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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Peters und Pfeil

eignet, seinen in der Studierstube gefaßten Plänen, deren Unausführbarkeit
er immer wieder hatte erleben müssen, endlich den lange gehofften praktischen
Inhalt zu geben. Der Lauf der Dinge ließ ihn schließlich als ihren Urheber
erscheinen. Kein Wunder, wenn Pfeil im Bewußtsein seiner Originalität nach
zahllosen unberechtigten Angriffen von Petersscher Seite*) aus seiner vornehmen
Reserve hervortrat**), obwohl er es auch da noch als "eine durchaus unwürdige
Notwendigkeit" empfand, gegen einen Mann aufzustehen, mit dem zusammen
er die größte und schönste Kolonie Deutschlands erwerben half. Im Interesse
der geschichtlichen Wahrheit aber war es zweifellos seine Pflicht, seine ver¬
dunkelten Verdienste ins helle Licht zu rücken. Nachdem er persönliche Vorwürfe
von Peters als unberechtigt zurückgewiesen, sicherte er sich denn auch für das
historische Urteil in bezug auf die Erwerbungsexpedition seinen vollen und
hinsichtlich der Richtunggabe für dieselbe den Hauptanteil, der bisher von Peters
fast unbeschränkt in Anspruch genommen wurde***).

Indes ist Pfeil objektiv genug f), um anzuerkennen, daß bei der Verwirklichung
eines Gedankens nicht die Frage nach seinem Ursprung das Kriterium für das
Urteil abgibt oder wie es Peters (im "Tag" a. a. O.) ausgedrückt hat, daß man
den intellektuellen Anteil nicht auf Kosten der taten schaffenden Energie über¬
schätzen darf. Wenn er sich aber als Teilnehmer der Expedition gegen die
"Überhebung" einer Petersschen "Gründung" von Deutsch-Ostafrika wendet, so
bringt er dafür historisches Material als ergänzenden und richtigstellenden Beitrag
zu deren Darstellung in Peters' "Rückerinnerungen" ff) bei, deren Begleichung
erst das Verständnis für eine Erkenntnis der Wirrnisse innerhalb der Gesellschaft
ermöglicht. Außerdem liefert er mehrfach wertvolle Beiträge zu einer Charak¬
teristik von Carl Peters fff), die bei aller Bitterkeit über erfahrene Kränkung und
bei aller scharfen Replik gegen Peterssche Angriffe doch als objektive Versuche
anerkannt werden müssen.

Der springende Punkt aller Diskussionen, die hierbei entstanden sind, ist
folgender: Peters, anfangs hin und her schwankend zwischen Theorie und Praxis,
zwischen philosophischen Studien und akademischen Habilitationsplänen einerseits
und der Absicht, in Chikago Schweinezüchter zu werden, war bei dem Unter¬
nehmen von Anbeginn der theoretische Kopf, der durch Beobachtungen vor allem
der englischen Kolonialpolitik zu der Erkenntnis gelangt war, daß Deutschland
der Kolonien bedürfe, und der für diese Erkenntnis mit seiner agitatorischen








*) Zuletzt in dessen "Gründung" 61 ff.
"*) Pfeil 114, 141, 198.
**') Freilich hält Peters gerade den Pfeilschen Ausgangspunkt (Sansibar) für "das
Schwächste" dieser Kolonialgründung, was er durch "wölfisches Nmsichfressen" seit 188S wieder
habe ausgleichen wollen. Vgl. Peters, "Vor 26 Jahren", im Tag, Ausgabe L, vom
1. Februar 1910, jetzt auch in seinen Aufsätzen "Zur Weltpolitik" (Berlin 1912).
1-) Erwerbung 227 ff.
1i) Gründung 120.
1'1-f) Erwerbung 50, 142, 227.
Peters und Pfeil

eignet, seinen in der Studierstube gefaßten Plänen, deren Unausführbarkeit
er immer wieder hatte erleben müssen, endlich den lange gehofften praktischen
Inhalt zu geben. Der Lauf der Dinge ließ ihn schließlich als ihren Urheber
erscheinen. Kein Wunder, wenn Pfeil im Bewußtsein seiner Originalität nach
zahllosen unberechtigten Angriffen von Petersscher Seite*) aus seiner vornehmen
Reserve hervortrat**), obwohl er es auch da noch als „eine durchaus unwürdige
Notwendigkeit" empfand, gegen einen Mann aufzustehen, mit dem zusammen
er die größte und schönste Kolonie Deutschlands erwerben half. Im Interesse
der geschichtlichen Wahrheit aber war es zweifellos seine Pflicht, seine ver¬
dunkelten Verdienste ins helle Licht zu rücken. Nachdem er persönliche Vorwürfe
von Peters als unberechtigt zurückgewiesen, sicherte er sich denn auch für das
historische Urteil in bezug auf die Erwerbungsexpedition seinen vollen und
hinsichtlich der Richtunggabe für dieselbe den Hauptanteil, der bisher von Peters
fast unbeschränkt in Anspruch genommen wurde***).

