatsächlich verweigerte ihm Bismarck Anfang September nicht
nur den für das Sambesiprojekt nachgesuchten Schutz, sondern entzog ihm auch
später sür den Fall der Ausführung eines anderen Kolonialprojektes ausdrücklich
jeden staatlichen Schutz. Natürlich hielt er auch, als er von dem heimlich
gefaßten und durchgeführten Plan der „Gesellschaft für deutsche Kolonisation"
Kenntnis erhalten hatte, an diesem seinen Entschluß fest. Die Expeditions¬
mitglieder erfuhren sogar offiziell aus einem Bismarckschen Telegramm an
O'Swald in Sansibar vom 8. November diese traurige Aussicht gerade in dem
Augenblick, als sie afrikanisches Festland betreten wolltenf). Aber schnelles und
rücksichtsloses Handeln tat not, wenn man der Absicht des Belgierkönigs, das
Gebiet zwischen der Sansibarküste und dem Seengebiet dem Kongostaate anzu¬
gliedern, zuvorkommen wollteff). Um nicht völlig von den Berliner „Velleitäten"
abhängig zu sein, beschloß Peters daher im schlimmsten Falle als letztes Ziel
in der Klimax seiner Pläne, dieses Gebiet wenigstens dem damals allgemein
für ein neutrales, internationales Kolonisationsunternehmen gehaltenen Kongo¬
staate als deutschen Flügel anzuschließen fff). Offiziell antwortete Peters auf das
Telegramm trotzig, daß er bitte, in Zukunft rin dem Abschlagen einer Sache
zu warten, bis er um etwas bitte"f): eine Form, mit der er sich und seine
Sache dem Auswärtigen Amte sicherlich mißliebig machte. Denn es ist kein
Zweifel, daß sie der Regierung Unrecht tat, da diese mit ihrer Haltung offenbar









") So auch von Fabri, Fünf Jahre deutscher Kolonialpolitik (Gotha 1889>, S. 7.
**) Erwerbung 72,
Gründung 64.
1) Peters, ebenda, Pfeil 67.
ff) Peters 66.
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[0121] Peters und Pfeil richtigen Mann — eben Graf Pfeil — in die Lücke eintreten zu lassen. Die Ausführung des Ganzen aber bleibt ohne die Peterssche Energie ganz undenkbar. Im Unterschied zu den früheren deutschen Kolonialgründungen war die Peterssche eine ohne vorhandene Interessen aus dem Nichts geschaffene und nicht nur ohne, sondern geradezu gegen den Willen des Reichskanzlers vorgehende Privatunternehmung, für die die jugendlichen Erwerber Gut, Blut und Ehre einzusetzen hatten. Zwar gewährte Bismarck durch seine Neichstagsaus- sührungen vom 26. Juni 1884 allen denen Reichsschutz, die einwandfreie Land¬ erwerbungen in unabhängigen Gebieten vornehmen wollten; und dies war sicherlich eine Stütze, ohne die das Unternehmen von vornherein ein jugend¬ liches, tollkühnes und aussichtsloses „Abenteuer" geblieben wäre, als das es von der Mitwelt") angesehen wurde. Trotzdem bleibt es ein großer Ent¬ schluß, daß Peters als „Führer" auch gegen Bismarcks Willen die Sache riskierte — mag er auch erst auf Pfeils Ermutigung"") seine Bedenken gegen eine der Negierung trotzbietende Handlungsweise aufgegeben haben, was er später ver¬ schweigt"""). Tatsächlich verweigerte ihm Bismarck Anfang September nicht nur den für das Sambesiprojekt nachgesuchten Schutz, sondern entzog ihm auch später sür den Fall der Ausführung eines anderen Kolonialprojektes ausdrücklich jeden staatlichen Schutz. Natürlich hielt er auch, als er von dem heimlich gefaßten und durchgeführten Plan der „Gesellschaft für deutsche Kolonisation" Kenntnis erhalten hatte, an diesem seinen Entschluß fest. Die Expeditions¬ mitglieder erfuhren sogar offiziell aus einem Bismarckschen Telegramm an O'Swald in Sansibar vom 8. November diese traurige Aussicht gerade in dem Augenblick, als sie afrikanisches Festland betreten wolltenf). Aber schnelles und rücksichtsloses Handeln tat not, wenn man der Absicht des Belgierkönigs, das Gebiet zwischen der Sansibarküste und dem Seengebiet dem Kongostaate anzu¬ gliedern, zuvorkommen wollteff). Um nicht völlig von den Berliner „Velleitäten" abhängig zu sein, beschloß Peters daher im schlimmsten Falle als letztes Ziel in der Klimax seiner Pläne, dieses Gebiet wenigstens dem damals allgemein für ein neutrales, internationales Kolonisationsunternehmen gehaltenen Kongo¬ staate als deutschen Flügel anzuschließen fff). Offiziell antwortete Peters auf das Telegramm trotzig, daß er bitte, in Zukunft rin dem Abschlagen einer Sache zu warten, bis er um etwas bitte"f): eine Form, mit der er sich und seine Sache dem Auswärtigen Amte sicherlich mißliebig machte. Denn es ist kein Zweifel, daß sie der Regierung Unrecht tat, da diese mit ihrer Haltung offenbar ") So auch von Fabri, Fünf Jahre deutscher Kolonialpolitik (Gotha 1889>, S. 7. **) Erwerbung 72, Gründung 64. 1) Peters, ebenda, Pfeil 67. ff) Peters 66. 1-f1) Ebenda 90. *"f) Ebenda 6ö.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/121>, abgerufen am 27.07.2024.