Indes ist Pfeil objektiv genug f), um anzuerkennen, daß bei der Verwirklichung
eines Gedankens nicht die Frage nach seinem Ursprung das Kriterium für das
Urteil abgibt oder wie es Peters (im „Tag" a. a. O.) ausgedrückt hat, daß man
den intellektuellen Anteil nicht auf Kosten der taten schaffenden Energie über¬
schätzen darf. Wenn er sich aber als Teilnehmer der Expedition gegen die
„Überhebung" einer Petersschen „Gründung" von Deutsch-Ostafrika wendet, so
bringt er dafür historisches Material als ergänzenden und richtigstellenden Beitrag
zu deren Darstellung in Peters' „Rückerinnerungen" ff) bei, deren Begleichung
erst das Verständnis für eine Erkenntnis der Wirrnisse innerhalb der Gesellschaft
ermöglicht. Außerdem liefert er mehrfach wertvolle Beiträge zu einer Charak¬
teristik von Carl Peters fff), die bei aller Bitterkeit über erfahrene Kränkung und
bei aller scharfen Replik gegen Peterssche Angriffe doch als objektive Versuche
anerkannt werden müssen.

Der springende Punkt aller Diskussionen, die hierbei entstanden sind, ist
folgender: Peters, anfangs hin und her schwankend zwischen Theorie und Praxis,
zwischen philosophischen Studien und akademischen Habilitationsplänen einerseits
und der Absicht, in Chikago Schweinezüchter zu werden, war bei dem Unter¬
nehmen von Anbeginn der theoretische Kopf, der durch Beobachtungen vor allem
der englischen Kolonialpolitik zu der Erkenntnis gelangt war, daß Deutschland
der Kolonien bedürfe, und der für diese Erkenntnis mit seiner agitatorischen








*) Zuletzt in dessen „Gründung" 61 ff.
«*) Pfeil 114, 141, 198.
**') Freilich hält Peters gerade den Pfeilschen Ausgangspunkt (Sansibar) für „das
Schwächste" dieser Kolonialgründung, was er durch „wölfisches Nmsichfressen" seit 188S wieder
habe ausgleichen wollen. Vgl. Peters, „Vor 26 Jahren", im Tag, Ausgabe L, vom
1. Februar 1910, jetzt auch in seinen Aufsätzen „Zur Weltpolitik" (Berlin 1912).
1-) Erwerbung 227 ff.
1i) Gründung 120.
1'1-f) Erwerbung 50, 142, 227.
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[0118] Peters und Pfeil eignet, seinen in der Studierstube gefaßten Plänen, deren Unausführbarkeit er immer wieder hatte erleben müssen, endlich den lange gehofften praktischen Inhalt zu geben. Der Lauf der Dinge ließ ihn schließlich als ihren Urheber erscheinen. Kein Wunder, wenn Pfeil im Bewußtsein seiner Originalität nach zahllosen unberechtigten Angriffen von Petersscher Seite*) aus seiner vornehmen Reserve hervortrat**), obwohl er es auch da noch als „eine durchaus unwürdige Notwendigkeit" empfand, gegen einen Mann aufzustehen, mit dem zusammen er die größte und schönste Kolonie Deutschlands erwerben half. Im Interesse der geschichtlichen Wahrheit aber war es zweifellos seine Pflicht, seine ver¬ dunkelten Verdienste ins helle Licht zu rücken. Nachdem er persönliche Vorwürfe von Peters als unberechtigt zurückgewiesen, sicherte er sich denn auch für das historische Urteil in bezug auf die Erwerbungsexpedition seinen vollen und hinsichtlich der Richtunggabe für dieselbe den Hauptanteil, der bisher von Peters fast unbeschränkt in Anspruch genommen wurde***). Indes ist Pfeil objektiv genug f), um anzuerkennen, daß bei der Verwirklichung eines Gedankens nicht die Frage nach seinem Ursprung das Kriterium für das Urteil abgibt oder wie es Peters (im „Tag" a. a. O.) ausgedrückt hat, daß man den intellektuellen Anteil nicht auf Kosten der taten schaffenden Energie über¬ schätzen darf. Wenn er sich aber als Teilnehmer der Expedition gegen die „Überhebung" einer Petersschen „Gründung" von Deutsch-Ostafrika wendet, so bringt er dafür historisches Material als ergänzenden und richtigstellenden Beitrag zu deren Darstellung in Peters' „Rückerinnerungen" ff) bei, deren Begleichung erst das Verständnis für eine Erkenntnis der Wirrnisse innerhalb der Gesellschaft ermöglicht. Außerdem liefert er mehrfach wertvolle Beiträge zu einer Charak¬ teristik von Carl Peters fff), die bei aller Bitterkeit über erfahrene Kränkung und bei aller scharfen Replik gegen Peterssche Angriffe doch als objektive Versuche anerkannt werden müssen. Der springende Punkt aller Diskussionen, die hierbei entstanden sind, ist folgender: Peters, anfangs hin und her schwankend zwischen Theorie und Praxis, zwischen philosophischen Studien und akademischen Habilitationsplänen einerseits und der Absicht, in Chikago Schweinezüchter zu werden, war bei dem Unter¬ nehmen von Anbeginn der theoretische Kopf, der durch Beobachtungen vor allem der englischen Kolonialpolitik zu der Erkenntnis gelangt war, daß Deutschland der Kolonien bedürfe, und der für diese Erkenntnis mit seiner agitatorischen *) Zuletzt in dessen „Gründung" 61 ff. «*) Pfeil 114, 141, 198. **') Freilich hält Peters gerade den Pfeilschen Ausgangspunkt (Sansibar) für „das Schwächste" dieser Kolonialgründung, was er durch „wölfisches Nmsichfressen" seit 188S wieder habe ausgleichen wollen. Vgl. Peters, „Vor 26 Jahren", im Tag, Ausgabe L, vom 1. Februar 1910, jetzt auch in seinen Aufsätzen „Zur Weltpolitik" (Berlin 1912). 1-) Erwerbung 227 ff. 1i) Gründung 120. 1'1-f) Erwerbung 50, 142, 227.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/118>, abgerufen am 23.12.2024.